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04.2
Gedichte
Georg Weerth
Die
Industrie
Vor
Ihm sind tausend Jahre wie ein Tag
Der
gestern schied mit feierlichem Prangen;
Denn
was der Sturm der Zeiten auch zerbrach –
Ihm
ist er machtlos nur vorbeigegangen!
Ihm
nur! Der Menschheit wundervollem Geist!
Den
ewig seine eigne Schöne preist,
Der
frei entwandelt jeglicher Vernichtung,
Der
leuchtend zieht die eigne Bahn und Richtung!
Er
wohnte an des Indus heil’ger Flut;
Er
stürmte durch der Griechen grüne Felder;
Er
strahlt’ und blühte in ital’scher Glut,
Und
sang sein Lied im Dunkel deutscher Wälder.
Er
schwebte durch der Meere wüsten Schwall,
Und
in des Niagara Donnerfall
Erscholl
sein Ruf: „Wie auch die Jahre schreiten:
Ich
bin derselbe wie zu allen Zeiten!“
Wohl
hat er als das Höchste sich bewährt,
Der
Mensch! Der kühn die Elemente bändigt;
Der
rastlos fort und weiter nur begehrt,
Das
Streben nie mit einem Abend endigt!
Dem
der Gestirne Wandel so bekannt
Wie
seiner Heimat blumenreiches Land;
Dem
täglich neue Welten sich erschließen,
Zu
neuer Tat, zu schönerem Genießen!
Erfindrisch
greift er in die Gegenwart:
Da
keimt es auf zu schimmernder Gestaltung!
Was
ein Jahrhundert ahnungsvoll erharrt,
Es
ward! es ist, in herrlicher Entfaltung! –
O
Toren, die dem Leben ihr entrückt,
Euch
stets an alten Wundern nur entzückt,
Die
Wunder, so der Gegenwart entsprossen,
Sind
groß wie die der Tage, so verflossen! –
Es
ging der Mensch durch grüner Wälder Pracht,
Und
prüfend wählte er die Riesenfichte;
Er
wand das Eisen aus der Berge Schacht,
Und
trug’s empor zum frohen Sonnenlichte.
Drauf,
in der Schiffe flutbespühltem Raum
Fuhr
er frohlockend zu dem Küstensaum
Entfernter
Völker; transatlant’schem Strande
Die
Kunde bringend europä’scher Lande.
Und
in der Städte dumpf umhülltem Schoß
Wie
rast die Flamme wild aus tausend Essen!
In
reinen Formen windet es sich los,
Was
ungebildet die Natur besessen.
O
wär’s dem sel’gen Gotte doch erlaubt
Auf’s
neu zu heben sein ambrosisch Haupt:
Hephaistos,
säh’ den Dampf die Bahn er wallen,
Dem
Menschen staunend, würd’ er niederfallen!
Nicht
braucht’s der Morgenröte Flügel mehr,
Um
sich zu betten in den letzten Zonen:
Die
eigne Kunst trägt brausend uns einher,
Weit
durch den großen Garten der Nationen!
Entgegeneilt
was Strom und See getrennt
Und
rings in Millionen Augen brennt
Hell
das Bewusstsein, dass die Nacht entschwunden,
Der
Mensch den Menschen wieder hat gefunden!
So
donnert laut das Ringen unsrer Zeit,
Die
Industrie ist Göttin uns’rer Tagen!
Zwar
noch erscheint’s, sie halte starr gefeit
Mit
Basilisken-Blick der Herzen Schlagen;
Denn
düster sitzt sie auf dem finstern Thron
Und
geißelnd treibt zu unerhörtem Frohn,
Tief
auf der Stirn des Unheils grausen Stempel,
Den
Armen sie zu ihrem kalten Tempel!
Und
Menschen opfernd steht sie wieder da
Des
Irrtums unersättliche Begierde;
Weinend
verhüllt sein Haupt der Paria,
Indes
der Andre strahlt in güld’ner Zierde; –
Doch
Tränen fließen jedem großen Krieg!
Es
führt die Not nur zu gewisserm Sieg!
Und
wer sie schmieden lernte, Schwert und Ketten,
Kann
mit dem Schwert aus Ketten sich erretten!
Was
er verlieh, des Menschen hehrer Geist,
Nicht
Einem – Allen wird es angehören!
Und
wie die letzte Kette klirrend reißt,
Und
wie die letzten Arme sich empören:
Verwandelt
steht die dunkle Göttin da:
Beglückt,
erfreut ist Alles, was ihr nah!
Der
Arbeit Not, die Niemand lindern wollte,
Sie
wars, die selbst den Fels bei Seite rollte!
Dann
ist’s vollbracht! Und in das große Buch
Das
tönend der Geschichte Wunder kündet,
Schreibt
man: „Dass jetzt der Mensch sich selbst genug,
Da
sich der Mensch am Menschen nur entzündet.“
Frei
rauscht der Rede lang gedämpfter Klang,
Frei
auf der Erde geht des Menschen Gang!
Und
die Natur mit zaubervollem Kusse
Lockt
die Lebend’gen fröhlich zum Genusse!
oben
oben
______________________________
Textgrundlage:
"Die
Industrie", Georg Weerth,
aus:
Vorwärts, Herausgeber, Rudolf Lavant,
1. Auflage, ED: 1886, Verlag der
Volksbuchhandlung
in Hottingen, Zürich
wikisource
Logo 505: "Het gieten van ijzer in blokken!,
ca. 1890, Hermann Heyenbrock
Aus
Wikimedia Commons, dem freien Medienarchiv
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