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Literatur


04.2



Gedichte  Georg Weerth




 Das Hungerlied

Verehrter Herr und König,
Weißt du die schlimme Geschicht’?
Am Montag aßen wir wenig
Und am Dienstag aßen wir nicht.
 
Und am Mittwoch mußten wir darben,
Und am Donnerstag litten wir Noth;
Und ach, am Freitag starben
Wir fast den Hungertod!

Drum laß am Samstag backen
Das Brod, fein säuberlich;
Sonst werden wir Sonntags packen
Und freßen, o König, dich!

 
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 Die rheinischen Weinbauern

An Ahr und Mosel glänzten
Die Trauben gelb und roth;
Die dummen Bauern meinten,
Sie wären aus jeder Noth.
 
Da kamen die Handelsleute
Herüber aus aller Welt:
„Wir nehmen ein Drittel der Ernte,
Für unser geliehenes Geld!“

Da kamen die Herren Beamten
Aus Koblenz und aus Köln:
„Das zweite Drittel gehöret
Dem Staate an Steuern und Zöll’n!“

Und als die Bauern flehten
Zu Gott in höchster Pein,
Da schickt’ er ein Hageln und Wettern
Und brüllte: Der Rest ist mein!

Viel Leid geschieht jetzunder,
Viel Leid und Hohn und Spott,
Und wen der Teufel nicht peinigt,
Den peinigt der liebe Gott!


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Textgrundlage: "Hungerlied", "Die rheinischen Weinbauern"
Georg Weerth,
aus: Vorwärts, Herausgeber, Rudolf Lavant,
1. Auflage, ED: 1886, Verlag der Volksbuchhandlung
in Hottingen, Zürich
wikisource


Logo 505: "Het gieten van ijzer in blokken!,
ca. 1890, Hermann Heyenbrock

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