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Literatur


04.2


Geschichten - John Henry Mackay

Die Menschen der Ehe
Schilderungen aus der kleinen Stadt
 1912


 Quellenangabe

Aus der kleinen Stadt 1
 
Der Dunst der brennenden Kohle erfüllte die Luft weithin. Aus tausend Schloten qualmte der Rauch, gelb, schwarz, grau und weiß, empor und all diese dicken Wolken lösten sich unmerklich auf in die ungeheure Dunstwelle, die unablässig auf Meilen hin das Flußtal in seiner ganzen Breite beschattete.

Über der kleinen Stadt lag sie wie ein dünner Schleier. Zuweilen lüftete diesen Schleier ein frischerer Windhauch, der von Süden das Tal heraufzog. Aber es dauerte  nicht lange und er war wieder herniedergefallen auf die reizlosen Züge, die er wie in Mitleid verhüllte.
 
Eigentlich waren es zwei Städte, die hier zusammenlagen. Aber nur der Fluß, ein träger, gelber Fluß, trennte sie und zwei Brücken verbanden sie, eine alte, massive aus Stein, mit mächtigen Pfeilern und Quadern, die noch Alles lautlos ertragen hatte, was über sie hinweggezogen war; und eine neue aus modernem Eisen, welche ächzte und bebte, wenn die großen Lastwagen über sie hin fuhren und gräßliche Massen Staub unter den schweren Rädern hervorhusteten.
 
Der Fremde, der auf den Höhen des Tales hinwandernd die roten und schwarzen Giebel zu seinen Füßen sah, glaube nicht anders, als sie gehörten alle zu dem Bezirke einer Stadt. Aber die, welche unter diesen Giebeln wohnten, waren anderer Meinung. Und auf sie kam es doch an.
 
Seit undenklichen Zeiten lagen die Schwesterstädte einander in den Haaren. Die kleinen Reibereien endeten nie; die letzten Wahrzeichen der großen entscheidenden Schlachten aber waren die leeren Augenhöhlen der Gaslaternen auf der „alten“ Brücke -: unter den Steinwürfen der den Alten nachzwitschernden, nein, nachheulenden Jugend beider Städte waren sie dahin gesunken, Würfen, die ihre edleren Ziele leider verfehlt hatten.
 
In Dialogen von gleich klassischer Kürze und Schönheit endeten diese Kämpfe:
- Wart’ nur, ich sahns abber meinem Vatter! der eine.
-Und ich sahns meiner Mutter, die packt dei Mutter!
der andere.
-Abber mei Vatter  is stärker wie dei Vatter.
-O du Dürmel, kumm nure nit dahär . . .






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