|
|
|
|
|
lifedays-seite
moment
in time
|
|
|
|
|
04.2
Geschichten - John Henry Mackay
Die Menschen
der Ehe
Schilderungen
aus der kleinen Stadt
1912
Quellenangabe
Er
sah nach der Zeit: halb
acht Uhr.
Also
noch nicht drei Stunden waren vergangen, seit er zuletzt auf diesem
Platze
gestanden
hatte! -
Fast
begann er irre zu
werden an der Wirklichkeit seines Glückes.
War
es nicht alles ein
Traum?
Wie
wunderbar: er stand als Mann wieder auf der Stätte seiner Kindheit. Vor
Augenblicken hatte er sie wieder gesehen, nach Augenblicken sollte sie
– und
wahrscheinlich für immer – wieder hinter ihm liegen.
Kurze
Augenblicke im langen
Leben -: noch die Zeit eines Tages nicht war vergangen. War sie
vorüber, so
faßten ihn wieder die Hände seiner Welt.
Alles
war wunderbar.
Nur
einen Menschen vielleicht gab es in dieser Stadt der Kleinheit, der
Selbstgefälligkeit, der Enge, nur einen einzigen wirklichen, eigenen,
freien
Menschen, mit dem er zusammen zu leben vermochte – und diesen einen
Menschen
hatte er gefunden! Seltsamer Zufall!
Hier
gefunden – nicht in der Länge der Zeit, die auf kleinem Raume alle
Menschen, die ihn bewohnen, einmal aneinander vorüber zu gehen zwingt,
nein,
durch den seltensten Zufall der Welt, an den Grenzen dieses Raumes, in
der
Freiheit der Natur, in der stillsten Stunde, die Keiner ihnen störte .
. .
Er
hatte erkannt, daß das
meiste von dem, was die Menschen Glück nennen, sich erwerben läßt in
Erfahrung
und Ausdauer: Ruhe, Klarheit, Sicherheit und eine gewisse
Unabhängigkeit.
Die
großen Zufälligkeiten
des Glückes waren ihm nie begegnet und wenig war, was er sich nicht
hatte
erringen müssen in eigener Kraft. Daher fühlte er um so tiefer, wie
ungeheuer
groß der Zufall dieses Glückes war, das ihm hier entgegengetreten war,
schimmernd, blendend aus dunklem Rahmen hervor, dicht vor ihn hin - - .
Und
eine wahnsinnige Seligkeit überkam ihn! . . .
Die
Dämmerung nahm zu und die Kühle mit ihr. Aus ihren Gärten kehrten die
Bürger mit den Ihrigen heim – zum Nachtessen, danach zur Kneipe.
Lichter
flammten zu seinen Füßen auf. Ineinander zerrannen die Umrisse der
Häuser und
Straßen und scharf ragten nur noch die spitzen Türme der Kirchen, der
alten und
der neuen, empor. Am hellsten erstrahlten die Lichter drüben am anderen
Bergeshang, wo der Bahnhof lag. Flimmernde Linien liefen von dort aus
nach
beiden Seiten und erloschen in den Nebentälern.
An
den Enden des Tales aber lohten die mächtigen Brände der Hochöfen in
das
Dunkel empor, riesige Feuergarben, dort, wo eine Tag und Nacht nicht
rastende
Arbeit in siegreichem Ringen lag mit einer barmherzigen Natur und in
fruchtlosem Kampfe mit unbarmherzigen, ererbten, allmächtigen,
verschimmelten
Vorrechten.
Ein
Kätzchen in weißem Fell schlich über den Weg. An einem Kinde, das auf
der
Bank vor einem der zerstreuten Häuser saß, wand es sich vorüber und
dann mit
schnellen Sprüngen an Grach.
Dieser
sah das Kind. Er griff in die Tasche, gab ihm alles, was er an Geld
erfaßte, hob es in die Höhe und küßte das Erschrockene auf den Mund,
gleich als
müsse er sie stillen, die Erwartung nach seinem Glück, die er nicht
mehr
ertrug.
Dann
eilte er schnellen
Schrittes und wie beflügelt die engen Pfade zwischen den Gärten hin und
den
Berg hinunter.
|
lifedays-seite - moment
in time |
|
|
|
|
|
|
|