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Literatur


04.2



Geschichten - John Henry Mackay

Die Menschen der Ehe
Schilderungen aus der kleinen Stadt
 1912




Aus der kleinen Stadt 4

 

Sollte er sie aufsuchen, die Genossen jener Tage? – Fast wandelte ihn die Lust dazu an, wie nun Gestalt um Gestalt vor ihm emportauchte.
 
Was war aus ihnen geworden? – Wie waren sie geworden? Wo waren sie gelandet?
Von den meisten war es nicht zu schwer es zu ahnen.
 
Denn die meisten waren schon damals in ihrer Jugend dazu bestimmt, ein vorgeschriebenes Leben zu leben: das Leben herunter zu leben, wie Grach es nannte.
Nachdem ein Examen – ein Tor, das unwiderruflich passiert werden mußte, wollte man in dieses Leben eintreten – sie gezwungen hatte, sich den Kopf mit einer unglaublichen Menge modernden Gerümpels zu füllen, wurden ihnen einige Jahre gegönnt, ihn von diesem Wuste zu befreien.
 
Sie hatten zu vergessen, was sie gelernt hatten. Nach diesen Jahren einer ungebundenen Freiheit auf der Hochschule aber steckte sie der Vater unerbittlich in das von dem Großvater gemachte und von ihm selbst wohl gewärmte Bett und – „niemals wieder sah sie die Welt“.
 
Sie wählten unter den Töchtern des Landes eine – jeder eine – und begannen, sich zu vermehren in Züchten und Ehren.
 
Sie traten in die „Harmonie“ oder in die Dilettantengesellschaft „Urania“ ein und tanzten im Winter in „Kasino“, so lange sie noch jung waren.
 
Wurden sie älter, so begann das einzige Gefühl von Würde, dessen der Philister fähig ist: ein Bürger des Staates zu sein, ihre Brust zu schwellen und sie glaubten sich an den Geschicken des Landes zu beteiligen, wenn sie von Zeit zu Zeit einen Zettel in die Wahlurne warfen und Abends beim Biere endlose Debatten über die gleichgültigsten und belanglosesten Fragen innerer und äußerer Politik – dieses Tummelgebietes aller Menschen ohne Geist und Kraft – führten, bis die Stunde schlug, wo die Angst vor der Frau sie nach Haus und in das gemeinsame Bett trieb . . .
 
Sie waren  M en s c h e n  d e r  E h e  geworden.
 
Nein, Grach wollte keinen von ihnen wiedersehen. Man würde sich doch nur gegenseitig eine traurige Enttäuschung bereiten und in einer so veränderten Sprache über Menschen und Dinge reden, daß man sich nicht mehr verstand . . .







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