Gedichte
- Advent
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Knecht
Ruprecht
Von
drauß’ vom Walde komm ich her;
Ich
muß euch sagen, es weihnachtet sehr!
Allüberall
auf den Tannenspitzen
Sah
ich goldene Lichtlein sitzen;
Und
droben aus dem Himmelsthor
Sah
mit großen Augen das Christkind hervor,
Und
wie ich so strolcht’ durch den finstern Tann,
Da
rief’s mich mit heller Stimme an:
„Knecht
Ruprecht“, rief es, „alter Gesell,
„Hebe
die Beine und spute dich schnell!
„Die
Kerzen fangen zu brennen an,
„Das
Himmelsthor ist aufgethan,
„Alt’
und Junge sollen nun
„Von
der Jagd des Lebens einmal ruhn;
„Und
morgen flieg’ ich hinab zur Erden,
„Denn
es soll wieder Weihnachten werden!“
Ich
sprach: „O lieber Herre Christ,
„Meine
Reise fast zu Ende ist;
„Ich
soll nur noch in diese Stadt,
„Wo’s
eitel gute Kinder hat.“
-
„Hast denn das Säcklein auch bei dir?“
Ich
sprach: „Das Säcklein das ist hier:
„Denn
Äpfel, Nuß und Mandelkern
„Essen
fromme Kinder gern.“
-
„Hast denn die Ruthe auch bei dir?“
Ich
sprach: „Die Ruthe, die ist hier:
„Doch
für die Kinder nur, die schlechten,
„Die
trifft sie auf den Theil den rechten.“
Christkindlein
sprach: „So ist es recht;
„So
geh mit Gott, mein treuer Knecht!“
Von
drauß’ vom Walde komm ich her;
Ich
muß euch sagen, es weihnachtet sehr!
Nun
sprecht, wie ich’s hierinnen find’!
Sind’s
gute Kind’, sind’s böse Kind’?
Theodor
Storm
Irgendwo muss
es
Paläste geben
Irgendwo muss
es
Paläste geben,
drin die
Fenster von Staub verschnein;
in der Säle
hallende Reihn
tauchen tote
Tage hinein:
Gestalten
wallen, es warnt der Schrein;
und kein
lustiger Leuchterschein
reicht in das
einsame Seltsamsein ...
Dort wollen
wir Feste geben –
märchenallein.
Rainer
Maria Rilke
Vorfreude
auf Weihnachten
Ein
Kind – von einem Schiefertafel-Schwämmchen
Umhüpft
– rennt froh durch mein Gemüt.
Bald
ist es Weihnacht! – Wenn der Christbaum blüht,
Dann
blüht er Flämmchen.
Und
Flämmchen heizen. Und die Wärme stimmt
Uns
mild. – Es werden Lieder, Düfte
fächeln. –
Wer
nicht mehr Flämmchen hat, wem nur noch Fünkchen
glimmt,
Wird
dann doch
gütig lächeln.
Wenn
wir im Traume eines ewigen Traumes
Alle
unfeindlich sind – einmal im Jahr! –
Uns
alle Kinder fühlen eines Baumes.
Wie
es sein soll,
wie’s allen einmal war.
Joachim
Ringelnatz
Advent
(Es treibt
der Wind …)
Es treibt der Wind im Winterwalde
die Flockenherde wie ein Hirt,
und manche Tanne ahnt, wie balde
sie fromm und lichterheilig wird,
und lauscht
hinaus. Den weißen Wegen
streckt sie die Zweige hin – bereit,
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
der einen Nacht der Herrlichkeit.
Rainer Maria Rilke
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Textgrundlage:
Theodor Storm, „Knecht
Ruprecht“, aus Gedichte, S.
143-144,
8.
Auflage, Entstehung 1862, ED: 1889, Verlag von Gebrüder Paetel,
EO:Berlin
Wikisource
Textgrundlage:
Rainer
Maria Rilke „Irgendwo muß es Paläste geben“ aus Advent
Erscheinungsdatum:
1898
Wikisource
Rainer
Maria Rilke “Advent” aus: Erste
Gedichte, S. 103, ED: 1913,
Insel-Verlag,
Leipzig
Wikisource
Textgrundlage:
Joachim Ringelnatz, „Vorfreude auf Weihnachten“,
aus: 103 Gedichte,
S.
52-53, 1. Auflage, ED: 1933, Verlag Ernst Rowohlt, Berlin
Wikisource
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„Advent“, Urheber
Bubamara,
der das Bild gemeinfrei einstellte,
wikipedia,wurde mit dem rechten
Foto „Advent“,
Fotograf
Daniela Zenth, unter der CC-Lizenz
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