lifedays-seite

moment in time

 
 
Literatur


04.7




Gedichte

Karneval, Fastnacht und Fasching

_______________________________



 Ohne Larve

Freunde, wollt ihr Fasching halten,
Eine Larve braucht ihr nicht;
Zeigt die eigenen Gestalten,
Zeigt das eigne Angesicht. 
Seine Larve trägt ein Jeder
Trugsam gern zu jeder Zeit;
’runter mit dem Afterleder,
Zeigt euch heute, wie ihr seid.

Zeigt uns, was an euch wir haben,
Ohne Mummerei und Trug;
Eure freien, eignen Gaben
Sind, uns zu erfreu’n, genug.
Schmücke, Geist, uns, schmücke Liebe
Freundlich unsern Faschingsschmaus.
An wem Nichts zu lieben bliebe,
Nun, der schleiche still hinaus.

Steht die Kunst, sich zu verkappen,
Bei der Raupenwelt in Gunst:
Zu verschmähn des Scheines Lappen,
Freunde, das sei unsre Kunst.
Die uns draußen gern belügen
Durch der Torheit Mummerei’n,
Sollen heut uns nicht betrügen,
Sollen unsre Narren sein.

Guten Muts, gutmütig lachen
Heute wir zum Faschingsschmaus
Alle, die zu Narr’n sich machen,
Also wohl uns selber aus.
Denn wir sind die wahren Narren,
Wenn wir selbst uns nicht verstehn,
Wenn in Kappen wir und Sparren,
Selbst uns täuschend, untergehn.

Drum betrachtet euch im Glase;
Drinn  ja soll die Wahrheit sein!
Senkt hinein die stolze Nase,
Spiegelt euch im klaren Wein.
Gucket aus der heitern Quelle
Euch des Herzens Närrchen an,
Eingeständig seiner Schelle,
Lache Jeder, was er kann!

Johann K. W. Geisheim


 Jetzt hebt der Fasching an

Jetzt hebt der Fasching an,
Des Jahres tolle Lustbarkeit,
Und wer kein Narr sein kann,
Der ist auch nicht gescheit.

Die Maske vor, lauf’ ich herum
als Geck, als Geck,
Ich fopp’ und necke Jedermann:
das eben ist mein Zweck.

So Mancher läuft das Jahr
All überall als Narr herum
Und denkt, dass er’s nie war –
Das ist erschrecklich dumm.

Drum sag’ ich ihm vor aller Welt
 ganz keck, ganz keck:
Willkommen, lieber Herr College!
willkommen, Bruder Geck!

Wenn ich mich täusche nicht,
So ist die Welt der Narren voll,
Nur dass man’s ins Gesicht
Nie sagen darf und soll.

Der Fasching macht die Narren nicht,
o nein! o nein!
Sie finden sich zu jeder Zeit
 auch ohne Fasching ein.

August H. Hoffmann von Fallersleben


 Immer wieder Fasching

Wenn der Fasching kommt, wird viel verboten.
Aber manches wird auch andrerseits erlaubt.
Dann wird nicht nur Dienstboten,
Nein auch Fürstenhäusern entstammten
Damen oder Frauen von Beamten
Die Unschuld geraubt.

Jeder lässt was springen.
Viel ist los.
Und vor allen Dingen
Beine und Popos.

Wenn sich Masken noch einmal verhüllen
Mit Fantastik, Seide, Samt und Tüllen,
Zeigt sich sehr viel Fleisch und sehr viel Schoß.
Dass wir, eh’ wir heimwärts schwanken,
Unsern steifen Hut zerknüllen
Im Gedanken:
Hätten wir die Hälfte bloß!

Also brechen wir auf!
Ach nein, bleiben wir noch,
Bis an ein Loch.
Schließlich löst sich alles doch
In Papier auf.

Man vertrollt sich lärmlich,
Wendet sich erbärmlich,
Jedermann ein abgesetzter Held.

Draußen Sturm. Es hetzen
Über Dächer kalte Wolkenfetzen
Unterm Mond. Wir setzen
Uns ins Auto, fröstelnd vor dem letzten Geld.
 

Joachim Ringelnatz

oben



_______________________________

Gedicht: "Ohne Larve", K. W. Geisheim, aus: Gedichte,
Zweites Buch, S. 271-271,
ED: 1839, Verlag Josef Max und Kamp, Breslau

wikisoure

Gedicht: "Jetzt hebt der Fasching an", August, H. Hofmann
von Fallersleben,
aus: Gedichte, S. 283, 9. Auflage, ED: 1887, Verlag G.
Grothe, Berlin

wikisource

Gedicht: "Immer wieder Fasching", Joachim Ringelnatz, aus:
Allerdings, S. 139-140, 1. Auflage, ED: 1928, Verlag Ernst
Rowohlt, Berlin

wikisource

Logo 95:
  "Karneval in Rom" Johannes Lingelbach -
ca. 1650/1651,
Kunsthistorisches Museum - gemeinfrei

wikimedia.org
  lifedays-seite - moment in time