Gedichte
Karneval, Fastnacht
und Fasching
_______________________________
Ohne Larve
Freunde,
wollt ihr Fasching halten,
Eine
Larve braucht ihr nicht;
Zeigt
die eigenen Gestalten,
Zeigt
das eigne Angesicht.
Seine
Larve trägt
ein Jeder
Trugsam
gern zu jeder Zeit;
’runter
mit dem Afterleder,
Zeigt
euch heute, wie ihr seid.
Zeigt
uns, was an euch wir haben,
Ohne
Mummerei und
Trug;
Eure
freien, eignen Gaben
Sind,
uns zu erfreu’n, genug.
Schmücke,
Geist, uns, schmücke Liebe
Freundlich
unsern Faschingsschmaus.
An
wem Nichts zu
lieben bliebe,
Nun,
der schleiche still hinaus.
Steht
die Kunst, sich zu verkappen,
Bei
der Raupenwelt in Gunst:
Zu
verschmähn des Scheines Lappen,
Freunde,
das sei
unsre Kunst.
Die
uns draußen gern belügen
Durch
der Torheit Mummerei’n,
Sollen
heut uns nicht betrügen,
Sollen unsre Narren
sein.
Guten
Muts, gutmütig
lachen
Heute
wir zum Faschingsschmaus
Alle,
die zu Narr’n sich machen,
Also
wohl uns selber aus.
Denn
wir sind die wahren Narren,
Wenn
wir selbst uns
nicht verstehn,
Wenn
in Kappen wir und Sparren,
Selbst
uns täuschend, untergehn.
Drum
betrachtet euch im Glase;
Drinn
ja soll die Wahrheit sein!
Senkt
hinein die
stolze Nase,
Spiegelt
euch im klaren Wein.
Gucket
aus der heitern Quelle
Euch
des Herzens Närrchen an,
Eingeständig
seiner Schelle,
Lache
Jeder, was er
kann!
Johann
K. W. Geisheim
Jetzt hebt der
Fasching an
Jetzt
hebt der Fasching an,
Des
Jahres tolle Lustbarkeit,
Und
wer kein Narr sein kann,
Der
ist auch nicht gescheit.
Die
Maske vor,
lauf’ ich herum
als
Geck, als Geck,
Ich
fopp’ und necke Jedermann:
das
eben ist mein Zweck.
So
Mancher läuft das Jahr
All
überall als
Narr herum
Und
denkt, dass er’s nie war –
Das
ist erschrecklich dumm.
Drum
sag’ ich ihm vor aller Welt
ganz
keck, ganz keck:
Willkommen,
lieber
Herr College!
willkommen,
Bruder Geck!
Wenn
ich mich täusche nicht,
So
ist die Welt der Narren voll,
Nur
dass man’s ins Gesicht
Nie
sagen darf und
soll.
Der
Fasching macht die Narren nicht,
o
nein! o nein!
Sie
finden sich zu jeder Zeit
auch
ohne Fasching ein.
August
H. Hoffmann von Fallersleben
Wenn
der Fasching kommt, wird viel verboten.
Aber
manches wird auch andrerseits erlaubt.
Dann
wird nicht nur Dienstboten,
Nein
auch Fürstenhäusern entstammten
Damen
oder Frauen
von Beamten
Die
Unschuld geraubt.
Jeder
lässt was springen.
Viel
ist los.
Und
vor allen Dingen
Beine
und Popos.
Wenn
sich Masken noch einmal verhüllen
Mit
Fantastik, Seide, Samt und Tüllen,
Zeigt
sich sehr viel Fleisch und sehr viel Schoß.
Dass
wir, eh’ wir heimwärts schwanken,
Unsern
steifen Hut
zerknüllen
Im
Gedanken:
Hätten
wir die Hälfte bloß!
Also
brechen wir auf!
Ach
nein, bleiben wir noch,
Bis
an ein Loch.
Schließlich
löst sich alles doch
In
Papier auf.
Man
vertrollt sich
lärmlich,
Wendet
sich erbärmlich,
Jedermann
ein
abgesetzter Held.
Draußen
Sturm. Es hetzen
Über
Dächer kalte Wolkenfetzen
Unterm
Mond. Wir setzen
Uns
ins Auto, fröstelnd vor dem letzten Geld.
Joachim
Ringelnatz
oben
_______________________________
Gedicht: "Ohne Larve", K. W.
Geisheim, aus: Gedichte,
Zweites Buch, S. 271-271,
ED: 1839, Verlag Josef Max und Kamp, Breslau
wikisoure
Gedicht: "Jetzt hebt der Fasching an", August, H. Hofmann
von
Fallersleben,
aus: Gedichte, S. 283, 9. Auflage, ED: 1887, Verlag G.
Grothe, Berlin
wikisource
Gedicht: "Immer wieder Fasching",
Joachim Ringelnatz, aus:
Allerdings, S. 139-140, 1. Auflage, ED: 1928, Verlag Ernst
Rowohlt, Berlin
wikisource
Logo 95: "Karneval
in Rom" Johannes Lingelbach -
ca. 1650/1651,
Kunsthistorisches Museum - gemeinfrei
wikimedia.org
|