Gedichte
Karneval,
Fastnacht und Fasching
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Karneval
Väter,
hört mich, Mütter, hört die Mahnung,
Jetzt
kommt wieder jene Zeit – versteht! –
Wo
so manche Tugend ohne Ahnung
Der
Besitzerin abhanden geht.
Beute
suchend
schleicht umher das Laster;
Wer
ist sicher, dass ihm nichts geschieht,
Wenn
man jetzt der Busen Alabaster
Und
beim Hofball auch die Nabel sieht?
Von
den Blicken kommt es zur Berührung,
Irgendwo
zu einem
Druck der Hand,
Und
so manches Mittel der Verführung
Sei
aus Scham hier lieber nicht genannt!
Wenn
an hochgewölbte Männerbrüste
Sich
das zarte Fleisch der Mädchen drängt,
Regen
sich von
selbst die bösen Lüste
Und
was sonst damit zusammenhängt.
Darum
Eltern, wenn die Geigen klingen
Und
die Klarinette schrillend pfeift,
Hütet
eure Tochter vor den Dingen,
Die
sie hoffentlich
noch nicht begreift!
Peter
Schlemihl (Ludwig Thoma)
Trommellied
(Vor
Fastnacht.)
Die
Schlitten weg, die Trommeln vor,
Auf!
Knaben! lustig vor das Thor,
Rom
bom! rom bom! hinaus;
Im
Winde lasst die Sträuße wehn,
Im
Winde sich die
Fahnen drehn
Zum
tapfern Ohrenschmaus.
Wir
ziehn einher auf kahler Au,
Noch
sind die Winde scharf und rauh,
Drum
rührt die Trommel scharf;
Lasst
sehn wer
besser wirbeln mag,
Ob
Windsgebraus, ob Trommelschlag
Sich
Sieger nennen darf?
Ha,
sehet wie der Winter flieht,
Das
wilde Heer der Trommler zieht,
Ihn
höhnend
hinterher,
Wir
trommeln ihn zum Land hinaus,
Nun
schrecket auch das Windsgebraus
Die
Trommler nimmermehr.
Und
ist dann in der Fastennacht
Der
faule Lenz noch
nicht erwacht,
So
fallen wir vor Tag,
Rom
bom! rom bom! ihm in das Reich
Und
schlagen ihm den „Morgenstreich“
Bis
er es hören mag.
Hei,
wie es
wirbelt, dröhnt und kracht,
Jetzt
ist der faule Lenz erwacht,
Er
sperrt das Fenster auf:
„Seid
ihr’s ihr Buben? ja, ich komm’,
Nur
immer zu, rom bom! rom bom!
Ich
komm’, verlasst
euch drauf!“
Karl
Rudolf Hagenbach
oben
Lust’ge,
lust’ge Fastnachtszeit!
Heute
jubeln alle Leut’,
Heute
sind wir alle toll,
Alle
bunter Scherze voll.
Zieht
die
Schellenkappen um,
Hänget
bunte Kleider drum!
Keiner
kennt uns mehr heraus:
Welt
ist wie ein Narrenhaus.
Räuber
kommen wild heran,
Ritter
reihen stolz
sich dran,
Die
Zigeuner fehlen nicht,
Schäfersmann
ist jener Wicht.
Aus
Tyrol kommt der Gesell,
Jener
aus dem Land des Tell.
Wenn
ich doch ein
Türke wär’!
Seht,
dort trollt sogar ein Bär!
Auf
der Geige auf dem Bass,
Auf
der Flöte spielt der Spaß.
Kunterbunten
Maskenscherz
Treiben
froh wir
allerwärts.
Lust’ge,
lust’ge Fastnachtszeit!
Heute
jubeln alle Leut’,
Heute
sind wir alle toll,
Alle
bunter Scherze voll.
Wolfgang
Müller von Königswinter
Alter Brauch
Auf,
auf, ihr Fastnachtsnarren, auf!
Stellt
euch in bunte Reih’,
Und
zieht vor uns in Fröhlichkeit,
Zum
Possen der verbrummten Zeit,
Im
lust’gen Zug’
vorbei!
Viel
Narren sieht man in der Welt,
Doch
die nicht lustig sind:
Drum
lob’ ich euch, ihr lustigen,
Die
ihr der Lust verlustigen,
Betrübten
Zeit
entrinnt.
Die
Fasching ist mit ihrem Schwank
Ein
ganz uralter Brauch!
Die
alten Bräuche halte wert,
Wer
unsre guten Alten ehrt;
Sie
waren Narren
auch.
Und
schämten sich’s auch nicht zu sein,
Des
Jahres doch ein Mal;
Denn
Mancher ist das ganze Jahr
Ein
Narr, oft leider immerdar,
Ohn’
Lust und eigne
Wahl.
Wir
aber wählen uns den Spaß
Und
unser Narrentum;
Und
gute, frohe Narr’n zu sein,
Durch
Lust dem Leben Dank zu weihn,
Sei
unser
Faschingsruhm.
Denn
schöner ist die Welt fürwahr,
Als
Mancher sie erkennt;
Der
ist der allergrößte Narr,
Der,
für der Erde Schönheit starr,
Sich
gar wohl weise
nennt.
Weg
mit der Weisheit, welche will
Verzagt
und brummig sein!
Da
haben wir ganz
andern Mut,
Uns
schmeckt das Leben herzlich gut,
Bei
Sang und Kuss
und Wein.
Labt
uns auch Liebe, Wein, Gesang
Nicht
jeden Augenblick:
Wir
denken an den schönen Tag,
Da
hinter uns die Klage lag,
Stets
jung an Mut
zurück.
Johann
K. W.
Geisheim
oben
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Gedicht: "Karnevall", Ludwig Thoma, unter Pseudonym
Peter Schlemihl, aus: Zeitschrift Simplicissimus. ED: 1903,
Verlag Albert Langen,
München.
wikisource
Gedicht:
"Trommellied",
Karl R. Hagenbach, Untertitel:
Vor Fastnacht, aus Gedichte, II
Bändchen, Basel 1846,
S. 253-254, ED: 1846, Schweighauser'sche
Buchhandlung, Basel
wikisource
Gedicht:
"Alter Brauch", Johann K. W..
Geisheim, aus:
Gedichte,
Zweites Bändchen, S. 281-282, Verlag Josef Max und Komp,
Breslau
wikisource
Gedicht: "Fastnacht",
Wolfgang Müller von Königswinter, aus:
Kinderleben in Liedern und
Bilder,
entst. 1850, Verlag Johann Heinrich Schulz, Düsseldorf
wikisource
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95: "Karneval
in Rom" Johannes Lingelbach -
ca. 1650/1651,
Kunsthistorisches Museum - gemeinfrei
wikimedia.org
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