lifedays-seite

moment in time

 
 
Literatur


04.7





Gedichte
Karneval, Fastnacht und Fasching

_____________________________



 Karneval

Väter, hört mich, Mütter, hört die Mahnung,
Jetzt kommt wieder jene Zeit – versteht! –
Wo so manche Tugend ohne Ahnung
Der Besitzerin abhanden geht.

Beute suchend schleicht umher das Laster;
Wer ist sicher, dass ihm nichts geschieht,
Wenn man jetzt der Busen Alabaster
Und beim Hofball auch die Nabel sieht?

Von den Blicken kommt es zur Berührung,
Irgendwo zu einem Druck der Hand,
Und so manches Mittel der Verführung
Sei aus Scham hier lieber nicht genannt!

Wenn an hochgewölbte Männerbrüste
Sich das zarte Fleisch der Mädchen drängt,
Regen sich von selbst die bösen Lüste
Und was sonst damit zusammenhängt.

Darum Eltern, wenn die Geigen klingen
Und die Klarinette schrillend pfeift,
Hütet eure Tochter vor den Dingen,
Die sie hoffentlich noch nicht begreift!

 Peter Schlemihl (Ludwig Thoma)

 Trommellied
(Vor Fastnacht.)

Die Schlitten weg, die Trommeln vor,
Auf! Knaben! lustig vor das Thor,
Rom bom! rom bom! hinaus;
Im Winde lasst die Sträuße wehn,
Im Winde sich die Fahnen drehn
Zum tapfern Ohrenschmaus.

Wir ziehn einher auf kahler Au,
Noch sind die Winde scharf und rauh,
Drum rührt die Trommel scharf;
Lasst sehn wer besser wirbeln mag,
Ob Windsgebraus, ob Trommelschlag
Sich Sieger nennen darf?

Ha, sehet wie der Winter flieht,
Das wilde Heer der Trommler zieht,
Ihn höhnend hinterher,
Wir trommeln ihn zum Land hinaus,
Nun schrecket auch das Windsgebraus
Die Trommler nimmermehr.

Und ist dann in der Fastennacht
Der faule Lenz noch nicht erwacht,
So fallen wir vor Tag,
Rom bom! rom bom! ihm in das Reich
Und schlagen ihm den „Morgenstreich“
Bis er es hören mag.

Hei, wie es wirbelt, dröhnt und kracht,
Jetzt ist der faule Lenz erwacht,
Er sperrt das Fenster auf:
„Seid ihr’s ihr Buben? ja, ich komm’,
Nur immer zu, rom bom! rom bom!
Ich komm’, verlasst euch drauf!“

Karl Rudolf Hagenbach


oben

 Fastnacht

Lust’ge, lust’ge Fastnachtszeit!
Heute jubeln alle Leut’,
Heute sind wir alle toll,
Alle bunter Scherze voll.

Zieht die Schellenkappen um,
Hänget bunte Kleider drum!
Keiner kennt uns mehr heraus:
Welt ist wie ein Narrenhaus.

Räuber kommen wild heran,
Ritter reihen stolz sich dran,
Die Zigeuner fehlen nicht,
Schäfersmann ist jener Wicht.

Aus Tyrol kommt der Gesell,
Jener aus dem Land des Tell.
Wenn ich doch ein Türke wär’!
Seht, dort trollt sogar ein Bär!

Auf der Geige auf dem Bass,
Auf der Flöte spielt der Spaß.
Kunterbunten Maskenscherz
Treiben froh wir allerwärts.

Lust’ge, lust’ge Fastnachtszeit!
Heute jubeln alle Leut’,
Heute sind wir alle toll,
Alle bunter Scherze voll.

 Wolfgang Müller von Königswinter

 Alter Brauch

Auf, auf, ihr Fastnachtsnarren, auf!
Stellt euch in bunte Reih’,
Und zieht vor uns in Fröhlichkeit,
Zum Possen der verbrummten Zeit,
Im lust’gen Zug’ vorbei!

Viel Narren sieht man in der Welt,
Doch die nicht lustig sind:
Drum lob’ ich euch, ihr lustigen,
Die ihr der Lust verlustigen,
Betrübten Zeit entrinnt.

Die Fasching ist mit ihrem Schwank
Ein ganz uralter Brauch!
Die alten Bräuche halte wert,
Wer unsre guten Alten ehrt;
Sie waren Narren auch.

Und schämten sich’s auch nicht zu sein,
Des Jahres doch ein Mal;
Denn Mancher ist das ganze Jahr
Ein Narr, oft leider immerdar,
Ohn’ Lust und eigne Wahl.

Wir aber wählen uns den Spaß
Und unser Narrentum;
Und gute, frohe Narr’n zu sein,
Durch Lust dem Leben Dank zu weihn,
Sei unser Faschingsruhm.

Denn schöner ist die Welt fürwahr,
Als Mancher sie erkennt;
Der ist der allergrößte Narr,
Der, für der Erde Schönheit starr,
Sich gar wohl weise nennt.

Weg mit der Weisheit, welche will
Verzagt und brummig sein!
Da haben wir ganz andern Mut,
Uns schmeckt das Leben herzlich gut,
Bei Sang und Kuss und Wein.

Labt uns auch Liebe, Wein, Gesang
Nicht jeden Augenblick:
Wir denken an den schönen Tag,
Da hinter uns die Klage lag,
Stets jung an Mut zurück.
 
Johann K. W. Geisheim


oben



_________________________________________

Gedicht: "Karnevall", Ludwig Thoma, unter Pseudonym
Peter Schlemihl, aus: Zeitschrift Simplicissimus. ED: 1903,
Verlag Albert Langen, München.

wikisource

Gedicht: "Trommellied", Karl R. Hagenbach, Untertitel:
Vor Fastnacht, aus Gedichte, II Bändchen, Basel 1846,
S. 253-254, ED: 1846, Schweighauser'sche Buchhandlung, Basel

wikisource

Gedicht: "Alter Brauch", Johann K. W.. Geisheim, aus: Gedichte,
Zweites Bändchen, S. 281-282, Verlag Josef Max und Komp,
Breslau

wikisource

Gedicht: "Fastnacht", Wolfgang Müller von Königswinter, aus:
Kinderleben in Liedern und Bilder,
entst. 1850, Verlag Johann Heinrich Schulz, Düsseldorf

wikisource

Logo 95:  "Karneval in Rom" Johannes Lingelbach -
ca. 1650/1651,
Kunsthistorisches Museum - gemeinfrei

wikimedia.org
  lifedays-seite - moment in time