lifedays-seite

moment in time




 
Literatur


04.3



Gedichte


Frühling

______________________



Im Frühling

Hier lieg’ ich auf dem Frühlingshügel:
Die Wolke wird mein Flügel,
Ein Vogel fliegt mir voraus.
Ach, sag’ mir, all-einzige Liebe,
Wo du bleibst, daß ich bei dir bliebe!
Doch du und die Lüfte, ihr habt kein Haus.

Der Sonnenblume gleich steht mein Gemüthe offen,
Sehnend,
Sich dehnend
In Lieben und Hoffen.
Frühling, was bist du gewillt?
Wann werd’ ich gestillt?

Die Wolke seh’ ich wandeln und den Fluß,
Es dringt der Sonne goldner Kuß
Mir tief bis in’s Geblüt hinein;
Die Augen, wunderbar berauschet,
Thun, als schliefen sie ein,
Nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauschet.

Ich denke Dieß und denke Das,
Ich sehne mich, und weiß nicht recht, nach was:
Halb ist es Lust, halb ist es Klage;
Mein Herz, o sage,
Was webst du für Erinnerung
In golden grüner Zweige Dämmerung?

– Alte unnennbare Tage!

Eduard Mörike



 Des Lenzes Wappen

Holla, Menschlein, aufgeschaut!
Seht das Wunder wieder,
Wie der warme Himmel thaut
Auf die Welt hernieder!

Stand der graue Weidenstrunk
Gestern noch verdrossen, –
Heute hat vom Himmelstrunk
Selig er genossen.

Gestern fiel noch aus der Höh’
Manches weiße Flöckchen, –
Heute blühen, Osterschnee,
Alle deine Glöckchen.

Um die Eiche necken sich
Rings im Kreis die Veilchen,
Nur sie selber lächelt: Ich
Warte noch ein Weilchen!

Wie zum Strauße Flur und Hain
Bieten Perl’ um Perle:
Maßlieb, Primel, Waldröslein,
Birke, Ulm’ und Erle.

Holla, Menschlein! Führt heraus
Lenzeslust die Sonne,
Wird die ganze Welt ein Strauß
Sel’ger Blumenwonne.

Blumen, Laubwerk, Wiesengrün –
Alles bricht in Masse
Neuem Liebeleben kühn
Eine freie Gasse.

Denn, wo auch des Straußes Bild
Uns entgegen glänze:
Frischer Liebe ist’s der Schild,
Wappen ist’s dem, Lenze.

Bring’, o Strauß, dein junges Glück,
Bring’ es auch den Alten,
Daß sie immer noch ein Stück
Lenz für sich behalten!

Drückt man mir den letzten Strauß
In die kalten Hände,
Dann erst sei mein Frühling aus
Und mein Lied am Ende!

 Friedrich Hofmann

 Frühling

Willkommen, schöne Schäferin
In deinem leichten Kleide,
Mit deinem leichten frohen Sinn,
Willkommen auf der Weide.

Sieh, wie so klar mein Bächlein fließt,
Zu tränken deine Herde!
Komm setz dich, wenn du müde bist,
Zu mir auf die grüne Erde.

Und trübt sich der Sonne goldiger Schein
Und fällt ein kühlender Regen,
Dann ist mein Mantel nicht zu klein,
Wollen beide darunter uns legen.

Frank Wedekind


oben





_______________________________________

Textgrundlage: „Im Frühling“, Eduard Mörike, aus: Gesammelte Schriften,
Band 1, Gedichte, S. 33-34, Entst.: 1828, ED: 1878, EO: Stuttgart,
Verlag Göschen
wikisource.org

Textgrundlage:
„Des Lenzes Wappen“, Friedrich Hofmann, aus: Die Gartenlaube,
Heft 15, S. 239–240, Herausgeber: Adolf Kröner, ED: 1874, EO: Leipzig
Herausgeber:    Adolf Kröner
Erscheinungsdatum:    1874
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger
wikisource.org


Autor:   
Frank Wedekind
Textgrundlage: „Frühling“, Frank Wedekind, aus: Die vier Jahreszeiten
1. Auflage, ED: 1905, Albert Langen, Verlag für Litteratur und Kunst,
EO: München
wikisource.org

Logo 359: "Frühling" Eigenes Werk - ©GR
   lifedays-seite - moment in time