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04.7
Gedichte - April
____________________
1.
Ausmarsch
Angelegt
den Sommerrock,
Auf,
ergriffen Hut und Stock,
Himmel
steht im blau’sten Kleide,
Erd’
in ihrer grünsten Seide.
Ei,
wie lacht des Wandrers Herz
Heut’
am letzten Tag im März,
Wann
ist wo ein Mai erschienen
Mit
so hellen, heitern Mienen?
Luft
und Licht, und Farb’ und Gluth!
In
den Adern schwillt das Blut,
Heißt
uns ferne Reisen wagen
In
so
wunderbaren Tagen.
Morgen
grüßet mich April,
Was
doch der erst bringen will?
Rings
um tausend Knospen träumen,
Morgen
blühn sie von den Bäumen!
2.
Am andern Morgen
Über
Nacht das Thal beschneit,
Über
Nacht ward’s Winterszeit!
Schneeweiß
blühn alle Bäume,
Das
sind mir Blüthenträume!
3.
Auf dem Bussenberge
Weithin,
weithin wollt’ ich streifen
Auf
des freien Hügels Rand,
Der
den Blick läßt ferne schweifen
In
der Schneegebirge Land.
Dort
im Grünen und im Blauen
Auf
dem alten Mauerstein
Durch
das Fernrohr spähend schauen,
Welche
Wonne wird es sein!
Solchen
Wunsch in meinem Herzen
Hört
der launigte April,
Fängt
mit Flocken an zu scherzen,
Zaubert
her mir, was ich will.
Meine
Röhre kann ich drücken
Ruhig
in das Futteral,
Darf
mich nicht zur Ferne bücken:
Schneegebirg’
ist überall!
4.
Hayingen auf der Alp
Sei
mir willkommen Städtchen,
In
dieser schlimmen Zeit!
Hat
dich Aprilgestöber
Auf
das Gebirg verschneit?
So
finster und so enge
Mag
wohl kein andres sein,
Es
nimmt der Straßen Länge
Dein
kleines Rathhaus ein.
Und
niest einmal die Schildwacht
An
deinem obern Thor,
Gleich
schallt ein helles Prosit
Vom
untersten empor!
Doch
bin ich armer Wandrer
An
deinem Obdach froh,
So
durstig ist kein Andrer,
Und
müde keiner so.
In
einer grauen Stube
Reichst
du mir Speis’ und Trank;
Dir
thau’n die Phantasieen
Des
Dichters auf zum Dank.
Die
Thore will ich zimmern
Aus
ew’gem Zedernholz,
Ein
goldnes Dach soll schimmern
Auf
Thurm und Kirche, stolz.
Ich
pflanze Bäum’ und Reben
Auf
deiner kahlen Au,
Und
über alles wölb’ ich
Des
Sommerhimmels’ Blau.
Dann
zahl’ ich meine Zeche;
Leb’
wohl, du sel’ger Ort!
Ich
muß durch Berg und Fläche
In
Schnee und Regen fort!
5.
Im Bergwirthshaus
Braunes
Bier und saure Gesichter!
Saures
Bier, brauner Augen Lichter,
Hell
und freundlich, treu und gut: –
Wirthin,
mir wird wohl zu Muth!
6.
Riedlinger politische Zeitung
Wahrlich,
auch die Zeitungsblätter
Haben
heut’ Aprilenwetter,
Gestern
blies noch gar zu lind,
Gar
zu lau darin der Wind.
Selig
hießen die Monarchen,
Daß
die Kriegesfurien schnarchen;
Heut’
in dieser Sturmesnacht
Plötzlich
sind sie aufgewacht.
Mahmud
sitzt im Kaisersaale,
Ali’s
Kopf steckt auf dem Pfahle,
Und
aus finstrer Wolke Sitz
Stürmt
der Hagel, schießt der Blitz.
Auf
zum Kampf, ihr Erdengötter!
Doch
ist’s nur Aprilenwetter,
Und
im Osten führt der Mai
Gold’nes
Morgenroth herbei.
7.
Auf der Bergheide
Laß
dich den Schnee durchdringen,
Laß
dich den Sturm durchwehn:
Denn,
kann die Lerche singen,
So
kannst du wohl noch gehn!
8.
Im Lauterthal
Was
lachen mich die Männer,
Die
schmucken Mägdlein aus,
Daß
ich so eifrig schaue
Nach
dem zerfallnen Haus?
Daß
ich so sehnlich folge
Des
Flusses krummem Lauf,
Daß
ich so rüstig steige
Den
hohen Berg hinauf?
Sie
mögen es nicht glauben,
Daß
mir durch Thal und Höhn
Die
Lust den Schritt beflügelt
Bei
dieser Stürme Wehn;
Sie
loben Stadt und Ebne
Und
schielen halb mit Neid
Auf
meine weichen Hände
Und
auf mein städtisch Kleid.
Ihr
Männer des Gebirges!
Es
thut mir herzlich weh,
Daß
ihr die Nahrung kärglich
Abzwinget
eurem Schnee;
Daß
euren schlanken Töchtern
Die
Last den Rücken beugt,
Und
euer Berg dem Durste
Kein
Tröpfchen Weins erzeugt.
Doch
däucht mir noch viel bittrer,
Als
euer Durst und Schweiß,
Daß
euer Geist vom Schönen,
Von
Gottes Bild nichts weiß.
Die
Noth, an der ihr zehret,
Der
euer Leib sich bückt,
Hat
euch in’s Herz gefressen,
Hat
euch den Sinn erdrückt!
In
Seiner Leidenswoche
Durchwandl’
ich dieses Thal:
Er
kennet jeden Kummer,
Er
heilet jede Qual!
Geb’
Er dem Jahre Segen,
Daß
es euch tränkt und speist,
Und
löse dann die Binde
Von
dem verhüllten Geist!
Gustav
Schwab
__________________________
Textgrundlage: „Aprilreise“,
Gustav Schwab
aus Gedichte 1. Band, S.
101-108, ED: 1828,
Verlag Cotta, Stuttgart und Tübingen
wikisource.org
Logo 65: "Cat and Bird", Paul Klee,
Museum of
Modern Art - MoMa, New York - gemeinfrei
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