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Literatur


04.7




Gedichte - Winter

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 Winternacht

 1.

Vor Kälte ist die Luft erstarrt,
Es kracht der Schnee von meinen Tritten,
Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart;
Nur fort, nur immer fortgeschritten!

Wie feierlich die Gegend schweigt!
Der Mond bescheint die alten Fichten,
Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt,
Den Zweig zurück zur Erde richten.

Frost! friere mir ins Herz hinein,
Tief in das heißbewegte, wilde!
Daß einmal Ruh mag drinnen sein,
Wie hier im nächtlichen Gefilde!

2.

Dort heult im tiefen Waldesraum
Ein Wolf; – wie’s Kind aufweckt die Mutter,
Schreit er die Nacht aus ihrem Traum
Und heischt von ihr sein blutig Futter.

Nun brausen über Schnee und Eis
Die Winde fort mit tollem Jagen,
Als wollten sie sich rennen heiß:
Wach auf, o Herz, zu wildem Klagen!

Laß deine Todten auferstehn,
Und deiner Qualen dunkle Horden!
Und laß sie mit den Stürmen gehn,
Dem rauhen Spielgesind aus Norden!

Nikolaus Lenau

 Der Wintergarten

Die Nächte wurden länger,
Die Gartenlust war aus;
Die Fluren wurden bänger,
Wir floh’n in’s Winterhaus.

Da hab’ ich einen Garten
Im Hause längst gesehn,
Drin Blumen aller Arten
Bei grünen Bäumen stehn.

Dort war es wie im Lenze,
Wenn Blüth’ und Blatt sich regt,
Und lust’ger Vögel Tänze
Den Lerchenschlag bewegt.

Wie Abendlicht die Bäume
Durchblitzt und golden malt,
Vom Glanz’ der Frühlingsträume
Sah ich mich dort umstrahlt.

Fort war des Ernstes Schwere,
Nur lenzig war mein Sinn;
Bald hüpft’ ich mit, als wäre
Der Kuckuck ich darin.

Denn wißt, der Frühlingsgarten
Den ich vermeint’ zu schau’n,
Die Blumen aller Arten
Sind unsre lieben Frau’n.

Den Traum der Frühlingslichter
Weckt schöner Augen Glanz;
Die fröhlichen Gesichter
Sind Laub und Blumenkranz.

Laßt uns der Blumen warten,
Und ihres Schmucks uns freu’n
Und in dem Wintergarten
Recht oft den Lenz erneu’n.

Johann Karl Wilhelm Geisheim

oben





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Textgrundlage: „Winternacht“ Nikolaus Lenau, aus:
Gedichte. S. 32-33, 10. Auflage ED: 1848, Verlag Cotta,
EO: Stuttgart und Tübingen
ebook google

Textgrundlage: „Der Wintergarten“ Johann Karl
Wilhelm Geisheim Aus: Gedichte, Zweites Bändchen.
S. 257-258, ‚ED: 1839, Verlag: Josef Max und Komp.,
EO: Breslau
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