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04.2
Literarische Epochen
Verzeichnis der literarischen Epochen
Deutscher Barock
Hoffmannswaldau:
Lyrik (C.
H.v. H.)
Schertz=gedancken
Cupido
faßte dich vergangen zu gesichte,
Er
nahm den besten pfeil, und griff den bogen an,
Ich
schaute, wie er ihn nach deinem hertzen richte,
Ich
sprach: es ist nunmehr um Flavien gethan.
Als
aber dieser schalck genugsam angeschauet
Des
angesichtes glantz, so heller ist als tag,
Das
haar, wo ihm das gold ein bergwerk aufgebauet,
Und
sonnen=strahlen selbt mir ehren trotzen mag;
Die
schönen zauberin, die fleischichten rubinen,
Die
augen, wo das pech sich in den schnee gesetzt,
Die
wangen, welchen selbst Aurora wünscht zu dienen,
Der
hals, der auch den schwan in seiner pracht verletzt,
Die
brüste, so den witz in kurtzem können blenden,
Die
schultern, so den stuhl der schönheit angericht;
So
fiel der bogen ihn aus den geschwinden händen,
Und
sprach: dergleichen pracht führt auch die Venus nicht.
Er
sank ihr auf den hals mit mehr als tausend küssen,
Es
konnte nicht sein mund von ihren lippen gehen,
Er
ließ das süßte gifft auf ihre zunge fliessen,
Und
in der reinen flut die heisse glut entstehn.
Er
bließ ihr in den mund was buhlschafft kann erregen,
Was
amber in sich hält, und bisem mit sich führt,
Was
Paphos geben will, und Cypern denckt zu hegen,
Was
kalte geister regt, und schlaffe senen rührt.
Es
schwur bey seinem pfeil und seiner mutter brüsten,
Der
schönen Flavia zu gönnen ihre ruh;
Er
sagte: Werd‘ ich mich mehr wider diese rüsten,
So
schlage Jupiter mit blitz und donner zu!
So
tadle mich nun nicht, weil ich dir stets gesaget,
Daß
deine küsse sind mit anmuth angethan;
Das,
was mir itzt an dir am meisten mißbehaget,
Ist
dieses, daß dein geist mich nicht recht lieben kann.
Auf
den mund
Mund!
der die seelen kann durch lust zusammen hetzen,
Mund!
der viel süsser ist als starcker himmels-wein,
Mund!
der du alikant des lebens schenckest ein,
Mund!
den ich vorziehn muß der Inden reichen schätzen,
Mund!
dessen balsam uns kann stärcken und verletzen,
Mund!
der vergnügter blüht, als aller rosen schein.
Mund!
welchem kein rubin kann gleich und ähnlich seyn.
Mund!
den die Gratien mit ihren quellen netzen;
Mund!
Ach corallen-mund, mein eintziges ergetzen!
Mund!
laß mich einen kuß auff deinen purpur setzen.
Ich
singe tauben ohren
Ich
singe tauben ohren,
Dein
schönes antlitz kennt mich nicht,
Hab
ich der freundschaft süsses licht,
Mein
bestes kleinod ganz verlohren?
Wird
denn mein tag zu düstrer nacht?
Soll
ich mich lebendig begraben?
Und
deiner augen schöne pracht,
Wo
vormahls sonne war, itzt zu cometen haben?
Was
sind es doch für sünden,
Davor
ich peinlich büssen muß,
Und
aller schmertzen überfluß,
Als
übelthäter, itzt empfinden?
Doch
laß der überthäter recht
Mich,
eh‘ ich sterbe, nur geniessen!
Und
mache, daß dein armer knecht,
Was
er verbrochen hat, mag vor dem tode wissen.
Vor
was hab ich zu büssen?
Vor
göttin hab ich dich erkennt,
Mein
hertz als weyrauch dir gebrennt,
Und
mich gelegt zu deinen füssen.
Straft
mich der himmel oder du?
Dir
hab ich mich in mir verzehret;
Der
himmel stürmet auff mich zu,
Dieweil
ich dir zu viel, und ihm fast nichts gewähret.
Ach
zürne nicht/Melinde!
Ach
zürne nicht/Melinde!
So
mir diß freche wort entfährt!
Ein
sünder ist erbarmens werth.
Du
fühlest nicht, was ich empfinde!
Nicht
lache, wenn dein sklave fällt,
Du
weißt, verwirret seyn, und lieben
Hat
allbereit die erste welt
Mit
schrifft, die nicht verlöscht, zusammen geschrieben.
Doch
wilt du göttin heissen,
Zu
der dich deine tugend macht?
So
must du auch bey solcher pracht
Dich
der erbarmung stets befleissen,
Reiß
deinen kalten vorsatz ein,
Nicht
mache meine noth zum schertze,
Die
hölle lehret grausam seyn,
Der
himmel, dem du gleichst, verträgt kein steinern hertz.
O
Göttin! der ich ...
O
Göttin, der ich voller pflicht
Mein
erstes opfer angericht,
Verachte
nicht die letzten flammen,
Und
dencke noch an das altar,
Darauff
mein kindlich rauchwerk war,
So
dich und mich verband zusammen.
Ich
weiß wohl, dass die schnöde zeit,
Und
meine grosse niedrigkeit
Dein
ohr hat von mir weggerissen,
Und
daß kein zeugniß meiner pflicht,
So
hand und seele zugericht,
Recht
würdig ist, dich zu begrüssen.
Doch
aber, willst du göttin seyn?
So
muß auch deiner strahlen schein
Ein
kleines opffer nicht verhöhnen.
Der
himmel liebt barmherzigkeit,
Und
alle götter sind erfreut,
Wenn
unsre hände sie versöhnen.
Drum
thu auch deinen himmel auff,
Und
laß der tauben saiten lauff
Mich
und mein opffer nicht verzehren!
Die
dürfftigkeit hemmt meine hand,
Und
ist dir noch zuvor bekannt,
Was
dir mein armuth kann gewähren
Ist
gleich rauch-opffer, brand und heerd
Nicht
deiner himmel-schönheit werth,
So
wird dich doch das nicht beflecken;
Und
bist du göttin, so da liebt,
Da
man ihr himmelsehre giebt?
So
laß mich deinen nectar schmecken.
So
dich mein feuer lencken kann,
So
schaue dessen funcken an,
Und
laß mich nicht so schmählich sterben;
Doch,
soll es ja gestorben seyn,
So
laß mein leben samt der pein
Durch
deiner augen glut verderben.
Es
komme leben oder tod,
Es
komme wohlfahrt oder noth,
Ich
nehm es an mit tausend küssen,
Dein
urtheil stärcket meinen muth,
Ich
bin bereit mein treues blut
Vor
deinen füssen zu vergiessen.
Ihr
bleichen buhler ...
Ihr
bleichen buhler schwartzer zeit,
Die
ihr die nächte zieret,
Und
flammen voller lieblichkeit
Durch
trübe wolcken führet,
Werfft
einen strahl
Von
eurem saal,
Und
schaut, ob meine schmertzen
Sich
gleichen euren kertzen.
Die
ganze welt sinckt itzt zur ruh,
Nur
meine seuffzer wachen.
Die
sonne drückt ihr auge zu,
Mir
meines auffzumachen.
Dort
euer schein,
Hier
meine pein,
Die
geben zu verstehen,
Daß
sie nicht schlafen gehen.
Ihr
fackeln seyd itzt hochgestellt,
Ich
lieg im leid begraben:
Euch
rühmt der weite kreyß der welt,
Ich
weiß kein lob zu haben.
Ihr
kennt kein joch,
Mich
drückt es noch,
Ihr
könnt die flammen zeigen,
Und
ich muß sie verschweigen.
Nun,
Polydorus! bleib allhier,
Und
fechte mit gedancken.
Furcht
und betrübniß zeigt sich dir
In
des gemüthes schrancken.
Diß,
was mein geist
Mich
hoffen heist,
Vergleicht
sich euch, ihr sternen,
Es
zeigt sich nur von fernen.
Mein
sinn ist wie ein grünes land,
Da
hoffnungs-blüten prangen,
Die
doch des glückes falsche hand
Läst
keine frucht erlangen.
Des
geistes glut,
Der
augen flut,
Der
pein in meinem hertzen,
Ist
mehr als eurer kertzen.
Ich
bin ein schiff der liebes-see,
Das
wind und wetter plaget,
Dem
unglück, hoffnung, furcht und weh,
Durch
mast und segel jaget.
Hier
zeiget sich
Kein
port für mich,
Dieweil
ich itzt muß meiden
Den
leitstern meiner freuden.
Ich
weiß, weil mich die noth bekriegt
An
mehr als tausend enden,
Daß
Amaranthe ruhig liegt,
In
Morpheus süssen händen.
Daß
ihre brust
Nicht
ohne lust
Wird
auff und nieder reisen,
Da
mich die thränen speisen.
Ihr
Sterne! last das blaue dach,
Und
sencket euch hernieder,
Erfüll’t
ihr kühles schlafgemach,
Erwecket
ihre glieder!
Verschweigt
ihr nicht,
Wie
meine pflicht
Mehr
thränen hier vergossen
Als
sie der lust genossen.
Zeigt
ihr, was Polydorus macht,
Der
in dem feuer lebet,
Wie
alle noth bey ihm erwacht,
Und
schrecken um ihn schwebet.
Wie
furcht und pein
Hier
schwestern seyn,
Und
dieses ihn betrübet,
Was
er zu treu geliebt.
Rufft
ihr in meinem namen zu:
Der
Polydorus wachet,
Weil
Amaranthe in der ruh
Der
süssen träume lachet.
Es
scheint, mein hertz
Läst
solchen schmertz
So
reichlich hier entspriessen,
Weil
thränen mich begiessen.
Doch
glaube, daß die runde flut
Nicht
ohne feuer quillet.
Ich
schwere, daß sie geist und blut
Mit
tausend flammen füllet.
Wer
bey der nacht
Der
träume lacht,
Soll
diese straf erkennen,
Er
soll bey tage brennen
oben
________________________
Gedichte
aus: Herrn
von Hoffmannswaldau und anderer
Deutschen auserlesener und bißher
ungedruckter Gedichte,
erster theil nebst vorrede von der deutschen
poesie.
Mit Churf. Sächs. Gn. Privilegio, Leipzig, bey Thomas.
Fritsch:
Leipzig 1697
uni-düsseldorf
Logo
407: Still-Life
with Musical Instruments, Pieter Claesz,
1623, gemeinfrei
wikipedia
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