Literarische Epochen
Verzeichnis der literarischen
Epochen

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Mittelalter
Allgemeine
Merkmale mittelalterlicher Literatur
Mittelalterlicher
Literatur geht es im Gegensatz zu unserem
Kunstverständnis nicht um Ausdruck persönlicher Erfahrung oder
Beobachtung, sondern um das Allgemeine, Ideelle, Typische, das
gegenüber der unmittelbar erfahrbaren Wirklichkeit als die eigentliche
Wirklichkeit gilt, die letztlich in Gott gründet und auf die alles
bezogen ist.
Daraus
erklärt sich "die Vorliebe für Formeln und Klischees und
tradierte Figuren, erklärt sich die hyperbolische Darstellung von
Helden, Damen und Bösewichtern, die immer die besten, schönsten und
schlechtesten sind". (Peter Wapnewski, Deutsche Literatur des
Mittelalters, Göttingen 2/1960, S.48) Daher ist die Dichtung des
Mittelalters symbolisch, d.h. im Einzelnen das Allgemeine darstellend.
Psychologische
Motivierung, die wir i.d.R. von der Literatur erwarten,
ist der mittelalterlichen Literatur fremd. Die Erklärung eines
Charakters, einer Handlung, eines Konfliktes durch die menschliche
Seele verweilt innerhalb des menschlichen Bereiches und widerspricht
der Intention, den Menschen als Verkörperung eines Allgemeinen
darzustellen.
Da,
der Festgefügtheit der mittelalterlichen Weltordnung entsprechend,
Themen und Formen der Dichtung traditionell festgelegt sind, kann die
Aufgabe des Dichters nicht darin bestehen, etwas Neues, Originelles zu
schaffen. Sein Wert zeigt sich vielmehr darin, wie er das vorgegebene
Repertoire anwendet und variiert.
Dichtung
ist kein von den übrigen Lebensbereichen (Religion,
Wissenschaft, Politik) abgelöster, autonomer Bereich, sondern mit
diesen zutiefst verbunden, hat dienende Funktion.
Historische
Grundlagen (Stichworte)
Politisch:
Lehenssystem
(König als Lehensherr, Fürsten als Vasallen, erhalten Land
von ihm, sind ihm zu Treue und Gefolgschaft im Krieg verpflichtet),
ständiger Streit zwischen König/Kaiser und Fürsten um Macht, kein
fester Bestand staatlicher Institutionen, kein staatliches
Gewaltmonopol; außerdem Streit zwischen Kaiser und Papst um die Führung
im christlichen Abendland
Sozial:
Ständegesellschaft:
Adel, Bauer, Bürger; strenge Trennung, Geburt
bestimmt Stand; Adel als Grundherr (Herrscher über Land und Leute)
Bauern als Hörige in Abhängigkeit vom Grundherrn (Abgaben, Frondienst),
daneben Bürgertum in Städten (Handwerk, Handel)
ökonomisch:
Dominanz
der Agrarwirtschaft, langsames Aufkommen des Geldes, verdrängt
Naturaltausch; Handwerk, Handel in Städten (Zünfte)
Mittelalter
5.-10. Jahrhundert Frühmittelalter
10.-13. Jahrhundert Hochmittelalter
13.-15. Jahrhundert Spätmittelalter
Das Frühmittelalter,
die Zeit der Merowinger und Karolinger, reicht vom Untergang des
römischen Imperiums über Völkerwanderung und Frankenreich bis zum
altdeutschen Kaiserreich. Es entwickelt sich das Lehnswesen, das im
ganzen Mittelalter und darüber hinaus die hierarchisch gegliederte
ständische Gesellschaftsordnung bestimmt.
Das Hochmittelalter
umfasst die sächsische, salische und staufische Kaiserzeit. Neben dem
Kaisertum erstarkt die zweite universale Gewalt des Mittelalters, das
Papsttum, durch die cluniazensische Reformbewegung. Der
Investiturstreit erschüttert die Macht des Kaisertums. Die Kreuzzüge,
die abendländische Gegenbewegung gegen den Islam, drängen diesen
zeitweise in die Verteidigung zurück.
Im Spätmittelalter
erstarkt in den westeuropäischen Ländern die zentrale Gewalt der
Könige; es bilden sich die Grundlagen der späteren Nationalstaaten. In
Deutschland dagegen sinkt die Macht des Königtums, die der
Reichsfürsten wächst; die Kurfürsten gewinnen das Recht der freien
Königswahl; die Städte erlangen große wirtschaftliche und politische
Macht; hier entsteht die Kultur des Bürgertums. Das gesellschaftliche
und kulturelle Leben Europas entwickelt sich aus der bisherigen
relativen Einheit zu großer Vielfalt.
(Das historische Grundwissen, Klett)
Phasen
der deutschen Literatur des Mittelalters
Die
Literatur des Mittelalters - wie das Mittelalter selbst - ist zu
verstehen als eine Vereinigung dreier Bereiche: Antike, Christentum,
Germanentum. Die Antike wirkte auch im Mittelalter weiter - ihre
Dichtungslehre (Poetiken), das Vorbild der Schriftsteller (z.B. Vergil,
Ovid), ihre Philosophie (z.B. Aristoteles, Plotin). Im Gegensatz zur
späteren Renaissance sah man die Antike aber nicht als eigenständige
Epoche oder gar als Vorbild. Antike und Christentum hatten sich
vielmehr schon im späten Altertum verbunden, v.a. durch die
Bibelübersetzungen (Septuaginta, Vulgata) und die Kirchenväter (z.B.
Augustinus). Das Christentum war die prägende geistige Kraft des
Mittelalters.
Germanische
Zeit
Die
zur Zeit der Völkerwanderung in die spätantike Welt eindringenden und
sie schließlich zerstörenden Germanenstämme besaßen eine eigene
Literatur, die zunächst mündlich Verbreitung fand und erst viel später
aufgeschrieben wurde.
Das
meiste ist verschollen; überliefert sind die folgenden Werke:
Hildebrandslied:
germ. Heldenlied, um 820 aufgezeichnet (ahd)
Merseburger
Zaubersprüche: magische Zauberformeln, im 10.Jh. aufgezeichnet (ahd)
Edda;
Sammlung germanischer Götter- und Heldenlieder, aufgezeichnet um 1250
in Island (anord)
Geistliche
Dichtung des frühen Mittelalters (ahd) 9.-10. Jh.
Nach
der Christianisierung der Germanen sahen sich die Geistlichen vor der
Aufgabe, die lateinisch-christliche Literatur den bekehrten Heiden nahe
zu bringen. Aus dieser Zeit stammen Wörterbücher und v.a.
Nacherzählungen der Evangelien. Als wichtige Werke sind zu nennen:
*****
Heliand
(um 825) anonymer Verfasser, Evangelien in Form eines germanischen
Heldenepos, für die bekehrten Sachsen
Evangelienharmonie
von Otfrid von Weißenburg (um 870), benutzte erstmals den Endreim statt
des germanischen Stabreims
Schreiborte
waren die Klöster (z.B. St. Gallen, Weißenburg, Fulda), Schreiber die
Mönche, Auftraggeber Bischöfe und das Publikum der germanische Adel.
Geistliche Dichtung wurde während des gesamten Mittelalters geschrieben
und verbreitet, auch während der folgenden Perioden, in lateinischer
und deutscher Sprache.
Textgrundlage
Mittelalter
©
Gymnasium Wildeshausen und Wolfgang Pohl