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Literatur


04.2


Gedichte

Charlotte von Ahlefeld




An den Abendstern
 
Du blickst so lächelnd auf mich nieder,
Du heller, lieber Abendstern,
Als hörtest Du die leisen Lieder
Der ahnungsvollen Schwermut gern.

Wenn alles schläft, erweckt die Feier
Der stillen Nacht wie Melodie
Der Sehnsucht Klage, und ihr Schleier
Verrät die heißen Tränen nie.

Dann strahlst Du, holder Himmelsfunken,
Mir Trost in′s kranke Herz herab,
Und es ersteht mir, wonnetrunken,
Die Hoffnung aus der Zeiten Grab.

Oft schon, wenn ich mit heißem Sehnen
Begrüßte meiner Liebe Bild,
Da lachtest Du in meine Tränen
Und machtest meinen Kummer mild.

Oft, wenn ich mich des Lebens freute,
Da folgte Himmels blauer Weite,
Wie Freundesblick, Dein Silberschein.

Und es bewegte ernst und leise
Mit wunderbarer Ahnung mich,
Wenn in dem ewig festen Gleise
Dein reiner Schimmer still erblich.

Du schienest dann mir zuzuwinken:
"Leb′ wohl, bis wir uns wiedersehn!
"Jetzt muss mein letztes, mattes Blinken
"Im Morgendunste untergehn!"

Noch weilt mein Auge mit Vertrauen
Auf Deinem hohen, fernen Licht;
O möchtest Du doch ahnend schauen,
Was seine stumme Bitte spricht.

Wenn Er, Du weißt ja, wen ich meine,
Sein Auge still zu Dir erhebt,
So grüß′ ihn mit dem schönsten Scheine,
Dass freudiger sein Herz erbebt.

Und strahl ihm süßen, reinen Frieden;
Ach nimm den meinigen dazu!
Und ist ihm einst ein Schmerz beschieden,
So glänz ihm Hoffnung, Mut und Ruh.

Und stets, Du freundlichster der Sterne,
Erheitre ihn mit Deinem Licht,
Und sag ihm leis: "auch in der Ferne
Vergisst Dich Deine Freundin nicht!"

oben

Beim Abschied
 
Wirst Du in der Ferne mein gedenken,
Wenn die Welt geräuschvoll Dich zerstreut?
Wirst Du oft mir stille Stunden schenken,
Der Erinn‘rung unsres Glücks geweiht?

Wird kein neues Band mir Dein Vertrauen,
Keines Deine Liebe mir entziehn?
Kann ich ganz auf Deine Treue bauen,
O so nimm mein Herz auf ewig hin!

Immer bleibt es zärtlich Dir ergeben,
Auch wenn nie mein Blick Dich wiedersieht.
Wenn getrennt von Dir mein trübes Leben
Wie ein Seufzerhauch vorüber flieht.

Ach so viele heucheln nur Gefühle
Einer nie gekannten Innigkeit;
Und in dem zerstreuenden Gewühle
Endet schnell der Schwur der Ewigkeit.

Darum will ich nicht Dir Treue schwören,
Aber fest und liebend halt ich sie,
Und die Zukunft soll Dich ewig lehren
Deiner Freundin Herz vergisst Dich nie.




oben

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Textgrundlage: Gedichte aus "Natalie", Charlotte von Ahlefeld,
Berlin 1808, gemeinfrei

"An den Abendstern",   "Beim Abschied",  
zgedichte.de

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"Abendstimmung", nons77, S. 15 aus der kostenlosen
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