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Literatur

04.2


Gedichte

Balcke Ernst




Eigene Hochzeit

Sie gab ihm Früchte, die er längst schon kannte,
er nahm, genoß sie, und als leichter Dank
glitt seine Hand an ihrem Leib entlang,
eh er sich traurig-müde von ihr wandte.

Der Nachtwind blies die Schemen vieler Köpfe
ins Zimmer: Mädchen, blonde und brünette,
ein Rausch der Leiber wogte um sein Bette,
an das der Rhythmus schlug der langen Zöpfe.

Der Mädchen Züge aber deckte Dunst
des einst Gewesenen, wie mit schweren Schleiern,
das graue Weib "Vergessen" schlug die Leier
mit ihrer unbarmherzig-bitteren Kunst.

Nur eine, deren Züge wie vom Tod
schon das Vergessen angefressen hatte, bog
sich zu ihm nieder, und sein Mund sog, sog
die Pracht der Lippen, lächelnd, weich und rot. -

Das Weib zur Seite rührte an ihn leise,
er neigte sich gab sich wieder hin -
und tiefer brandete um Mund und Kinn
des grauen Weibs "Vergessen" bittere Weise.


Ich liebe Dich wie Farben, die den Tag,
der einsam scheidet, mit Verklärung schmücken,
wie müder Vögel schweren Flügelschlag,
wie Weiden, die der Nacht entgegennicken.

Ich liebe Dich wie Dinge, deren Sein
in mir schon fast erlosch, die matte Geste
der Tänzerin, die ihrer Jugend Reste
dem Spiegel abfleht, wie den roten Schein,
den ferne Brände an den Himmel malen,
wie Seligkeit von nie empfundenen Qualen! -

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Die Laube überhängt der weiße Flieder.
Der Junker mit den Händen, schmalen, feinen,
faßt mit der rechten die der lieben Kleinen,
und mit der linken löst er sanft das Mieter.

Das Mädchen blickt verschämt zu Boden nieder.
Doch duldet gern sie, daß man an sie rühre,
und sie gesteht dem Jüngling, daß sie spüre
noch nie vorher gefühlte Lust der Glieder.

Die Röcke rauschen, und der goldene Degen
des Ritters klirret manchmal leis dazwischen.
Die Abendsonne gibt den weißen Büschen
des Flieders tiefstes Rot. Das heftige Regen

Der Hände, die sich miteinander streiten,
die heißen Worte sehr erregter Zungen,
ergeben sich den süßen Dämmerungen
und werden schmachten und zusammengleiten.

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In des Abends fast verwelkte Lichter
trauert Deine süße Sillhouette,
und Dein Körper preßt sich dicht und dichter
an den Farbentod der Wolkenkette.

Nimm von Deiner Brust die gelben Rosen
und behänge diesen Herbstesflieder.
Nackt steht er. - Doch allem lichterlosen
gibst Du Glanz und gibst Du Seele wieder.

Sieh, der Abend stirbt in Deinen Haaren,
so als ob ein Kind Dir Kränze brächte. -
Warum, Gott, wird diesem wunderbaren
Wesen auch der Tod der Winternächte!!

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In einem Abdruck dieses Gedichtes 1912 in "Die Aktion" heißt es:

In des Abends fast verwelkte Lichter
Züngelt Deine süße Silhouette. . .




Und doch

Und doch! und doch! warst Du die Einzig Eine,
die wie ein Stein im Teiche in mir liegt;
und doch warst Du es, welche so wie keine
die letzten Schranken in mir hat besiegt.

Ob ich Dich Dirne oder Engel nenne!
Ob Göttin oder Tier! Das bleibt sich gleich!
Daß erst durch Dich ich selig war und reich,
und doch an diesem Reichtum nun verbrenne.

So ist der Liebe grausam-süße Gabe:
Als ob an einer Quelle letzter Schöne
schon der Verweseung faules Maul sich labe.

Und nichts weiß ich, das diesem mich versöhne:
Warum ich alles einer Puppe weihte
und dulden mußt', daß mich ihr Mund bespeite.

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Land der Toten

Dies ist das Land, das keine Tränen kennt,
doch auch kein Lachen; Sonne nicht, nicht Wetter,
kein Tier, daß flüchtig durch die Landschaft rennt,
nicht Winter, Lenz und Sommer. Nur der Blätter

Lautloses Sinken herrscht in diesem Reich;
ein lehmiger Himmel hängt ob all der Stille
und färbt die toten Schläfer grau und bleich.
So liegen sie, bis von der Blätter Fülle,

Der toten, sie verschüttet sind, so daß
der schmutzige Geier, der am Himmel zieht,
die Flügel zornig schlägt, und weit das Naß
des gelben Nebels aus den Federn sprüht.

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Liebestod

Ich schwamm in einem Meer von rotem Lichte.
Kahn, Wasser, Himmel, heilig wie Gesichte
und wesenlos erschienen sie. Gebunden

War ich ans Leben wie an Visionen,
kannt' nur das Opfer, nicht den Schmerz der Wunden
und fühlte mich gekrönt von tausend Kronen.

Der Sonne, welche niedertaucht im Westen,
sollte mein Sterben gleichen. Gleich erfüllt
und dargebracht in namenlosen Gesten.

Oder mein Liebestod sollte den Schemen
schwindsüchtiger Kinder ähneln, die gewillt
zum Sterben ziehn im Duft der Chrysamthemen. -

Nun steh ich hier, in Wintertod gestellt,
die Augen schmerzlich an den Schnee gebunden,
und alles fällt und sinkt, was in mir war.

Das Eis erdröhnt. Im Kampfe starrt die Welt,
ich aber bleibe: einer aus der Schar,
die nie verliert, was sie einmal gefunden.

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Dies letzte Lied! Wirst Du es jemals hören?
Es strömt aus mir, und strömt in mich zurück!
Ihm lacht kein Licht! Und blind ist jeder Blick!
Wo sind die Seligkeiten, die betören.

Mein Lied fegt wie ein Samum durch die Steppe,
kein Baum noch Strauch fängt ihn, der sich verzehrt
nach einer lichten Glut, die ihn verzehrt
wie einer Königsbraut geweihte Schleppe!

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