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   Literatur



 






Gedichte
Lisa Baumfeld

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Glaubensbekenntnis



O, ich glaub' an weite Märchenauen,
Die im Wolkenland der Seele blauen, —
Und an Engel, die mit Schönheit laben,
Blondes Haar und weisse Hände haben;
Und ich höre in des Waldes Knistern
Tausend feine Elfenstimmen flüstern, —
Seh' die scheuen, lockigen Najaden,
Blasse Glieder weich in Mondschein baden, —
Kann an hastig hellen Wassern lauschen
Wie so viele Thränen darin rauschen . . .
 
Und ich glaube an die gold'nen Schwellen,
Wo die wirren, rothen Düfte quellen,
Wo im Winde hohe Lilien schaukeln,
Wo dich Träume wundersam umgaukeln.
 
Und ich glaub' an flammende Cadenzen,
Die im ew'gen Sternenrhythmus glänzen,
Die in tiefen, hehren Melodien
Alle Schöpfung ahnungsschwer durchziehen,
Und ich weiss, - dass selbst die harten Töne
Einst zerschmelzen in das Ewig-Schöne, —
Dass im Leben, das dich müde wiegt,
Ein Symbol, ein Weites, Gold'nes, liegt.

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Sünde
(Gemälde von Franz Stuck)
Allein die Sünde ist unendlich reich . . . (Loris.)                               

 

. . . Ein weißes Weib lehnt in den dunklen Falten
Mit steinig weißen, grau'nhaft schönen Gliedern,
An die sich gleißend eine Schlange schmiegt . . .
Mit bleichem, sündhaft schönem Antlitz . . .
 
Aus seinen Zügen leuchtet, blaßroth schwellend,
Ein wundersüßer Mund, der vieles sagt,
Und lächelnd . . . viel verschweigt . . .
In ihrem Aug', dem trunk'nen, zaubertiefen,
Brennt sehnsuchtsfeucht ein Blick, der lockt und fängt
Und schmeichelnd kost und tödlich wundet
Und glühendheiß macht und den Sinn verwirrt . . .
 
Wer bist du, seltsam Weib?
Was glüht in deinen Lippen?
Was rauscht sirenengleich
Aus deiner Augen Meer?
 
„Mein Name ist der älteste hienieden.
Ich bin im Hauch der starren Tuberose,
Der schweren, die in weißen Gluten brennt . . .
Ich bin, wo tolle Rhytmen wirbeln
Und Menschen lachend sich dem Klang hingeben
Und sinnberauschet in den Tod sich wirbeln . . .
In allem Dufte, der dich trunken macht
Und süß zu Tode küßt und duftet . . .
Bin im Accord, der brausend dich durchflutet,
Und deine Seele streichelt und zerreißt,
Dich elend macht und doch unsagbar glücklich!
 
Mein Reich ist, wenn der silberweiße Mond
Sein schimmernd Gift in Erdenwunden hinweint,
Und Lieb' und Wahnsinn durch die Lüfte rasen . . .
In blassen schönen Frau'n kannst du mich fühlen.
Ich weh' als Athem in des Mundes Gluten,
Ich zuck' in ihrer Hand, die dich erbeben macht . . .
Ich bin im Duft der weichen Frauenhaare
Und hab' an ihrer Brust, der kalten, dich durchfröstelt
Und fiebre in dem Kuß, der dir das Herz versengt . . .
 
Komm', komm' zu mir! Ich weiß ein schönes Märchen
Und weiß, dein Herz ist krank . . . ich küsse dich gesund!
In meinem Arm ist seliges Verbluten . . .
Komm', komm' zu mir! Ich weiß ein schönes Märchen . . .”


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Une page d'amour
 
 

Er liebte sie mit trunk'nem Lebensfieber . . .
Er lechzte, aus dem weißen Feenleib
Ihr tiefstes Räthsel durstig einzusaugen . . .
So liebte er, und seine Liebe war
Ein heidnisch Lied und duftete nach Rosen
Und feuchter Erde . . .
                              Die er liebte, war
Ein schmächtig Weib mit märchenblauen Blicken,
Und bleicher Hand und dämm'rig blondem Haar,
Und lauter Duft, der blaß in Farben schimmert,
Und lauter Psyche war sie und Musik . . .
Sie liebte ihn mit scheu erhob'nen Augen,
Mit schmerzlich tiefem, ungesproch'nem Drang
Zu Füßen ihm, die Seele zu verbluten,
Ihr Leben ihm und Blumen hinzustreu'n . . .
In glückgeschwellter, betender Ekstase.
 
So liebte sie . . . Und ihre Liebe war
Wie Glockenton und duftete nach Äther
Und Weihrauch ... Aber er verstand sie nicht.
 
Und endlich kam der Tag, der sie vereinte,
Und endlich kam die Nacht . . .
                                        Ein Junimond
Sah weit und sinnend in den schwülen Garten
Und perlte lichte Thränen in den Fluß,
Und weinte auch in den Akazienästen,
Die wirr entbrannt in weißen Phantasien.
Der heiße Mann stand nah' dem Flußgelände
Und preßte wild das weiße Weib an sich —
— „Wie kalt du bist, mein schönes Weib!“ —
                               „Mich fröstelt!“ . . .
— „O, hörst du nicht, wie lauer Abendwind
Mit jenen Zweigen kost? Er küßt die Blüten,
Sie flattern ihm zu Füßen, liebeschwer . . .
Der Abendwind und jene Blüten lieben —
Wie du und ich!“
                       Sie schüttelt den Kopf:
— „Ich hör' ihn anders . . . sieh' der Abendwind
Liebt all die weite Schöpfung, darum irret
Er ewig rastlos, darum sehnt er sich,
Der Schöpfung Märchenseele auszutrinken . . .
In schauernd tiefer, unentweihter Liebe . . .
Weil sie einander ewig Räthsel sind,
Wie du und ich!“
                       Doch er rief angstvoll, drohend:
„O, du bist krank! Bei dir ist die Natur
Zu wolkenfeinem Seelenhauch verflüchtigt!
Ich heil' das Leid. Komm', folge mir ins Haus!
 
Ich bin ein Mann mit athmend schnellen Pulsen,
Und ford're Mannesrecht . . .“ Sie zuckte auf,
Mit fremder Stimme flehend: „Eine Frage!“
— „Gewiß, du seltsam Weib. Bin ich es nicht,
Der alle Räthsel für dich lösen soll?“
Und zitternd frug sie: „Auch das große Räthsel
Der reinen Liebe, ewig unentweiht?“
 
Ihr Auge sprühte Geisterglanz . . . ihm graute . . .
„Und weißt du,“ frug sie, „daß es Liebe gibt,
Die nicht im Krampf der warmen Glieder glutet, —
Die himmlisch ist und Seel' an Seele zieht
In körperloser, ewiger Verschmelzung?“
   Er sagte stammelnd: „Schönes, blasses Weib . . .
Ich wollt' dich ja so gerne glücklich machen . . .“
— Ein Jubelschrei . . . sie faßte das Gelände —
„Mir nach, Geliebter! . . .“ Weh! Und sie verschwand.
Er stürzte nach, und beide sanken, sanken
In unentweihter, ewiger Umarmung . . .
 

Rings wieder stille; leise wob die Nacht,
Der Mond goß lichte Perlen auf das Wasser,
Und sehnend trank der irre Abendwind
Der weiten Schöpfung ew'ge Märchenseele . . . —

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