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04.2
Erlebte Gedichte
Otto Julius Bierbaum
Pfingstwunder
blühn auf
Deinem Hute,
Aus
Deinen Augen lacht der
Mai,
Dein
Herz ist längst vom
Winter frei,
Du
flinke Fee vom
Fingerhute.
Mir
aber hockt noch in den
Gliedern
Das
Winterwehthum dumpf und
schwer.
Kurire
Du mich, und ein
Heer
Dicht’
ich zum Danke Dir
von Liedern.
Und,
das versteht sich wohl
am Rande,
Nicht
Lieder bloss, nein
Küsse auch,
Und
was uns sonst des
Frühlings Hauch
Einschmuggelt
noch als
Contrebande.
Wie
sie da lacht, die süsse
Pute!
Nun
bin des Frühlings ich
gewiss;
Des
Winters Wolkenpelz
zerriss
Die
flinke Fee vom
Fingerhute.
zurück
Barocke Bilder
An Otto Erich Hartleben für
den Pierrot lunaire
I.
Die
Sonne ging unter, der
Mond steigt auf,
Sonnengoldenes
Roth
Westwolken berändert,
Drüben
in geisterleisem
Lauf
Mondsilberhuschestrahl
schlendert.
Sterbeverzuckendes,
rieselndes Roth;
Sonne,
das Heldenherz
bricht im Tod,
Das
flammende Leben
versinkt.
Schau,
wie die wimmernde
Nacht, die kalte,
Eifersüchtige
Alte,
Das
dampfende Herzblut
trinkt.
II.
Die
goldene Wärme schwand
in die Nacht,
Nun
ist der kalte Spott
erwacht,
Der
sich ins tiefste
Erdenloch
Vor
der schenkenden Güte
verkroch.
Es
glitzert frech,
Ein
Schild von Blech,
Der
leere Mond über des
Tages Leiche.
Seine
Strahlen sind Seelen
vom Schattenreiche.
III.
Der
Mond wirft seinen
Silberspeer
Nach
dem Herzen der Erde,
Dass
sie wie er
Ein
spukender Leichenstern
werde.
Seit
Jahrmillionen ohn’
Unterlass
Will
er sie tödten,
Aber
sein Hass
Muss
fliehn,
Sieht
er am Himmel ziehn
Das
Purpurlebensmeer der
Morgenröthen.
Noch
schlägt das Herz der
Erde heiss
In
Lieben und Gebären,
Noch
dreht der alte
Wandelkreis:
Samen,
Blüthen, Aehren, -
Zeugen,
Geburt und Tod,
Wann
wird es stille?
Wo
glüht das Urgebot,
Wo
wacht der Wille?
zurück
Metamorphosen
Winterkrank
war meine
Seele, und sie kroch
wie
eine faule Kröte
zwischen kalten Steinen.
An den leeren Stunden klebte sie wie
eine
müde Fliege am
angelaufenen, undurch-
sichtigen
Fensterglas.
Sonst war meine Seele ein Schmetterling,
ein
leichter, feiner, blüthenverliebter
Schmetter-
ling,
der sich im
Sonnenscheine von weichen
Winden
gerne tragen liess,
wie ein Blumen-
blatt;
und er steckte sein
Saugrüsselchen gerne
in
alle Süssigkeit, und er
berauschte sich gerne
an
Tausendblumengeist, und
im offenen, samen-
staubduftigen
Schosse
üppiger, buttergelber
Rosen
schlief er gerne, der
sorgenlose, leicht-
sinnige,
frei schwebende
Schmetterling meiner
Seele.
Weisst du noch, meine Seele, wie du zum
letztenmale
Schmetterling
warst?
Das war ein heller, herber Tag, hell wie
ein
braunes Mädchenauge, in
dem der Spott
lacht:
„Liebe, - was ist
denn das?“
Solch’ ein Tag war’s: Herbstbeginn.
Da flogst du, meine leichtgläubige Seele,
durch
die kalte Helligkeit
und suchtest Blüthen;
aber
fallende Raschelblätter,
niederzitternd in
zagender
Schwäche, störten
deinen Flug, und
du
wurdest verzagt und
frorst in dieser leeren
Helle.
Da wurdest du ein kriechendes Thier, meine
Seele,
und du hast dich
verkrochen vor dem
lieblosen
Winter und dumpf
geschlafen.
Ohne
Seele, ohne Liebe, ohne Rausch
und
Taumel ging ich durch
diesen Winter,
ein
verdrossener Krüppel,
und sah ich die
Sonne,
so fragte mein Auge:
„Was soll diese
blinde,
angelaufene
Scheibe?“
Ein einziges, grosses Elend war mir dieser
Winter.
Da,
mitten in der Nacht, gestern, wachte
meine
Seele auf, und ich
fühlte es deutlich:
sie
hob Flügel wieder,
meine Seele, und sie
ist
wieder Schmetterling.
Und ich weiss: Zwei blaue, leuchtende
Blumen
sucht sie, und nie
noch kostete sie
solche
Süssigkeit, wie in
diesen beiden blauen
Blumen
ist.
zurück
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