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Literatur


04.2



Wilhelm Busch
Fliegende Blätter und
Münchener Bilderbogen

Beiträge aus den Jahren 1859-1871
 

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Der Sack und die Mäuse

Ein dicker Sack voll Weizen stand
Auf einem Speicher an der Wand
Da kam das schlaue Volk der Mäuse
Und pfiff ihn an in dieser Weise:
 
„Oh, du da in der Ecke,
Großmächtigster der Säcke!
Du bist ja der Gescheitste,
Der Dickste und der Breitste!
Respekt und Reverenz
Vor Eurer Exzellenz!“
 
Mit innigem Behagen hört der Sack,
daß man ihn so verehrt.

Ein Mäuslein hat ihm unterdessen
Ganz unbemerkt ein Loch gefressen.
 

 
Es rinnt das Korn in leisem Lauf.
Die Mäuse knuspern’s emsig auf.
 


Schon wird er faltig, krumm und matt,
Die Mäuse werden fett und glatt.

Zuletzt,man kennt ihn kaum noch mehr,
Ist er kaputt und hohl und leer.
 

 
Jetzt ziehn sie ihn von seinem Thron;
Ein jedes Mäuslein spricht ihn hohn;



Und jedes, wie es geht, so spricht's:
"Empfehle mich, Herr Habenichts!"


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Kindermärchen
 
Es ging ein Esel durch den Wald,
  Yah, yah;
Ihn ärgert ganz nach seiner Art,
Wie’s jubelnd von den Zweigen schallt,
Da hält er fleißig Widerpart,
  Yah, Yah!
Die Blumen duften; „Welch‘ Gestank!
Kommt mir in Kopf was, wird‘ ich krank;“
 


Der Quell zieht plaudernd hin durch’s Moos –
„Was schwätzt der Kerl so meisterlos –
   Yah, yah!“
Da tönt herüber aus der Mühl‘
Laut grölzend ähnliches Gebrüll;
  Yah, yah!
„O werthgeschätzter, insonders hochgeehrtester Herr Collega!
Welch‘ unerwartete, aber um so willkommenere Ueberraschung –
treff‘ ich Sie da!
Wie wohl thut einem ein vernünftig Wort
An einem so abgeschmackten Ort .
  Yah, yah, yah!“

 


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Die Sterne der Liebe

Blumen duften, Sterne funkeln
Fern am Quadalquivir. –
Schon beginnt die Nacht zu dunkeln,
Und die Oleander rauschen,
Wenn Fernando und Elvire
Sanfte Liebesworte tauschen
In dem dunklen Laubreviere
Fern am Quadalquivir.
 
„O, sie nur!“ so flötet Elvira und deutet
mit ihrem lilienweißen Zeigefinger in den
 nächtlichen Sternenhimmel, „sieh nur
den lieblich strahlenden Stern da

d’roben! O, sprich, Fernando, geliebter Freund,
kennst Du ihn wohl?“ –



Und Fernando, mit dem lyrischen Tenor
einer schwärmerischen Neigung, haucht
ihr die säuselnden Worte entgegen:
„O, Elvira, wer sollte ihn nicht kennen, den s
chönen, ewig strahlenden Stern!
Das ist der Stern der Liebe!!“

Blumen duften, Sterne funkeln
Fern am Quadalquivir. –
Schon beginnt die Nacht zu dunkeln;
Ach, die Zeit ist schnell entschwunden,
Und Fernando und Elvire,
Längst von Hymen’s Band umwunden,
Sitzen bei dem Kellerbiere
Fern am Quadalquivir.
 
Und wieder flötet Elvira:
„O, Fernando, sieh nur den lieblichen
Stern da d’roben! Nicht wahr, Fernando,
das ist der ewig strahlende Stern der Liebe?“ –



Doch Fernando’s Baß weckt das Echo des
halbgeöffneten Maßkrugs und spricht die
etwas mehr als säuselnden Worte:
„Himmelherrgottsternelement! Was weiß ich,
wie all‘ die dummen Stern‘ heißen!“


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