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Literatur


04.2



Wilhelm Busch

Schein und Sein
 

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In trauter Verborgenheit

Ade, ihr Sommertage,
Wie seid ihr so schnell enteilt,
Gar mancherlei Lust und Plage
Habt ihr uns zugeteilt.
 
Wohl war es ein Entzücken,
Zu wandeln im Sonnenschein,
Nur die verflixten Mücken
Mischten sich immer darein.
 
Und wenn wir auf Waldeswegen
Dem Sange der Vögel gelauscht,
Dann kam natürlich ein Regen
Auf uns hernieder gerauscht.
 
Die lustigen Sänger haben
Nach Süden sich aufgemacht,
Bei Tage krächzen die Raben,
Die Käuze schreien bei Nacht.
 
Was ist das für ein Gesause!
Es stürmt bereits und schneit.
Da bleiben wir zwei zu Hause
In trauter Verborgenheit.
 
Kein Wetter kann uns verdrießen.
Mein Liebchen, ich und du,
Wir halten uns warm und schließen
Hübsch feste die Türen zu.

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Was das Großmütterlein sang

Surre, surre, surre!

Mein gutes Rädchen schnurre!
Für unser kleines Kätchen
Dreh mir ein feines Fädchen
So lang von hier bis Köllen,
Wohl mehr als tausend Ellen.
Wir wollen es winden
Und Docken von binden,
Meister Weber es geben,
Soll Leinen uns weben,
Das breiten wir beide
Auf blumige Heide,
Auf Anger und Wiesen
Und wollen es sonnen,
Benetzen und gießen
Aus Bächen und Bronnen.
Ach, komm, du lieber Sonnenschein,
Und bleiche unser Leinen rein.
Dann kriegt mein Herzenstäubchen
Wohl manch ein feines Hemd
Und Tüchlein oder Häubchen,
Bis daß ein Freier kömmt.
»Schön' guten Tag, Herr Freiersmann!
Was schaut er so mein Kätchen an?
Das Kätchen geben wir nicht her,
Und wenn's für tausend Taler wär'.«
»Ei, Mutter, nur nicht gleich geschmält!
Den hübschen jungen Knaben,
Den will und muß ich haben;
Den Krauskopf, den Krauskopf
Hab' ich mir auserwählt.«
»Und willst du denn ein Bräutchen sein,
So geb' ich meinen Segen drein.
So manches Blümlein wachsen mag
Von Ostern bis Michelistag,
So manches Körnlein, als man sät,
So mancher Halm in Ähren steht,
So vielmal Gutes wünsch' ich dir
Aus meines Herzens Grund herfür.
Und wenn die Pfeifen klingen,
Dann tanzen wir und springen;
Dann spring' ich wohl und tanz' ich
Von Danzig bis nach Nanzig -
Knipp, knapp!
Da reißt mein Faden ab!«

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Am Vorabend von Rosens Geburtstag

Lauschend am Fenster sitzt der Poet. -
Draußen die Blumen und Pflänzchen
Halten ihr Abendkränzchen
Auf dem Gartenbeet.
Der Mond in Silberlivree,
Leise geschäftig,
Kredenzt den Tau, den Blütentee,
Anregend und kräftig.
Und von Kelch zu Kelche
Geht ein Geflüster:
»Also morgen ist er!«
 
Frau Ehrenpreis (Veronika): Ja, morgen feiert sie
Ihren werten Entsprießungstag –
 
Taubnessel (mit dem Hörrohr): Hä was? Hä welche?
 
Frau Ehrenpreis (lauter): - Drüben im Garten die schöne Frau Rose –
 
Taubnessel: Ah! Mit den zwei Knospen die!
 
Frau Ehrenpreis: - die tadel- und dornenlose –
 
Distel (für sich): Wer's glauben mag!
 
Frau Ehrenpreis: - Von Duft und Glanz umwoben.
 
Distel: Man weiß, man weiß!
Die gute Frau Ehrenpreis
Muß immer loben.
Und doch hat unser Röschen, das feine,
Allerlei kleine
Grillen und Räupchen
Unter dem zierlichen Häubchen.
 
Gänseblümchen: O wie reizend!
 
Distel: Bald steht sie da so mildiglich
Und senkt die Blätter,
Bald rüttelt, schüttelt und spreizt sie sich,
Je nach dem Wetter.
 
Gänseblümchen: O wie reizend!
Klatschrose: Ja reizend, das wollt' ich meinen!
Drum sieht man auch häufig den Löwenzahn,
Den Rittersporn und den Baldrian
Dort wachsen und erscheinen.
Gänseblümchen: O wie reizend!
 
Klatschrose: Ja reizend, ganz recht!
Und dann dieser Musenknecht,
Dieser Dichter –
 
Distel: Der Versetrichter –
 
Klatschrose: - mit langen Locken –
 
Distel: - mit dem Loch im Socken.
 
Gänseblümchen: O wie reizend!
 
Klatschrose: Alltäglich kläglich mit Gefühl
In ihrer Nähe
Entlockt er seinem Saitenspiel
Lieblich Getön
Und singt so schön –
 
Distel: - wie n'e Mantelkrähe.
 
Klatschrose: Zum Beispiel, noch gestern –
 
Lilie (sanft): Geliebte Schwestern! –
 
Frau Ehrenpreis: Ihr Muster der Milde!
Ihr Tugendgebilde!
 
Lilie: Wen sollte der festliche Tag nicht rühren!
Ich denke doch –
 
Levkoje, Tulpe, Päonie, Phlox: Jaja, wir alle gratulieren!
 
Frau Ehrenpreis: Ein Schöngeist blüht in unsrer Mitte,
Ein hochgeschickter -
Fräulein Federnelke –
 
Federnelke: O bitte!
 
Distel (für sich): Blaustrumpf, verrückter!
 
Frau Ehrenpreis: - Federnelke, die wundersame,
So lautet ihr holder botanischer Name.
Vielleicht läßt sie sich freundlich erweichen
Und schreibt und dichtet ein Billett,
Duftend, geistvoll und nett.
Das möge dann die dienende Biene,
Unsere süße geflügelte Schleckerkathrine,
Hinschwebend im frühesten Morgenwind,
Dem hohen Geburtstagskind
Ehrfurchtsvoll sumsend überreichen.
 
Gänseblümchen: O wie reizend!
 
Federnelke (schreibt und liest): »Veredelte Rose und Nachbarin!
Nehmet dies Brieflein gnädig hin,
Sintemalen dasselbe geschrieben
Von allerlei Pflanzen, welche Euch lieben.
Verleihe der Himmel Euer Gnaden
Beständig ein sanftes Sonnenlicht
Und frischen Tau und meinetwegen
Auch hie und da ein wenig Regen,
Nur Sturmwind nicht,
Denn dieser tut der Schönheit Schaden.
Ergebenst mit Herz und Honigmund
Das Blumenkränzchen: Tugendbund.«
 
Gänseblümchen: O wie reizend!
 
Federnelke: Ich denke, es macht sich so!
 
Alle: Bravo bravissimo!
 
Mond: Noch 'n Täßchen Tee gefällig?
 
Levkoje: Ich trank schon drei.
 
Phlox: Ich fünf.
 
Tulpe: Ich acht.
 
Päonie: Mein Mieder kracht!
 
Alle: Gute Nacht, gute Nacht!
 
(Die Blumen nicken. Der Mond geht unter. Der Poet,
nachdem er noch einen Blick in die Nacht hinaus gebohrt,
schließt leise das Fenster.)

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Peinlich berührt
 
Im Dorfe wohnt ein Vetter,
Der gut versichert war
Vor Brand und Hagelwetter
Nun schon im zehnten Jahr.
 
Doch nie seit dazumalen
Ist ein Malheur passiert,
Und so für nichts zu zahlen,
Hat peinlich ihn berührt.
 
Jetzt, denkt er, überlasse
Dem Glück ich Feld und Haus.
Ich pfeife auf die Kasse.
Und schleunig trat er aus.
 
O weh, nach wenig Tagen
Da hieß es: »Zapperment!
Der Weizen ist zerschlagen
Und Haus und Scheune brennt.«
 
Ein Narr hat Glück in Masse,
Wer klug, hat selten Schwein.
Und schleunigst in die Kasse
Trat er halt wieder ein.

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Das traurige Röslein

Ein Röslein war gar nicht munter,
weil es im Topfe stand,
Sah immer traurig hinunter
Auf die Blumen im freien Land.
Die Blumen nicken und winken:
»Wie ist es im Freien so schön,
Zu tanzen und Tau zu trinken
Bei lustigem Windeswehn.
Von bunten Schmetterlingen
Umgaukelt, geschmeichelt, geküßt;
Dazwischen der Vöglein Singen
Anmutig zu hören ist.
Wir preisen dich und loben
Dich, fröhliche Sommerzeit;
Ach, Röslein am Fenster droben,
Du tust uns auch gar zu leid.«
Da ist ins Land gekommen
Der Winter mit seiner Not.
In Schnee und Frost verklommen,
Die Blumen sind alle tot.
Ein Mägdlein hört es stürmen,
Macht fest das Fenster zu.
Jetzt will ich dich pflegen und schirmen,
Du liebes Röslein du.

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Der Türmer

Der Türmer steht auf hohem Söller
Und raucht sein Pfeifchen echten Kneller,
Wobei der alte Invalid
Von oben her die Welt besieht.
Es kommt der Sommer allgemach.
Die Schwalben fliegen um das Dach,
Derweil schon manche stillbeglückt
Im Neste sitzt und fleißig drückt.
Zugleich tritt aus dem Gotteshaus
Ein neuvermähltes Paar heraus,
Das darf sich nun in allen Ehren
Getreulich lieben und vermehren. -
Der Sommer kam, und allenthalben
Schwebt ungezählt das Heer der Schwalben,
Die, wenn sie flink vorüberflitzen,
Des Türmers alten Hut beschmitzen.
Vom Platze unten tönt juchhei,
Die Klosterschüler haben frei,
Sie necken, schrecken, jagen sich,
Sie schlagen und vertragen sich
Und grüßen keck mit Hohngelächter
Des Turmes hochgestellten Wächter. -
Der Sommer ging, die Schwalben setzen
Sich auf das Kirchendach und schwätzen.
Sie warten, bis der Abend da,
Dann flogen sie nach Afrika.
Doch unten, wo die Fackeln scheinen,
Begraben sie mal wieder einen
Und singen ihm nach frommer Weise
Ein Lebewohl zur letzten Reise.
Bedenklich schaut der Türmer drein.
Still geht er in sein Kämmerlein
Zu seinem großen Deckelkrug,
Und als die Glocke zehne schlug,
Nahm er das Horn mit frischem Mut
Und blies ein kräftiges Tuhut.

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Buch des Lebens

Haß, als Minus und vergebens,
Wird vom Leben abgeschrieben.
Positiv im Buch des Lebens
Steht verzeichnet nur das Lieben.
Ob ein Minus oder Plus
Uns verblieben, zeigt der Schluß.

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