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Literatur


04.2

Gedichte

Luise Deusch
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 James Monmonth
 
I.
"So ernst der Mund, dein Auge trüb,
Was drückt dich, Anny, trautes Lieb?
Ist’s weil ich zieh’ mit Monmouths Heer
Bangst du um meine Wiederkehr?
Der Arm, der dich nur sanft umschlingt,
Der Feinde stärksten niederzwingt;
Dein Lieben treu, dein Lächeln mild,
Das ist mein Talisman, mein Schild!"
 
"Und wär’ mein Herz auch todeswund,
So würde lächeln dir der Mund, —
Doch was mir trübt der Zukunft Licht,
Das ist ein schweres Traumgesicht:
Dich sah ich stehn auf hohem Thron,
Du setztest selbst dir auf die Kron’,
Und gar ein Königsmantel groß
Purpurn von deinen Schultern floß . . .
Mir aber ward so weh zu Sinn,
Von ferne strebt’ ich nach dir hin,
Kaum aber sah ich mich am Ziel —
Die Krone dir vom Haupte fiel,
Du selber fielst — die Purpurpracht
Sank über mich als düstre Nacht! . . .
Mir ist bei dieses Spätrots Strahl,
Als küßt’ ich dich zum letztenmal,
Als ob, wann du auch wiederkehrst,
Du dann nicht mehr derselbe wärst —
O John, wenn Treue schwört dein Mund,
Was lebt in deiner Seele Grund?"
 
"Wohl streiten wir um einen Thron,
Ums Recht für einen Königssohn;
Gewänn’ ich selbst der Krone Zier,
Ich legt’ sie stolz zu Füßen dir!
Und wenn die Schlacht auch tödlich droht,
John Orkneys Liebe lacht dem Tod —
Anny, leb wohl, dein Kuß, dein Kuß
Macht fest mich wider Stich und Schuß!"
 
II.
Die Trommel schlägt, die Pfeife gellt,
Zu Felde zieht der Königssohn;
Das Banner flattert stolz geschwellt.
Gott, schütz’ den Prinzen, schirme John!
 
Und brandend tost’s auf weitem Plan,
Im Zorne heult der grimme Nord:
Weh dir um deinen eitlen Wahn,
Weh, Bürgerkrieg und Brudermord!
 
James Monmouths Stern gab hellen Glanz
Und seine Fahne hoch sich schwingt:
Glück auf zum goldnen Siegeskranz,
Den festlich uns der Abend bringt!
 
James Monmouth, hefte deinen Stern
Nur fest ans hohe Himmelszelt, —
Was du getan an deinem Herrn,
Vernichtend auf dich niederfällt.
 
Dem Norden zu die Botschaft fliegt
Auf dunklem Fittig sturmesschnell:
Der Herzog Monmouth ward besiegt,
Gefangen bringt man den Rebell!
 
III.
Der Himmel lastet dumpf und schwül
Auf Londoncitys Volksgewühl,
Ein Feiertag ohn’ Feierklang —
Die Sünderglocke wimmert bang;
Ein Murmeln durch die Menge schwillt,
Dem Prinzen und Rebellen gilt.
Wer ist die junge, blasse Dirn,
Das Goldhaar wirrt um ihre Stirn,
So weiß hat sie nur Anny Mill,
Was sucht sie hier auf Tower-Hill?
Und wen erbarmt ihr ängstlich Flehn:
"Habt ihr John Orkney nicht gesehn?"
Da — — jählings ihr der Fuß versagt,
Wo hoch ein schwarz Gerüste ragt — —
Sie sieht, wie einer niederkniet,
Sein blankes Schwert der Henker zieht,
Und drauf ein Haupt zur Erde rollt,
Ein Haupt, das sie wohl kennen sollt’,
Und, wie ein Purpurmantel groß
Ein breiter Strom daniederschoß —
"Ihr Heiligen! O grauser Hohn,
Das sei der Monmouth? John ist’s, John!"
Ihr Wehelaut durchschnitt’ den Stein
Und Ohnmacht hüllte Anny ein;
Der Doppelschlag zermalmt die Maid,
Man trägt nach Haus sie und ihr Leid.
Und für des Toten Ruhe geht
Aus mancher Brust ein still Gebet.
 
IV.
Noch Jahre unterm Eschenbaum
Schön Anny saß in müdem Traum;
Das Gold verlor ihr blondes Haar,
Das oft des Liebsten Wonne war.
Ihr Auge in die Ferne geht,
Die Spindel wie von selbst sich dreht . . .
Kennt Vater und die Schwester nicht,
Kaum, daß sie nur verloren spricht
Und flüstert leis in irrem Ton:
"O John, o John, — die Kron’, die Kron’!"


oben
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Textgrundlage: „James Monmouth“,  Luise Deusch,
aus: Gedichte, Verlag v. J. F. Steinkopf, Stuttgart, gedruckt bei
J. F. Steinkopf, Stuttgart,
Digitized bei google, Original from Princton University

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