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04.2
Gedichte
Luise
Deusch
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Alcibiades
Ich
bin ein ungestümer Lebenszecher
Und
will nur volle, nur bekränzte Becher,
Ich
will von Eros, Charis und dem Ruhme
Den
satten Kranz, die heißgefärbte Blume,
Und
wenn die letzte von der Stirn entfällt,
Tönt
ihr ein Evoë, geliebte Welt.
Auch
du, o Sokrates, warst ihr nicht feind,
Nicht
als du schiedest, du mein Lehrer, Freund!
Du
trugst das Leben wie wir unser Kleid,
Das
man am Abend ablegt sonder Leid,
Noch
größer bist du als Achill in Rüste
Und
heiter zogest du zur Schattenküste.
Daß
ich ein andrer bin, wer kann es schelten,
Kann
einem Irrstern glatt Geleise gelten?
Ein
Mischling bin ich aller Elemente
Und
aus dem Doppelpaar der Temperamente,
Bald
kreist im Wirbel Kräfteüberschwang,
Bald
reißt zum Abgrund finstrer Schwermutsdrang.
Hab
Schönheit viel geküßt und Lorbeers viel
Gebrochen,
oft in frevlem, leichtem Spiel,
Für
den und jenen Herrn hob ich den Schild,
Doch
wer mich treulos hieß, dem dröhnt er wild. —
Nun
ich allein, fühl ich ein seltsam Raunen:
Bist
du nicht müd des Glücks und seiner Launen?
Ja,
müd des Glücks und meines Vaterlandes,
Das
mich verstieß zum Bettler dieses Strandes,
Dort
hieß man lachend mich den Komödianten,
Seht
her, wie herrlich spiel ich den Verbannten!
Ein
Spiel wie Leben, und dem Reiz der Neuheit
Geb
ich mich hin in aller Geistesfreiheit.
Nur
eine Würze noch ersänn ich gern,
Ein
köstliches, bisher den Sinnen fern;
Vielleicht
die Nacht noch Ungenossnes zeigt,
Ein
Traum, der selbst die Göttersehnsucht schweigt,
Wer
will mich halten, hindern, daß ich wandre
Nach
einem Borne, minder schal denn andre?
Kommst
du, mein Knabe, mit dem Abendtranke?
Doch
halt, was trieb dich für ein Scherzgedanke?
Die
Stirn umnickt der Kranz des Schlummermohnes,
Was
bleichte nur die Wangen meines Sohnes?
Und
dieser Schale Totenschädelform —
Für
den Hellenen ist es schlechte Norm!
Der
schwüle Duft verlockt ihn und er trinkt.
Geleert
aus matter Hand die Schale sinkt.
Gelehnt
das Haupt in blassen Jünglings Schoß
Erkennt
er sterbend — Hermes Thanatos.
Und
aus des Hauses Zinnen schlagen Flammen
Empor
und rauschen über ihm zusammen.
oben
__________________________
_________________________________
Textgrundlage:
„Alcibiades“, Luise Deusch, aus: Gedichte,
Verlag v. J. F. Steinkopf,
Stuttgart, gedruckt bei J. F. Steinkopf,
Stuttgart,
Digitized
bei google, Original from
Princton University
Logo
460: „Socrates sucht Alcibiades im Haus der Aspasia,
Jean-Léon
Gérome,
1861, gemeinfrei
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