lifedays-seite

moment in time




 
Literatur


04.2

Gedichte

Luise Deusch
______________


Jung-David
 
Rauschtest du nicht oft in Königshalle,
Psalterlied, du selbst von Königsart?
Hat nicht oft vor Herrscherspeerespralle
Gütig mich Jehovas Hand bewahrt?
Mich zu segnen mit dem heilgen Öl
Sandte er den Fürsten Samuel;
Mich, den Jüngsten in der Brüder Reihe,
Den Geringsten kürte seine Weihe;
Sonne frag’ ich, Quell und Morgenwinde,
Ob ich mich in Traumesbann befinde?
 
König bist du, Saul; um deinen Wagen
Wacht die Schar der Söhne voll gezählt;
Keiner aber soll dein Szepter tragen,
Ahnst du, König, wer dafür gewählt?
Keiner hätte treuer dich geehrt
Als der Knabe, den dein Haß beschwert;
König Saul, es klagt dein Harfenschläger,
König Saul, es warnt dein Waffenträger:
Weil du von dem Bund des Herrn gewichen
Ist sein Angesicht für dich erblichen!
 
Wanke, König, nicht auf deinem Sitze,
Bebend vor der Philistäer Troß,
Zittre du vor des Allmächt’gen Blitze,
Der auf Ungerechte niederschoß! —
Wär ich Cherub, bät ich Zebaoth:
Laß mich Saul befrein aus seiner Not! -
Nicht im Übermute will ich greifen
Nach dem hochgelobten Herrscherreifen,
Aber über uns die Stunden schweben
Emsig, dein und mein Geschick zu weben.
 
Mich erweckte mitternächtig Rufen,
Heldenbild in meine Seele trat:
Jüngling, geh aus deines Vaters Hufen,
Hörtest du den Hohn des Goliath?
Deine Herde laß am Bachesrain,
Andrer Hirte sollst du künftig sein,
Und ein Wunder gelte deine Schleuder;
David, gürte deine Knabenkleider:
D e i n der Mut, als Saul mit allen zagte,
Dein der Segen, den ich ihm versagte.
 
Ward mir Simsons Stärke nicht, vom Wiesel
Die Behendigkeit ersetze Schild und Stahl,
Meine Waffen schliff das Bachgeriesel —
Fliege, Stein, und triff mir dort den Pfahl!
Hei, noch einer! und zum dritten Mal,
Sichrer flog kein Pfeil und Wetterstrahl!
Lache, Riese, nicht des Spiels, ich treffe
Bei Jehovas Schemel! deine Schläfe,
Staubgeboren nur ist deine Stärke,
Staub verschlinge dich und deine Werke!
 
Einen Augenblick noch beugt euch, Knie,
Hebt ihr Arme euch zum Firmament —
Auf! eh diese Sonne nachtwärts ziehe,
Gottes Volk, dein Dankesopfer brennt;
Auf! und zu den Wagen Israels,
Seht ihr dort den Mantel Samuels
Wehen, eine heilige Standarte - -
Wenn vor seinem Zelt der König harrte,
Tret’ ich zu ihm, wann der Streit geendet:
Sieh, ich bin nur, den der Herr gesendet!

oben
__________________________



_________________________________

Textgrundlage: „Jung-David“, Luise Deusch, aus: Gedichte,
Verlag v. J. F. Steinkopf, Stuttgart, gedruckt bei J. F. Steinkopf, Stuttgart,

Digitized bei google, Original from Princton University

Logo 459: “David und Goliath”, Cavalier d’Arpino,
1600er Jahre, gemeinfrei

wikimedia  

   lifedays-seite - moment in time