lifedays-seite

moment in time



 
Literatur


04.2



Gedichte - Luise Deusch
____________________


Gebt mir Sonne
(Bitte des Tauben.)
 
Gebt mir Sonne, gebt mir Farben,
Dran die Welt so überreich;
Wenn die Töne mir erstarben,
Leben, sei nicht trüb und bleich!
 
Wie der Wüstenwandrer schmachtet
Nach dem kühlen Quellenhain,
So mein dürstend Auge trachtet,
Daß es Schönheit söge ein.
 
Unersättlich möcht’ es fassen
Jeden Schimmer, jeden Zug,
Der enteilend will verblassen;
Gebt doch einmal mir genug!
 
Von der Schönheit Götterarmen
Will ich Tröstung mir erflehn,
Will an ihrem Hauch erwarmen
Und genesen auferstehn.

zurück

 
 
 

Abschlüsse
 
Mir will ein Gang das Leben scheinen
Durch wechselnder Gemächer Flucht,
Wo eines reich und jenes schlicht,
Dies düster und das andre licht,
Und oftmals hätt’ ich gern versucht,
Die Gegensätze zu vereinen.
 
Und jedesmal, wenn eins durchschritten,
Schließt hinter mir die Pforte sich;
Ein Blatt entfällt dem Strauß der Brust
Ertragen lernt sie den Verlust,
Begleitend tönt mir’s feierlich:
»Daß jeder Rückweg abgeschnitten!«

zurück



 

Frühling
 
Der junge Frühling geht durchs Holz
Und gibt den hohen Willen kund,
Die alten Eichen, streng und stolz,
Sie neigen sich dem Wundermund,
Und lassen alle gerne gehn
Die Zeichen abgewelkten Ruhms,
Zu schmücken sich mit den Trophä’n
Des neu erstandnen Königtums.
 
Und greif’ ich selbst begeistert zu
Nach Kränzen heilig, goldnem Laub,
Solch überreicher Herr, wie du,
Vergibt wohl einen Tempelraub!
Vor seinem Hochaltare ward
Gewährt mir Absolution,
Der ich ein Beter eigner Art,
Zugleich auch bin sein Echoton.

zurück



oben

weiter






_________________________________

Textgrundlage: „Gebt mir Sonne“, "Abschlüsse",
"Frühling", Luise Deusch, aus: Gedichte, Verlag v.
J. F. Steinkopf, Stuttgart, gedruckt bei J. F. Steinkopf, Stuttgart,

Digitized bei google, Original from Princton University

Logo 454: "Summer" - Margaret MacDonald,   1897 , gemeinfrei
wikimedia  

   lifedays-seite - moment in time