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Literatur


04.2
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Gedichte Georg Heym

Dichtungen und Schriften




Abends

Es ist ganz dunkel. Und die Küsse fallen
Wie heißer Tau im dämmernden Gemach.
Der Wollust Fackeln brennen auf und wallen
Mit roter Glut dem dunklen Abend nach.

Das Fieber jagt ihr Blut mit weißem Brand,
Daß sie sich halb schon seinem Durst gewährt.
Sie bebt auf seinem Schoß, da seine Hand
In ihrem Hemd nach ihren Brüsten fährt.

Hinten, im Vorhang, in der Dunkelheit
Steht auf das Bett, der Hafen ihrer Gier.
Wie Wolken auf dem Meere lagert breit
Darauf der Dunst von schwarzem Elixier.

Wie wird es sein? Sie friert in seinem Arm,
Der ihren nackten Leib hinüberträgt.
Es zittert auf in ihrem Schoße warm,
Um den er wild die beiden Arme schlägt.

Ihr blondes Haar brennt durch die Nacht, darein
Die tiefe Hand des feuchten Dunkels wühlt.
Der Sturm der Wollust läßt sie leise schrein,
Da seinen Biß sie in den Brüsten fühlt.

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Die Sklavin

Hinter Capri steht der Vollmond.
Um die blauen Wasser webt
Er ein breites Silberband.
Rosenduft die Nacht durchschwebt.
 
An dem Maste lehnt die Sklavin.
Um das Haar den Kranz aus Rosen
Leimt sie, strahlend, prachtvoll, schön,
Wie Diana des Lysipp.
 
Ihre feinen, schlanken Finger
Schlagen der Kithara Saiten.
Die Musik ist ihr Gewand,
Das der Mond mit Gold umwindet.

Ich, der eben noch mit buhlnden Blicken
Ihren weißen Leib umkoste,
Beuge mich den Harmonien.
Ihre Seele sang sie frei.

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Dionysos

Am Wege sitzt er. An der Felder Schwelle.
Die Winde, die im weißen Korne spielen,
Sie tragen ihm des Landes Würze zu.
 
Des Ölbaums grüner Schatten folgt der Sonne.
Im Kreise ziehn am Himmel hin die Stunden.
Nun ward es Mittag. Und der Wind schläft ein.
 
Die Panther stehen müde im Geschirr.
Wo ist ihr Goldglanz, der von India kam,
Der Welt Entzücken. – Sie sind alt und matt.
 
Der Gott ist manches Jahr herumgestreift,
Verstoßnen Sklaven gleich, durchs Waldgebirge
Und niemand hat sich seiner mehr erbarmt.
 
Durch Städte kam er, wo er einst geherrscht.
Die Tempel sind zerstört und schon zerfallen.
Kein Opfer netzt den heilgen Boden mehr.
 
Durch Dörfer kam er, wo sein Säulchen sonst
Mit Rosen jeden Morgen ward bekränzt
Und wo der Herden Erstling er empfing.
 
Der Exorzisten Horde in den Kutten
Trieb ihn mit Flüchen aus. Und Scheiterhaufen
Verbrannten seine letzten Söhne lang.

Ein neuer Gott ist in das Land gekommen.
Des Kreuzwegs Heiligkeit ward frech entweiht
Von seinem Bilde, das am Kreuze hängt.
 
Nackt, fahl, und wund, so hängt er in dem Tag
Im goldnen Licht des Mittags, anzuschaun,
Ein Schandfleck der geschändeten Natur.
 
Wo sind die Spiele hin, die Philosophenschulen,
Heros Akademos. Der Männer Schönheit.
Wo ist der Sang der stolzen Olympiaden.
 
Wo sind die Götter hin. Sie sind verwandelt,
Sie sind zerstreut. Sie wohnen in der Erde.
O. Aphrodite, die zur Spinne ward.
 
Er sieht herüber zu dem Götterberge.
Des eisern Haupt ins Blau des Himmels ragt.
Verlassen ist er. Einsam alle Zeit.
 
»Warum, warum.« Und seine Hände suchen
Beim Weinlaub Trost, das ihm zu Häupten hängt,
Und zitternd streicheln sie das reife Korn.
 
Die Tränen rinnen langsam ins Gesicht
Des greisen Gottes, in den Falten hängend.
Und wie ein Kind schläft er vom Weinen ein.

Dryaden zwei, die in den Wald geflohn,
Sie treten aus des Waldes Schatten vor.
Vorsichtig spähn sie über Weg und Feld.
 
Sie sehn den Gott und stürzen ihm zu Fuß:
O Vater, Vater. Ach er schläft. Sie tragen
Behutsam ihn zum Walde Schritt vor Schritt.
 
Die Panther folgen ihres Herren Spur.
Der Zug verzieht im Wald. Ein goldner Schein
Des Wagens schimmert durch die Stämme noch.
 
Doch atemlos und stumm wird die Natur.
»Er ist gestorben« ruft es in den Dörfern.
Ein heißer Ostwind streicht durch Asia.
 
Die Pest tritt in die niedren Türen ein.
Vorm Kruzifix zergeißelt sich das Fleisch,
Blut netzt des neuen Gottes bleichen Fuß.
 
Kehr wieder, Gott. Kehr wieder aus den Reich
Des grünen Waldes. Denn erfüllt ist nun
Des neuen Gottes kummervolles Reich.
 
Der Usurpator muß vom Throne stürzen,
Die Bettlergilde die sich angemaßt,
Der Himmlischen Paläste zu bespein.

Der Himmel ist zum Tollhaus nun geworden.
Krankheit und Wahnsinn herrschen im Olymp.
Drei ward gleich eins. Und Brot ward dort zu Fleisch.
 
Sie passen in die Königskleider nicht,
Die Zwerge, die wie kleine Affen hocken
Im Götterpurpur auf der Blitze Thron.
 
Kehr wieder Gott, dem Pentheus einst erlag.
Du Gott der Feste und der Jugendzeit.
Kehr wieder aus des Waldes grünem Reich.
 
Kehr wieder, Gott. Erlösung, rufen wir.
Erlöse uns vom Kreuz und Marterpfahl.
Tritt aus dem Walde. Finde uns bereit.
 
Wir wo dir wieder Tempel bauen, Herr.
Wir wollen Feuer an die Kirchen legen,
Vergessen sei des Lebens Traurigkeit.
 
Wir flehn zu dir in mancher stillen Nacht.
Wir sehen hoffend zu den Sternen auf.
Tritt aus den Sternen. Hör das Rufen, Herr.

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Was ist das? Dunkel?

„Was ist das? Dunkel? Welche schwere Luft?
Wo bin ich?“ Voller Angst die Finger hasten
Auf feuchten Kissen hin und oben tasten
Des Sarges Deckel sie in niedrer Gruft.
 
„Bin ich begraben? Bin ich nicht erwacht?“
Er stemmt die Schultern an Entsetzens toll.
Umsonst. Der Deckel hebt sich keinen Zoll.
Er fällt zurück und starret in die Nacht
 
Vor Grauen wahnsinnig. Setzt sich hoch und brüllt:
„Hilfe, Ah, Hilfe. Hilfe. Ich erstick.“
Wie Donner es der Erde Gründe füllt.
 
Er hält sich an des Sarges Deckel fest.
Der Atem wälzt sich wie durch Schlamm so dick.
Er fällt. Ein Stein wird ihm ins Maul gepreßt.

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Eifersucht

Die Straße wird zu einem breiten Strich.
Die Häuser werden weiß wie eine Wand.
Die Sonne wird ein Mond. Und unbekannt,
Gleichgültig, fremd, ein jedes Angesicht.
 
Sie sehen aus wie Blätter von Papier,
Weiß, unbeschrieben. Aber hinten winkt.
Ein schlankes blaues Kleid, das fern versinkt
Und wieder auftaucht, und sich fern verliert.
 
Auf seinem Nacken sitzt die Eifersucht.
Ein altes Weib, gestiefelt. Einen Dorn
Bohrt in das Hirn sie ihm, und haut den Sporn
In ihres Reittiers weicher Flanken Bucht.

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Du bist so dunkel
An Emma R. 
 
Du bist so dunkel, als die Nacht,
Wenn sternenlos sie ihren schwarzen Mantel breitet.
Das letzte Licht ertränkt in tiefstem Schacht;
Nein, dunkler noch, im grausten Dunkel gleitet
Dein weißes, bleiches Angesicht
Und mit geheimem Schimmer
Loht die Nacht vor dir
In magisch blaues Licht getaucht.
 
Komm, Königin der schwülen Nacht
Und lege deinen, weißen kühlen Arm
Um meine sonnverbrannten, heißen Schläfen,
Komm, führe mich in deinen marmordunkeln Tempel ein,
Den meine Liebe dir erhellen soll.
Dann soll nicht eine einzge Sonne mehr
Dann soll Sternensonnen ›uns‹ ein ›Heer‹,
Die Hochzeitsfackel durch die Nacht entflammen!

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