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Gedichte
Georg Heym
Dichtungen
und Schriften
Es
ist ganz dunkel. Und die Küsse fallen
Wie
heißer Tau im dämmernden Gemach.
Der
Wollust Fackeln brennen auf und wallen
Mit
roter Glut dem dunklen Abend nach.
Das
Fieber jagt ihr Blut mit weißem Brand,
Daß
sie sich halb schon seinem Durst gewährt.
Sie
bebt auf seinem Schoß, da seine Hand
In
ihrem Hemd nach ihren Brüsten fährt.
Hinten,
im Vorhang, in der Dunkelheit
Steht
auf das Bett, der Hafen ihrer Gier.
Wie
Wolken auf dem Meere lagert breit
Darauf
der Dunst von schwarzem Elixier.
Wie
wird es sein? Sie friert in seinem Arm,
Der
ihren nackten Leib hinüberträgt.
Es
zittert auf in ihrem Schoße warm,
Um
den er wild die beiden Arme schlägt.
Ihr
blondes Haar brennt durch die Nacht, darein
Die
tiefe Hand des feuchten Dunkels wühlt.
Der
Sturm der Wollust läßt sie leise schrein,
Da
seinen Biß sie in den Brüsten fühlt.
zurück
Die
Sklavin
Hinter
Capri steht der Vollmond.
Um
die blauen Wasser webt
Er
ein breites Silberband.
Rosenduft
die Nacht durchschwebt.
An
dem Maste lehnt die Sklavin.
Um
das Haar den Kranz aus Rosen
Leimt
sie, strahlend, prachtvoll, schön,
Wie
Diana des Lysipp.
Ihre
feinen, schlanken Finger
Schlagen
der Kithara Saiten.
Die
Musik ist ihr Gewand,
Das
der Mond mit Gold umwindet.
Ich,
der eben noch mit buhlnden Blicken
Ihren
weißen Leib umkoste,
Beuge
mich den Harmonien.
Ihre
Seele sang sie frei.
zurück
Dionysos
Am
Wege sitzt er. An der Felder Schwelle.
Die
Winde, die im weißen Korne spielen,
Sie
tragen ihm des Landes Würze zu.
Des
Ölbaums grüner Schatten folgt der Sonne.
Im
Kreise ziehn am Himmel hin die Stunden.
Nun
ward es Mittag. Und der Wind schläft ein.
Die
Panther stehen müde im Geschirr.
Wo
ist ihr Goldglanz, der von India kam,
Der
Welt Entzücken. – Sie sind alt und matt.
Der
Gott ist manches Jahr herumgestreift,
Verstoßnen
Sklaven gleich, durchs Waldgebirge
Und
niemand hat sich seiner mehr erbarmt.
Durch
Städte kam er, wo er einst geherrscht.
Die
Tempel sind zerstört und schon zerfallen.
Kein
Opfer netzt den heilgen Boden mehr.
Durch
Dörfer kam er, wo sein Säulchen sonst
Mit
Rosen jeden Morgen ward bekränzt
Und
wo der Herden Erstling er empfing.
Der
Exorzisten Horde in den Kutten
Trieb
ihn mit Flüchen aus. Und Scheiterhaufen
Verbrannten
seine letzten Söhne lang.
Ein
neuer Gott ist in das Land gekommen.
Des
Kreuzwegs Heiligkeit ward frech entweiht
Von
seinem Bilde, das am Kreuze hängt.
Nackt,
fahl, und wund, so hängt er in dem Tag
Im
goldnen Licht des Mittags, anzuschaun,
Ein
Schandfleck der geschändeten Natur.
Wo
sind die Spiele hin, die Philosophenschulen,
Heros
Akademos. Der Männer Schönheit.
Wo
ist der Sang der stolzen Olympiaden.
Wo
sind die Götter hin. Sie sind verwandelt,
Sie
sind zerstreut. Sie wohnen in der Erde.
O.
Aphrodite, die zur Spinne ward.
Er
sieht herüber zu dem Götterberge.
Des
eisern Haupt ins Blau des Himmels ragt.
Verlassen
ist er. Einsam alle Zeit.
»Warum,
warum.« Und seine Hände suchen
Beim
Weinlaub Trost, das ihm zu Häupten hängt,
Und
zitternd streicheln sie das reife Korn.
Die
Tränen rinnen langsam ins Gesicht
Des
greisen Gottes, in den Falten hängend.
Und
wie ein Kind schläft er vom Weinen ein.
Dryaden
zwei, die in den Wald geflohn,
Sie
treten aus des Waldes Schatten vor.
Vorsichtig
spähn sie über Weg und Feld.
Sie
sehn den Gott und stürzen ihm zu Fuß:
O
Vater, Vater. Ach er schläft. Sie tragen
Behutsam
ihn zum Walde Schritt vor Schritt.
Die
Panther folgen ihres Herren Spur.
Der
Zug verzieht im Wald. Ein goldner Schein
Des
Wagens schimmert durch die Stämme noch.
Doch
atemlos und stumm wird die Natur.
»Er
ist gestorben« ruft es in den Dörfern.
Ein
heißer Ostwind streicht durch Asia.
Die
Pest tritt in die niedren Türen ein.
Vorm
Kruzifix zergeißelt sich das Fleisch,
Blut
netzt des neuen Gottes bleichen Fuß.
Kehr
wieder, Gott. Kehr wieder aus den Reich
Des
grünen Waldes. Denn erfüllt ist nun
Des
neuen Gottes kummervolles Reich.
Der
Usurpator muß vom Throne stürzen,
Die
Bettlergilde die sich angemaßt,
Der
Himmlischen Paläste zu bespein.
Der
Himmel ist zum Tollhaus nun geworden.
Krankheit
und Wahnsinn herrschen im Olymp.
Drei
ward gleich eins. Und Brot ward dort zu Fleisch.
Sie
passen in die Königskleider nicht,
Die
Zwerge, die wie kleine Affen hocken
Im
Götterpurpur auf der Blitze Thron.
Kehr
wieder Gott, dem Pentheus einst erlag.
Du
Gott der Feste und der Jugendzeit.
Kehr
wieder aus des Waldes grünem Reich.
Kehr
wieder, Gott. Erlösung, rufen wir.
Erlöse
uns vom Kreuz und Marterpfahl.
Tritt
aus dem Walde. Finde uns bereit.
Wir
wo dir wieder Tempel bauen, Herr.
Wir
wollen Feuer an die Kirchen legen,
Vergessen
sei des Lebens Traurigkeit.
Wir
flehn zu dir in mancher stillen Nacht.
Wir
sehen hoffend zu den Sternen auf.
Tritt
aus den Sternen. Hör das Rufen, Herr.
zurück
Was
ist das? Dunkel?
„Was
ist das? Dunkel?
Welche schwere Luft?
Wo
bin ich?“ Voller Angst
die Finger hasten
Auf
feuchten Kissen hin und
oben tasten
Des
Sarges Deckel sie in
niedrer Gruft.
„Bin
ich begraben? Bin ich
nicht erwacht?“
Er
stemmt die Schultern an
Entsetzens toll.
Umsonst.
Der Deckel hebt
sich keinen Zoll.
Er
fällt zurück und starret
in die Nacht
Vor
Grauen wahnsinnig.
Setzt sich hoch und brüllt:
„Hilfe,
Ah, Hilfe. Hilfe.
Ich erstick.“
Wie
Donner es der Erde
Gründe füllt.
Er
hält sich an des Sarges
Deckel fest.
Der
Atem wälzt sich wie
durch Schlamm so dick.
Er
fällt. Ein Stein wird
ihm ins Maul gepreßt.
zurück
Eifersucht
Die
Straße wird zu einem breiten Strich.
Die
Häuser werden weiß wie eine Wand.
Die
Sonne wird ein Mond. Und unbekannt,
Gleichgültig,
fremd, ein jedes Angesicht.
Sie
sehen aus wie Blätter von Papier,
Weiß,
unbeschrieben. Aber hinten winkt.
Ein
schlankes blaues Kleid, das fern versinkt
Und
wieder auftaucht, und sich fern verliert.
Auf
seinem Nacken sitzt die Eifersucht.
Ein
altes Weib, gestiefelt. Einen Dorn
Bohrt
in das Hirn sie ihm, und haut den Sporn
In
ihres Reittiers weicher Flanken Bucht.
zurück
Du
bist so dunkel
An
Emma R.
Du
bist so dunkel, als die Nacht,
Wenn
sternenlos sie ihren schwarzen Mantel breitet.
Das
letzte Licht ertränkt in tiefstem Schacht;
Nein,
dunkler noch, im grausten Dunkel gleitet
Dein
weißes, bleiches Angesicht
Und
mit geheimem Schimmer
Loht
die Nacht vor dir
In
magisch blaues Licht getaucht.
Komm,
Königin der schwülen Nacht
Und
lege deinen, weißen kühlen Arm
Um
meine sonnverbrannten, heißen Schläfen,
Komm,
führe mich in deinen marmordunkeln Tempel ein,
Den
meine Liebe dir erhellen soll.
Dann
soll nicht eine einzge Sonne mehr
Dann
soll Sternensonnen ›uns‹ ein ›Heer‹,
Die
Hochzeitsfackel durch die Nacht entflammen!
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