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04.2
Gedichte - Georg Heym
Der
ewige Tag
1911
Die
Schläfer
Jakob
van Hoddis gewidmet
Es
schattet dunkler noch des Wassers Schoß,
Tief
unten brennt ein Licht, ein rotes Mal
Am
schwarzen Leib der Nacht, wo bodenlos
Die
Tiefe sinkt. Und auf dem dunklen Tal,
Mit
grünem Fittich auf der dunklen Flut
Flattert
der Schlaf, der Schnabel dunkelrot,
Drin
eine Lilie welkt, der Nacht Salut,
Den
Kopf von einem Greise gelb und tot.
Er
schüttelt seine Federn wie ein Pfau.
Die
Träume wandern wie ein lila Hauch
Um
seine Schwinge, wie ein blasser Tau.
In
ihre Wolke taucht er, in den Rauch.
Die
großen Bäume wandern durch die Nacht
Mit
langem Schatten, der hinüber läuft
Ins
weiße Herz der Schläfer, die bewacht
Der
kalte Mond, der seine Gifte träuft
Wie
ein erfahrner Arzt tief in ihr Blut.
Sie
liegen fremd einander, stumm, im Haß
Der
dunklen Träume, in verborgner Wut.
Und
ihre Stirn wird von den Giften blaß.
Der
Baum von Schatten klammert um ihr Herz
Und
senkt die Wurzeln ein. Er steigt empor
Und
saugt sie aus. Sie stöhnen auf vor Schmerz.
Er
ragt herauf, am Turm der Nacht, am Tor
Der
blinden Stille. In die Zweige fliegt
Der
Schlaf. Und seine kalte Schwinge streift
Die
schwere Nacht, die auf den Schläfern liegt
Und
ihre Stirn mit Qualen weiß bereift.
Er
singt. Ein Ton von krankem Violett
Stößt
an den Raum. Der Tod geht. Manches Haar
Streicht
er zurück. Ein Kreuz, Asche und Fett,
So
malt er seine Frucht im welken Jahr.
zurück
Schwarze
Visionen
An
eine imaginäre Geliebte
I.
Du
ruhst im Dunkel trauriger Askesen
In
deinem weißen Tuch, ein Eremit,
Und
deine Locken, die in Nacht verwesen,
Bedecken
tief dein eingesunknes Lid.
Auf
deinen Lippen gruben sich die Male
Der
toten Küsse schon in Trichtern ein.
Die
ersten Würmer tanzen um das fahle
Vom
Grubenwasser bleiche Schläfenbein.
Wie
Ärzte stechen lang sie die Pinzette
Der
Rüssel, die im Fleische Wurzel schlägt.
Du
jagst sie nicht von deinem Totenbette,
Du
bist verflucht, zu leiden unbewegt.
Des
schwarzen Himmels große Grabesglocke
Dreht
trüb sich rund um deine Winterzeit.
Und
es erstickt der Schneefall, dicke Flocke,
Was
unten in den Gräbern weint und schreit.
II.
Der
großen Städte nächtliche Emporen
Stehn
rings am Rand, wie gelbe Brände weit.
Und
mit der Fackel scheucht aus ihren Toren
Der
Tod die Toten in die Dunkelheit.
Sie
fahren aus wie großer Rauch und schwirren
Mit
leisen Klagen durch das Distelfeld.
Am
Kreuzweg hocken sie zuhauf und irren
Den
Heimatlosen gleich in schwarzer Welt.
Sie
schaun zurück von einem kahlen Baume,
Auf
den der Wind sie warf. Doch ihre Stadt
Ist
zu für sie. Und in dem leeren Raume
Treibt
Sturm sie um den Baum, wie Vögel matt.
Wo
ist die Totenstadt? Sie wollen schlafen.
Da
tut sich auf im ernsten Abendrot
Die
Unterwelt, der stillen Städte Hafen,
Wo
schwarze Segel ziehen, Boot an Boot.
Und
schwarze Fahnen wehn die langen Gassen
Der
ausgestorbnen Städte, die verstummt
Im
Fluch von weißen Himmeln und verlassen,
Wo
ewig eine stumpfe Glocke brummt.
Die
schwarzen Brücken werfen ungeheuer
Die
Abendschatten auf den dunklen Strom.
Und
riesiger Lagunen rotes Feuer
Verbrennt
die Luft mit purpurnem Arom.
Kanäle
alle, die die Stadt durchschwimmen,
Sind
von den Lilienwäldern sanft umsäumt.
Am
Bug der Kähne, wo die Lampen glimmen,
Stehn
groß die Schiffer, und der Abend träumt
Wie
zarte goldene Kronen um die Stirnen.
Der
tiefen Augen dunkler Edelstein
Umschließt
des hohen Himmels blasse Firnen,
Wo
weidet schon der Mond im grünen Schein.
Die
Toten schaun aus ihrem Winterbaume
Den
Schläfern zu in ihrem sanften Reich.
Und
das Verlangen faßt sie nach dem Saume
Des
roten Himmels und dem Abend weich.
Da
stürzt sie Hermes, der die Nacht erschüttert
Mit
starkem Flug, ein bläulicher Komet,
Den
Grund herab, der meilentief erzittert,
Da
singend ihn der Toten Zug durchweht.
Sie
nahn den Städten, da sie wohnen sollen,
Draus
goldne Winde gehn im Abendflug.
Der
Tore Amethyst im tiefen Stollen
Küßt
ihrer Reiherschwingen langer Zug.
Die
Silberstädte, die im Monde glühen,
Umarmen
sie mit ihres Sommers Pracht,
Wo
schon im Ost wie große Rosen blühen
Die
Morgenröten in die Mitternacht.
III.
Sie
grüßen dich in deinem schwarzen Sarge
Und
flattern über dich wie Frühlingswind.
Wie
Nachtigallen rühren sie das karge,
Wachsbleiche
Haupt mit ihren Klagen lind.
Mit
Sammethänden wollen sie dich grüßen
Von
meiner Qual. Und wie ein Weinblatt rot,
So
taumeln ihre Küsse dir zu Füßen,
Und
ziehn wie Tauben sanft um deinen Tod.
Sie
schwingen über dir die Fackelbrände,
Die
furchtbar wecken auf die schwarze Nacht.
Sie
geben dir in deine weißen Hände
Tränen
von Stein, die ich dir dargebracht.
Sie
laden Düfte aus den Duft-Amphoren
Und
überschütten dich mit Ambra ganz.
Dein
schwarzes Haar steht auf, an Himmels Toren,
Wie
eines Sterngewölkes dünner Glanz.
Sie
werden große Pyramiden bauen,
Darauf
sie türmen deinen schwarzen Schrein.
Dann
wirst du in die wilde Sonne schauen,
Die
in dein Blut stürzt wie ein dunkler Wein.
IV.
Die
Sonne, die mit Blumen sich beleuchtet,
Stößt
wie ein Aar zu deinen Häupten weit,
Und
ihrer Purpurlippen Traum befeuchtet
Mit
Tränentau dein weißes Totenkleid.
Dann
nimmst dein Herz du aus den weißen Brüsten
Und
zeigst es rings dem stillen Heiligtum.
Und
deine stolze Flamme rührt die Küsten
Des
Himmels an, die werfen deinen Ruhm
Ins
Meer der Toten aus wie starke Wellen.
Die
großen Schiffe schwimmen um dich her,
Um
deinen Turm, und ihre Lieder schwellen
Wie
Abendwolken sanft vom großen Meer.
Und
was ich dir in meinen Träumen sage,
Das
schrein die Priester aus mit Tuba-Ton.
Der
Meere dunkle Buchten füllt die Klage
Um
dich wie Schilfrohr sanft und schwarzer Mohn.
V.
Getrübt
bescheint der Mond die stumme Fläche,
Wie
ein Korund, der tief im Grunde glüht.
In
deiner Locken dunkle Flammenbäche
Verliebt,
verweilt er auf den Städten müd.
Dann
kommen alle Toten aus den Grüften
Und
ziehn um dich in langer Prozession.
Von
rosa Glase flattern in den Lüften
Die
Schatten, die von innern Flammen lohn.
VI.
Du
zogst voraus nach dem geheimen Reiche.
Ich
folge dir dereinst, du Trauerbild,
Und
halte ewig deine Hand, die bleiche,
Die
meiner Küsse blasse Lilie füllt.
Dann
überschwemmen lange Ewigkeiten
Der
Himmel Mauern und das tote Land,
Die,
große Schatten, in den Westen schreiten,
Wo
ehern ruht der Horizonte Wand.
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