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04.2
Gedichte - Georg Heym
Umbra Vitae
Nachgelassene
Gedichte
1922
Doch
nachts im Schatten
ihrer hohen Träume,
Wie
unter großer Eichen
kühlem Dach,
Klingt
um sie laut das
Dunkel hundertfach,
Und
Sterne fahren singend
durch die Räume,
Vom
Hauche Gottes durch das
All getrieben,
Mit
goldnen Federn in die
Nacht gespreizt,
Kometen,
die mit trübem
Schrei zerstieben,
Der
traurig ihre schlaffen
Ohren beizt.
Sie
horchen auf des Waldes
Ruhe unten,
Wie
in den Wurzeln blau der
Schlummer schwillt,
Und
auf der Erde schweres
Atmen drunten,
Das
langsam ihre großen
Höhlen füllt.
Und
wieder klingt's in
ihren Frieden leise,
Wenn
das verborgne Silber
wachsend schwärt
Und
das Geräusch der Sonne
auf der Reise,
Die
unten über weite Meere
fährt.
Auf
einmal hören sie die
Stürme wehen,
Und
laute Glocke läuten
durch die Nacht.
Sie
möchten gern dem Schall
entgegengehen,
Erhört,
entfesselt, in das
Licht gebracht.
Doch
plötzlich bricht es
ab. Und nur ein Zittern
Ist
rund im Raum, das sie
im Ohre nagt,
Wie
wenn in Sarges Enge im
Verwittern
Ein
Toter weint und seine
Trauer klagt.
Ein
Lächeln kraut sie dann,
daß sie noch leben,
Der
Sabber hängt sich um
ihr feistes Kinn,
Und
jemand kommt mit
Fingern leis, die schweben
Voll
Liebe auf den
Rettichkopf hin.
zurück
Das
infernalische Abendmahl
Ihr,
denen ward das Blut
vor Trauer bleich,
Ihr,
die der Sturm der
Qualen stets durchrast,
Ihr,
deren Stirn der Lasten
weites Reich,
Ihr,
deren Auge Kummer
schon verglast,
Ihr,
denen auf der jungen
Schläfe brennt
Wie
Aussatz schon das große
Totenmal
Tretet
heran, empfangt das
Sakrament
Verfluchter
Hostien in dem
Haus der Qual.
Besteigt
die Brücke auf dem
schwarzen Fluß,
Darüber
wallet der
Verfluchten Schar.
Und
dunkel grüßt euch groß
der Portikus,
Durch
den in Dämmrung
glänzt der Hochaltar.
Nachtschwarze
Wolken
drängen in den Dom
Voll
Sturm und Blitzen
durch das große Tor.
Ein
Wetter tost. Im
schwarzen Regenstrom
Versinkt
der Orgel Ton im
fernen Chor.
Die
Gräber springen auf.
Der Toten Hand
Streckt
weiß und kalt die
Knochenfinger aus.
Sie
winken euch aus ihrem
dunklen Land.
Und
ihr Geschrei erfüllt
das Riesenhaus.
Die
Fliesen brechen auf.
Und Lethe braust
Tief
unten über einen
Wasserfall.
Der
Abgrund schwindelt
Meilen tief und saust
Voll
ungeheurer Stürme
weitem Hall.
Hoch,
wo das Dunkel seine
Schatten türmt
Durch
Ewigkeiten fern vom
Grund der Qual,
Hoch
oben, wo im Dom der
Regen stürmt,
Erscheint
des Gottes Haupt,
wie Morgen fahl.
Die
weiten Kirchen füllt
der Sphären Traum
Voll
Schweigen, das wie
leise Harfen klingt,
Da,
wie der Mond vom großen
Himmelsraum
Des
Gottes weißes Haupt
heruntersinkt.
Tretet
heran. Sein Mund ist
süß wie Frucht,
Sein
Blut ist wie der Wein,
langsam und schwer.
Auf
seiner Lippen
dunkelroter Bucht
Wiegt
blaue Glut von fernem
Sommermeer.
Tretet
heran. Wie Flaum von
Faltern zart,
Wie
eines jungen Sternes
goldne Nacht,
Zittert
sein Mund in seinem
goldnen Bart,
Wie
Chrysolyth in einem
tiefen Schacht.
Tretet
heran. Wie einer
Schlange Haut
So
kühl ist er, weich wie
ein Purpurkleid,
Wie
Abendrot, so sanft, das
übergraut
Brennender
Liebe wildes
Herzeleid.
Der
Gram gefallner Engel
ruht, ein Traum,
Auf
seiner Stirn, der
Qualen weißem Thron,
Wie
Schläfer traurig, denen
floh zum Saum
Des
blassen Morgens ihre
Vision.
Tiefer
als tausend leere
Himmel tief
Ist
seine Schwermut, wie
die Hölle schön,
Wo
in
den roten Abgrund
sich verlief
Ein
bleicher Sonnenstrahl
aus Mittagshöhn.
Sein
Leid ist wie ein
Leuchter in der Nacht,
Scheuet
die Flamme, die
sein Haupt umloht,
Und
doppelhörnig in der
düstren Pracht
Aus
seinem Lockenwald ins
Dunkel droht.
Sein
Leid ist wie ein
Teppich, drauf die Schrift
Der
Kabbalisten brennt
durch Dunkelheit,
Ein
Eiland, dem vorbei ein
Segler schifft,
Wenn
in den Bergen fern das
Einhorn schreit.
Sein
Leid trägt eines
Schattenwaldes Duft,
Wo
großer Sümpfe
Trauervögel ziehn,
Ein
König, der durch seiner
Ahnen Gruft
Nachdenklich
geht in weißem
Hermelin.
Tretet
heran, entflammt von
seinem Gram.
Trinkt
seinen Atem, der so
kühl wie Eis,
Der
über tausend Paradiese
kam,
Voll
Duft, der jeden Kummer
weiß.
Er
lächelt, seht. Und eurer
Seele Bild
Wird
wie ein Weiher, der im
Schilfe schweigt,
Wo
leis des Hirtengottes
Flöte schwillt,
Der
durch die
Lorbeerschlucht heruntersteigt.
Schlaft
ein. Die Nacht, die
schwarz im Dome hängt,
Verlöscht
die Lampen an dem
Hochaltar.
Der
große Adler seines
Schweigens senkt
Auf
eure Stirn sein dunkles
Schwingenpaar.
Schlaft,
schlaft. Des
Gottes dunkler Mund, er streift
Euch
herbstlich kühl, wie
kalter Gräber Wind,
Darauf
des falschen Kusses
Blume reift,
Wie
Mehltau giftig, gelb
wie Hyazinth.
zurück
Meine Seele
Gologangi
gewidmet
Meine
Seele ist eine
Schlange,
Die
ist schon lange tot,
Nur
manchmal in
Herbstesmorgen,
Entblättertem
Abendrot
Wachse
ich steil aus dem
Fenster,
Wo
fallende Sterne sind,
Über
den Blumen und Kressen
Meine
Stirne spiegelt
Im
stöhnenden Nächte-Wind.
zurück
Deine
Wimpern, die langen
Deine
Wimpern, die langen,
Deiner
Augen dunkele Wasser,
Laß
mich tauchen darein,
Laß
mich zur Tiefe gehn.
Steigt
der Bergmann zum Schacht
Und
schwankt seine trübe Lampe
Über
der Erze Tor,
Hoch
an der Schattenwand,
Sieh,
ich steige hinab,
In
deinem
Schoß zu vergessen,
Fern
was von oben dröhnt,
Helle
und Qual und Tag.
An
den
Feldern verwächst.
Wo
der
Wind steht, trunken vom Korn,
Hoher
Dorn, hoch und krank
Gegen
das Himmelsblau.
Gib
mir die Hand,
Wir
wollen einander verwachsen,
Einem
Wind Beute,
Einsamer
Vögel Flug.
Hören
im Sommer
Die
Orgel der matten Gewitter,
Baden
in Herbsteslicht
Am
Ufer
des blauen Tags.
Manchmal
wollen wir stehn
Am
Rand des dunkelen Brunnens,
Tief
in die Stille zu sehn,
Unsere
Liebe zu suchen.
Oder
wir treten hinaus
Vom
Schatten der goldenen Wälder,
Groß
in ein Abendrot,
Das
dir berührt sanft die Stirn.
Göttliche
Trauer,
Schwinge
der ewigen Liebe,
Hebe
den Krug herauf.
Trinke
den Schlaf.
Einmal
am Ende zu stehen.
Wo
Meer in gelblichen Flecken
Leise
schwimmt schon herein
Zu
der September Bucht.
Oben
zu ruhn
Im
Hause der dürftigen Blumen,
Über
die Felsen hinab
Singt
und zittert der Wind.
Doch
von der Pappel,
Die
ragt im Ewigen Blauen,
Fällt
schon ein braunes Blatt,
Ruht
auf dem Nacken dir aus.
zurück
Die
Nebelstädte
Der
Nebelstädte
winzige
Wintersonne
Leuchtet
mir mitten ins
gläserne Herz.
Das
ist voll vertrockneter
Blumen
Gleich
einem gestorbenen
Garten.
Wohl
war im Frührot noch
Blutiger
Wolken Krampf,
Und
der sterbenden Städte
Schultern
zuckten im Kampf.
Wir
aber gingen von dannen
Und
rissen uns auf mit ein
Mal,
Dumpf
scholl aus dem wilden
Gestreite
Finsternis,
- Unrat –
siebenfarbiger Qual.
Doch
niemand rühret das
starre
Gestern
noch mit der Hand,
Da
der rostige Mond
Kollerte
unter den Rand
Zu
wolkiger Wolken
Geknarre.
zurück
Die
Vögel
Wie
trübe Morgen langsamer
Tage
Über
den Seen und Sümpfen
voll Klage,
Über
dem schillernden
Schilf ruht die Nacht.
Regen
beginnt; in den
Bäumen erwacht
Ein
Geschrei. Und huschen
die Hunde
Rund
um die Mauern mit
heiserem Munde.
Aber
die Türme steigen von
Bergen, bleichen,
Und
hocken stumm um die
verschrumpfte Teiche.
Eine
Fackel brennt auf. Und die Vögel der Öden
Steigen
herauf in die Wolkenböden,
Hoch
von den kahlen Sitzen
und Horsten,
Morsche
Flügel und trostlos
zerborsten.
Langsam
mit ihren
gewaltigen Händen
Fassend
die Nacht an den
dunkelnden Enden,
Drehend
wie Schatten und
böse Gedanken,
Die
in brechenden Wolken
schwanken.
Plötzlich
stürmet vorbei an
dem Mond ein Geschwirre,
Und
er schreit wie ein Kind
vor der Federn Geklirre,
Schlagend
den Flügel,
nisten sie über ihm
Und
krähen ein Lied . . .
zurück
Die
Tänzerin in der Gemme
Robert
Jentzsch gewidmet
Lange
verschlossen, tief im
runden Steine
Mit
einem Trauerbaum und dünnen
Zweigen,
Noch
hebt sie um den Hals
den sanften Schleier
Und
geht im Tanz dahin in
stiller Feier.
Immer
noch fort, wo schon
die Götter gestorben
Über
den Inseln, und
draußen gezogen
Ist
das Meer unter
schläfrigen Wolken,
Unter
dem Ufern murrte die
Woge.
Orpheus
ging einst. Und sie
sann seiner Schritte
Durch
die Schluchten
herunter zur stillen Ebene,
Da
sie lag im Schilf mit
den wolligen Herden.
Aber
ferne ging die Flöte
des Gottes
Über
der grünen Ruhe der
toten Fluren,
Die
so einsam sang ihre
Traurigkeit,
Grauer
Gewölbe über den
Weiden weit,
Wo
die Tiere lagen mit
tiefem Horne.
zurück
Hora
mortis
Gebannt
in die Trauer der
endlosen Horizonte,
Wo
nur ein Baum sich wand
unter Schmerz,
Sanken
wir, Bergleuten
gleich, in das Schweigen der Grube
Unserer
Qual. Und von Leere
schwoll uns das Herz.
Trüb
wie die Winde, im
Schierling, bei Büschen und Weiden
Haben
wir unsere Hände im
Dunkel gesenkt,
Und
dann gingen wir lässig
und freuten uns unserer Leiden,
Arme
Spiegel, darin sich
ein düsterer Abend fängt.
Nachtwandlern
gleich,
gejagt vom Entsetzen der Träume,
Die
seufzend sich stoßen mit
blinder Hand,
Also
schwankten wir in des
Herbstes verschwindende Räume,
Der
wie ein Riese sich hob
in die Nacht und versank.
Aber
im Wolkenland, im
Finstern, sahn wir die Schatten
Schwarzer
Störche und hörten
den traurigen Flug,
Und
wir schwanden dahin in
Schwermut und bittrem Ermatten,
Blutleere
Seele, die Lethe
durch Höhlen voll Kummer trug.
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