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Literatur


04.2

Gedichte - Mia Holm



Wiedersehn

Wie war, da wir zuerst uns trafen,
Der Himmel sonnenhell und blau,
Wie duftete die Lebensblume,
Und wir in ihr zwei Tropfen Tau.

Nun sehn wir uns nach Jahren wieder,
Der Himmel trübe, wolkenschwer,
Nun schäumen wir, zwei Sturmeswellen,
Im aufgewühlten Lebensmeer.


Nicht Liebe ist’s

Nicht Liebe ist’s, doch was es ist,
Ich weiß es nicht zu sagen,
Es hält mich sicher, hebt mich hoch,
Es ist so leicht zu tragen.

Ich bin mich selbst so lieblich los,
Ich bin wie neugeboren,
Ich hab mich, wie der Fluss ins Meer,
In dein Gemüt verloren.


Gespensterreigen

Verwelkt der Kranz, verblichen,
Der sie als Braut geschmückt,
Der Schleier ist zerrissen,
Das Hochzeitskleid zerdrückt.

Verschlossen ruht nun alles
In ihrem Schlafgemach,
Und wenn sie nächtlich seufzet,
Vor Leid und Reue wach,

Dann öffnet sich die Truhe,
Es schwebt hervor der Kranz,
Es schweben Kleid und Schleier
Und führen einen Tanz.

Sie drehen sich und kreisen,
Sie spotten ihrer Not,
Da ringt sie wohl die Hände,
Da wünscht sie sich den Tod.

Dann lachen die Gespenster,
Sie haben’s oft gesehn,
Der Tod tritt nur zum Glücke,
Das Elend lässt er stehn.


Hinweg

Wie lange Kerkerhaft ist Gram,
Durch Jahre still getragen,
Das Lachen hat man schnell verlernt
Und langsam auch das Klagen.

Ich musste kurzen heil’gen Wahn
Durch lange Leiden büßen,
Nun kommt das reine schöne Glück,
Ich weiß es nicht zu grüßen.

Ich heb die Hände flehend auf:
Hinweg! Du tust mir wehe,
Wie Blitzesstrahl durchzittert mich,
Wie Sterben deine Nähe.







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Textgrundlage: "Holm Verse" - Verse von Maria Holm,
Verlag von Albert Langen, Paris, Leipzig, München
 1900, Druck von Hesse und Becker in Leipzig –
Library of Princeton University –
digitized by google  

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