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Literatur


04.2


Gedichte - Mia Holm



Stille

Tief im Herzen schläft mein Wille,
Schläft mein Gram – nur Freude wacht,
Und in diese Strahlenstille
Fällt kein Schrei der Lebenschlacht.

Zürnt ihr, dass vom Weh der Erden
Meine Seele nichts mehr fühlt?
Nur die flachen Wasser werden
Bis zum Grund vom Sturm zerwühlt.


Neues Licht

Todesschatten sank hernieder
Auf dein Herz,
Und verschattet deine Tage
Ganz von Schmerz.

Leise bricht in deine Kammer
Neues Licht,
Lass den Glanz in deine Seele,
Wehr ihm nicht.

Gottes Wille gab dir Jammer,
Schwerstes Leid,
Nimm nun still aus seinen Händen
Gute Zeit.


Krieg

In dunkler Stille liegt das Meer,
Der Mond erhebt sich rot und schwer,
Als hät er Blut getrunken,

Und Blut auch trank der Weltengeist,
Das macht, dass er mein Hirn durchkreist
In tollen, irren Funken.

Zum Sturme plötzlich wird die Luft,
Es klingt , als spränge Gruft um Gruft,
Ein Schwirren und ein Sausen.

Im Auge trübe Hassesglut,
So rast heran die Geisterflut
In wildem Sturmesbrausen.

„Aus unsrem Blute ward gewebt
Der Purpurmantel, dass er schwebt
Um seine Schultern – wehe!

Auf unserer Leichen Berge stellt
Der Herrscher sich, dass alle Welt
Ihn hoch und herrlich sehe!

Von Jubel überströmt der Held.
Auf uns nur karg die Träne fällt,
Die alles ihm geboten.

Er trägt die Krone, prasst in Lust,
Wir tragen Kugeln in der Brust
Und darben bei den Toten.“

Ihr frevelt! Ruf ich, haltet ein!
Sie lachen auf – des Mondes Schein
Von ihrem Schwarm verdunkelt.

Dann wieder Stille ringsumher,
Der Mond hängt blutigrot und schwer,
Der Stern des Krieges funkelt.







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Textgrundlage: Holm Verse - Verse von Mia Holm,
Verlag von Albert Langen, Paris, Leipzig, München 1900,
Druck von Hesse und Becker in Leipzig –
Library of Princeton University – digitized by google

Logo 295: : "Late Autumn at Barbazon", 1879,
Thomas Milliiie Dow, gemeinfrei
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