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Literatur


04.2


Gedichte - Mia Holm




Dich in ihnen

Ich liebe die Wasser mit stürzendem Fall,
Sich bäumende schäumende Flut,
Ich liebe den Sturm und des Donners Hall,
Der Blitze entfesselte Wut.
Ich liebe in ihnen mit jauchzender Lust
Nur deine verzehrende Glut,
Trägst Blitze im Herzen, den Sturm in der Brust
Und wallende Wogen im Blut.


Stehe still, du süße Nacht

Lieblich warst du schon am Morgen
Und zu Mittag, süße Maid,
Doch am holdesten und schönsten
Bist du jetzt, zur Abendzeit.

Einen Kranz von Mondenstrahlen
Trägt dein sonnengoldnes Haar,
Und in weiße Schleier hüllet
Dich der Nebel wunderbar.

Kranz und Schleier, liebes Mädchen,
Das ist bräutlich holde Tracht.
Nebel, Mondschein, zaubert weiter,
Stehe still, du süße Nacht


Maienmorgen

Der Maienmorgen schimmerte,
Sie saßen stumm und blass,
Ihr süßes Auge flimmerte
Und wurde langsam nass.

Wehschatten überdunkelten
Ihr weißes Angesicht
Und große Tränen funkelten
Wie Tau im Sonnenlicht.
Ein Schmetterling umgaukelte
Das traurig stille Paar
Und setzte sich und schaukelte
In ihrem blonden Haar.

Sein Blick, der düster sinnende,
Sog ihren Liebreiz ein,
Die Stunde, die verrinnende,
Gab ihnen Pein um Pein.

So schwiegen sie, zwei Leidende,
In gleicher bittrer Qual,
So saßen sie, zwei Scheidende,
Vereint zum letzten Mal.


Deingedenken

Deine lieben klaren Augen
Grüßen mich aus weiter Ferne,
Schimmern sanft zu mir herüber,
Wie durch Nebel helle Sterne.

Denk ich dein, so kehren wieder
Märchenglanz und Kinderträume,
Durch die Seele geht ein Rauschen,
Wie durch grüne Waldesbäume.







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Textgrundlage: "Holm Verse" - Verse von Mia Holm,
Verlag von Albert Langen, Paris, Leipzig,
München 1900, Druck von Hesse und Becker in Leipzig –
Library of Princeton University –
digitized by google

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