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Literatur


04.2

Gedichte - Mia Holm


Die Lawine

Allgewaltig, allzermalmend
Donnert die Lawine hin,
Eine zarte weiche Flocke
War sie im Beginn.

Und das Weh, das mich zertrümmert,
Das entsetzliche Geschick,
War im Anfang nur ein stiller,
Kaum verstandner Blick.


Zweieinig

Nun Dunkel rings und Schweigen,
Nun Stille allerwärts,
Die Uhr nur ticket leise,
Und ruhig schlägt dein Herz.

Die Flamme unsrer Liebe
Steht still und sternenklar,
Von dir zu mir herüber
Weht Friede wunderbar.


Waldgang

Was der Wald mir heut gerauscht,
Kann ich keinem sagen,
Was ich Seliges erlauscht,
Muss ich schweigend tragen.

Trug ein stilles Herz nach Haus,
Jeder Streit geschlichtet,
Was in mir noch wirr und kraus,
Liegt nun klar, gelichtet.

Meine Klugheit ward zu Spott,
Bebend sank ich nieder,
Waldwärts ging ich ohne Gott,
Mit ihm kehrt ich wieder.


Wie ein Spiegel

Wie ein Spiegel, rein und glänzend,
War mein Herz in seinem Glück,
Warf in hellen Liebesstrahlen
Mir dein schönes Bild zurück.

Du doch schlugst in diesen Spiegel
Zornig, ein betörter Mann.
Und dein Bild ist mit zerbrochen,
Tausend Fratzen sehn mich an.






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Textgrundlage: "Holm Verse" - Verse von Mia Holm,
Verlag von Albert Langen, Paris, Leipzig, München
1900, Druck von Hesse und Becker in Leipzig –
Library of Princeton University –
digitized by google  

Logo 361: "Mädchen im Spiegel", Nicolae Grigorescu,
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