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04.2
Gedichte - Maria Holm
Am
Fenster
Steh
am Fenster, starr der Sonne,
Der
versunknen, brütend nach,
Über
alles ihre Schleier
Breitet
Dämmerung allgemach.
Grau
und gram auch mir zu Sinne,
Meine
Seele ohne Schwung.
Kehr
mich ab, zurück ins Zimmer.
O
da
schwebt Erinnerung.
Steht
so schwarz im trüben Dunkel,
Nickt
mir todestraurig zu,
gleitet
langsam durch die Stube
Und
an ihrer Hand kommst du.
Zornig
blickst du auf mich nieder,
Qualbewegt
vom alten Wahn,
Dass
ich schnöde dich verraten.
Und
ich hab es nicht getan!
Gasel
Auf
deiner Lippe sprosst der erste Flaum,
In
deinem Herzen keimt der erste Traum,
So
stehst du scheu und keusch und heilig da,
Ein
holder Knabe noch, ein Jüngling kaum.
Der
Himmel blaut in deinem tiefen Blick
Und
eine Kirche deines Herzens Raum.
Du
hebst entzückt des Lebens Taumelkelch
Und
schlürfst mit Andacht nur den weißen Schaum,
Du
schaust mir selig nicht ins Angesicht,
Du
küssest leise meines Kleides Saum.
Welkend
Dein
Blick erlöschend, lebensmüde,
Und
dennoch ohne Frieden schweift,
Du
gleichst dem armen Sommerfalter,
Den
frevelnd eine Hand gestreift.
In
blassen Lichtern nur umspielet
Dich
noch der Jugend goldner Glanz,
Schon
sinkt verwelkend manche Blume
Und
manches Blatt aus deinem Kranz.
Nicht
lieben kann ich, ach, was welkend
Und
blassend sich zur Erde legt,
Und
doch, es hat dein ganzes Wesen
Die
tiefste Seele mir erregt.
Liebreizend
warst du einst, holdselig,
Ich
fühl’s berauschend jeden Sinn,
Ich
gäb, mit Jugend dich zu schmücken,
Die
eigne goldne Jugend hin.
September
So
still wie heute sah ich nie
Die
schwanken Baumeswipfel,
Die
Luft so klar, als schwebte sie
Um
hohe Bergesgipfel.
Du
milder Herbst, wie lieb ich dich
In
deiner sanften Trauer!
Wie
wundersam durchzittern mich,
September,
deine Schauer.
Du
machst das Herz vom Leben frei,
Du
linderst alle Leiden,
Du
zeigst, wie schön das Sterben sei,
Und
lehrst uns lächelnd scheiden
oben
__________________________
Textgrundlage: "Holm Verse" - Verse
von Maria Holm,
Verlag von Albert Langen, Paris, Leipzig, München 1900,
Druck von Hesse und Becker in Leipzig –
Library of Princeton University
– digitized by
google
Logo 361: "Weiße Frau" geister-und gespenster.de
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