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04.3
Gedichte in Prosa
Ann
Croissant-Rust
_____________________
Der Wagen
Ich
liege und schlafe nicht.
Ich
warte.
Ganz ruhig. Es ist nichts, was mich
unruhig
macht, ich
weiß nur, daß etwas kommen muß.
Die
Nacht ist mild und weich, aber windlos,
schlaff , ohne
Teilnahme.
Halbdunkel
über das weite Land, der Himmel
bleibt milchig,
weiß, ohne Sternenlicht.
Kein
Ton. Und doch ist’s mir als müßte ich
auf etwas
horchen.
Es
ist da, aber es will sich nicht hören lassen.
Da kommt Unruhe und klebt sich an mich — und
da hab ich’s
im Ohr.
Ein
Geräusch.
Ein Wagen.
Wartete
ich darauf?
Mein
Wagen.
Ganz
von fern, ganz von fern.
Mein
Wagen?
Kommt er zu mir, holt er mich?
Ich schüttle den Kopf, ich will schlafen.
Aber
er kommt näher.
Immer näher, mir zu.
Ist
die Luft so hell, die Nach so still?
Höre ich ihn so lange schon?
Er
rollt fort und fort.
Oder
— jetzt! — entfernt er sich?
Ich reiße mich auf, — lausche — —
Er
entfernt sich.
Ich lege den Kopf zurück und fühle, wie mein
Herz pocht mit
spitzen, bohrenden, wehen Schlägen,
voll Zittern
und Sehnen. — —
Da
ist er wieder!
Weit
weg noch.
Rollt
fort und fort.
Und
mit Gier sitze ich geduckt, warte, warte — —
Kleinen
Atem, kein Herzschlag — nur ihn — —
Kommt
er?
Plötzlich
ganz nah.
Ich höre das Rütteln, die rollenden Steine,
das
knirschende
Rad.
Er
kommt, er kommt zu mir, er holt mich!
Eine
unsinnige Freude tanzt über mir, mit ge-
blähten
Nüstern sauge ich sie ein, Flammen zucken an
meinem
Dämmerhimmel auf —
Er
kommt! Er nimmt mich mit!
Was
ist’s? —
Bleibt
er stehen?
Nichts
mehr?
Kein
Geräusch, kein Rollen?
Nichts.
Die
Flammen sind erloschen, der dumpfmilchige
Himmel
erbleicht und wird scheinlos, nur schwefel-
gelbe, schmale
Schlangen krümmen sich an seinem
äußersten
Rande, krümmen sich vor meinen Augen,
krümmen sich
in meine Augen — —
Ich
muß sie schließen und die Angst setzt sich
auf mich,
bläst mir die Kehle trocken, faßt mich — —
Diese
bleischwere Stille.
Er
soll kommen. Er ist unten. Für mich. Ich
weiß es. Ich
will, daß er kommt. Er muß. Ich
will, ich
will!
Bedroht
mich etwas? Hält’s ihn zurück?
Wartet
es? Boshaft lauernd, stumm.
Ich
fühle es kommen, es wirft sich über mich.
Ich
liege still und mein Körper wird schwer,
wird schwerer,
sinkt — hoffnungslos.
Aber ein Schmeicheln, mit tastendem linden
Finger
streicht
wieder das ferne Geräusch des Wagens über
mich. Er rollt
fort und fort, rollt näher, mir zu.
Wiegt
mich, sänftigt mich, bethört mich.
Ein
Bild sehe ich.
Eine
Flußniederung. Nach dem Winter.
Langgedehnte
Strecken voll Sandes, den das
Wasser
zurückgelassen.
Niedere
Gestrüppe zu Seiten, Weiden von einem
zähen,
klebrigen und doch spröden Gelbrot.
Der
Sand dürr, tief, dabei haftet ihm etwas
Schlammiges
an. Dazwischen dicke Wellen, lehm-
farbig.
Und
sie wälzen sich träge — —
Nur
ein breiter, schreiend weißer Streifen Kalk-
steine, spitz,
dicht an dem gelbroten Gestrüpp hin.
Darüber
rollt der Wagen. Immer auf mich zu.
Rollt fort und
fort.
Immer an dem trägen Fluß hin, gerade aus,
mir zu —
Gerade
aus —
Mir
zu —
Rollt
fort und fort.
Und
ich warte.
Ich
will ihm entgegen.
Aber
ich liege machtlos.
Sehe
nur immer die langen
endlosen
Linien vor mir —
dieselben
Farben,
dasselbe
schleichende Wasser. —
Ich will die starren Linien biegen,
die
Farben verwischen —
Ich
will blutige Flammen in dies zähe Gelbrot
werfen, das
trübe Wasser mit Schwarz tränken.
Auflohen
soll die flammende Glut der Sonne,
am weißgrauen
Himmel,
Farben sollen jauchzen über dies öde
Sandfeld
hin —
Den Wagen, den Wagen, daß ich es erreiche!
Ich warte!
Und der Wagen rollt fort und fort.
Rollt näher — —
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