|
|
|
|
|
lifedays-seite
moment
in time
|
|
Meine
Lizenz
|
04.2
Gedichte - Oskar Loerke
Atem
der Erde
Berlin 1930
__________
DAS
HAUS
Einladung
Rings
Bücherwände, unstet kühl
Belichtet,
Entrückt dem
Jetzt: viel Geist, viel
Qual –
Als nickten
Schädelreihen,
hochgerichtet,
Aus
Katakombennacht: dies war
einmal.
Und Stimmen
hallen, lauter bald,
bald minder,
Geweht wie
über einen schlimmen See;
Draus trinkt
das Nebelvieh statt
warmer Rinder,
Dort wachsen
Asphodelen für den Klee.
Den Gruß der
Welt hab ich in klaren
frommen
Gedichten mir
zum Gegengruß gespart.
Ein Mitmensch
hat ihn selten
angenommen
Im Blühen
meiner Gegenwart.
So muß ich
dich zu meinem Feste laden,
Der du dies
Licht der grünen Erde
erbst;
Du schnürst
vielleicht in kleiner Faust
den Faden
Des ersten
bunten Drachens durch den
Herbst.
Ich bin mit
einem Stücke Brot allein
Und einem
Messer, das es schneidet.
Mein Körper
mag im Paradiese sein,
Was in ihm
leuchtet, leidet.
Doch ist ein
Trost: gewiß zu hoffen,
In diese
Stunde kommen einst
Gesellen.
Was jetzt mein
Mund sagt, hört ihr Ohr
dann offen,
Was mir jetzt
hell ist, wird sie dann
erhellen.
Bewirten wird
mein Herzschlag sie,
bedienen,
Denn diesen
Schlag kann nicht der
Staub bestatten.
Mein Herz ist
freilich nicht mehr unter
ihnen,
Selbst nicht,
der allhin mit mir geht,
mein Schatten.
Komm du und
du, ihr seid geladen.
Mein Dankfest
glüht nochmals in
eurem dann,
Und andrer
Amseln, anderer Zikaden
Gesang hört
ihr mit meiner Seele an.
zurück
Nachts
Es
schlurrt
ein Huf,
Es surrt ein Bolz,
Ein Lachen girrt,
Der Meeresregen singt
In Segeln und Tauen.
Doch nichts kommt an:
Nicht der Kentaur,
Des Pfeiles Holz,
Und nicht die Frauen,
Und nicht das Schiff –
Boten zu mir, Boten verirrt.
zurück
Östliche Plastik
„Wie
beugt
sich dein Schatten, du
Stolze!“
Der Schatten
ist nicht mehr
Aus meinem
Gold und Holze,
Der Speer ist
nicht der Speer.
Die
schmerzlichen Weltenlichter
betraten,
Immer läufige
Sklaven, dein Haus,
Sie sind vor
meine Füße geraten
Und breiten
mir den Schatten aus.
Zu kühlen
taugte nicht seine Kühle,
Trüg ich rote
Wunden.
Und wollt er
mir brücken ein
Wassergewühle
Die Knöchel
wären mir kreuzweise
gebunden.
Und selbst mein
Schatten:
Mag er im
Glanz der Toren und Weisen
Sich drehn,
ich weiß, er nimmt nicht teil.
Mag er, ein
Stück im Ganzen, kreisen,
Ich bin gewiß:
das Stück ist heil.
zurück
Frühlingslicht im Zimmer
Schwebt
jemand
ein? Die Fensterflügel klappen.
Auf Bild und Rahmen wischt ein Silberlappen.
Er zittert.
Eine Greisin führt den
Hader,
Wischt Hügelgrün und weißer Kirche
Quader.
Nach langem
hält sie still, und zum Besinnen
Kehrt sich ihr Blick vielleicht und sinkt
nach
innen.
Im Glassarg droben
liegt brokatgekleidet
Ihr heiliges Geripp, klein, ausgeweidet.
Zu große Ringe
an den Fingerknochen.
Das Holz der Leisten ist vom Wurm
zerstochen.
Wo sind die
Wasserbäche hingefahren,
Die doch vor meinen Augen rannen?
Und die vor meinen Ohren waren,
Wo sind die
Winde meiner Klostertannen?
Es bebt und
tappt am Bild, will einwärts
finden.
Den Weg verhüllt ein leuchtendes Erblinden.
zurück
Zeitungslesen
Die
geschichteten Blätter sind ohne
Laut
Plötzlich
zerrissen.
Es ballt sich
im zackigen Loche
Ein
Stechapfel, nebelhaft grau
Und innen
kochend wie wirbelnde
Erde.
Er schwillt,
wird groß, als erblickte das
Auge
Hilflos den
Mondball in finsterer
Nähe.
Ein Leid
bereist ihn und unterscheidet
Ein wegsames
Unten, ein fliehendes Oben,
Es schlägt das
Harte, Schwere nieder
Und läßt das
Andre, das Fremde
weichen.
Ein Leid
bereist ihn, weckt seine
Gestalt –
Das heißt ihr
träumen und vergessen!
Das
Zeitungsblatt liegt unzerrissen
Neben der
Tasse, neben dem Brote,
Und sie sind
größer als die Lettern,
Die sich zur
Botschaft „China“
banden.
Sie öffnen
sich wieder wie schließende
Schlüssel –
Da drinnen hat
der böse Traum
Der heimischen
Götter das Träumen
vergessen.
Die Wüste
wälzt sich her von
Nordwesten,
Verwilderte
Flüsse fressen die Täler
auf,
Die
Wanderschrecke die Ebnen,
Immer wieder,
viele Jahre.
Der Hunger verhandelt kindliche Mädchen
Um einen prallen Darm bis morgen,
Der Hunger
knackt Ratten und
Menschen
den Hals
Und ißt sie,
verborgen in Winkeln,
Immer wieder,
viele Jahre.
Aber ist nicht
enger der Himmel um
dieses
Als der
Kobaltrand meiner Kanne?
Und eine
Brotkrume wirklicher
Als das
Gebirge Nanschan und
Jünnan?
Dennoch steigt
jetzt im Gebirge
Der
sänftentragende Kuli,
Daß der Kegel
seines Atems
Gespenstisch
meine Glieder streift.
Durch Löcher
seiner blauen Jacke
scheint
Die gelbe
Haut,
An seinen
Waden durch Krampfadern
weint
Der Schmerz
ohne Laut
Und wird auch
nicht in fallender
Steine
Schlage
Zu fern
geballter Faust, zu ferner
Klage.
Er dringt
nicht bis zum Schädel,
Dessen
einsames Auge nur fühlt,
Wie eines
Gletschers Wasserwedel
Nutzlos die
kalten tiefen Schluchten kühlt.
Es ist Tag, er
zerrann
Der Mond und
sein Mann.
zurück
oben
weiter
____________________________
|
lifedays-seite
- moment in time |
|
|
|
|
|
|
|