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Literatur


04.2



Gedichte
Oskar Loerke

Atem der Erde
1930

__________


Du


D
as Schiff

   Du solltest gütig sein!
   Du sagst: ich halte dich in Armen —
   Und ich: du solltest mein
   Dich — sinne nach — noch mehr erbarmen.
   Du meinst, hier sei der alte vertraute Raum
Und unsrer süßen Jahre Gerät und Licht.
Mich friert: ein Meer, ein Schiff! Ein Hafen
Wartet, mein Fuß hat ihn schon betreten.
     Du solltest gütig sein.
   Du lächelst: Rosen der Tapetenborte,
   Wie frische Rosen schließen sie uns ein,
   Das Bronzefüllen springt nach unsrem Worte.
 
Es springt nicht, aber starrt es nicht auf die See,
Die lautlos aus dem Nichts wie das Nichts sich wellt?
Den Mondstrand säumend, starren einsam
Schatten der Distel und unverändert.
     Du solltest gütig sein.
   Kann sich dein Auge nicht erbarmen,
   Nicht wie mein Bild mich selbst hinein
   Verschließen, mehr als Arm und Arm umarmen?
 
Sie winden meine Truhen zum Schiffbord hoch,
Am Maste hängt die Leuchte, grinst ins Dunkel,
Läßt ungerührt geliebte Geister,
Deinen, auch deinen, ins Feuer gleiten.
     Ich will nun gütig sein.
   Ja, Rosen der Tapetenborte,
   Wie frische Rosen schließen sie uns ein,
   Das Bronzefüllen springt nach unsrem Worte.
Es fährt das Schiff, wenn keiner Abschied mir winkt,
Nur träger langgeschnäbelter Vögel Schar
In ächzend hingewälzter Wolke
Flattert aus stürzenden Turmverliesen.

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Spiel

Du neigst die sanfte Bildung deines Ohres,
Mein Auge streichelt es, denn ich erkor es.
Den heitren Klang der Welt hält es im Innern
Verwahrt wie im Verschlusse eines Tores.
Du sagst: Ist dir die gleiche Welt nicht offen?
Nicht diese! schlug mein Herz, sein Schlag beschwor es,
Von dir nur kann es diese Welt empfangen;
Es ging einst andren Weg, doch den verlor es
Und liegt vor dir, ein Tagedieb und Bettler.
Einst, wenn die Sommerfeuer brannten, fror es,
Nun ist ihm warm beim Fall des Winterflores.

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Flügel   

Will ich mein Maß, so nennt man mich vermessen.
Aus jedem Teller muß ich Bittres essen,
Und was mir nicht geschah, es ist geschehn.
 
Du lehrtest mich ein stilles Unteressen:
Figuren in der Rankenwand der Kressen
Als Flügel durch das Abendgelb zu sehn.
 
Du lehrtest mich zu fragen auch vergessen:
Wohin die Flüge? Und die Flügel wessen?
Du machtest mich zum Kind, mir beizustehn.
 
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Ergebung 

Zur Stunde, da sich in Luv und Lee
Die tropfenden Feuer aus den Himmeln sammeln
(Die Schlächter warten), naht vom Gardasee
Das breite stille Schiff mit den Hammeln.
 
Du bist betrübt, dir würgt in der Kehle der Laut,
Der mit sich nähme die abgewälzte Erde —
Da schwebt sie schon: im Gegenwind schaudert die Haut
Uns beiden und ihr, der warm uns umdrängenden Herde.

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Trennung

Alle können dein Wort wohl sagen,
Aber sagst es du, so ist es umzaubert.
Nun ist es fern, und seinem Widerhalle
Sprang all mein Heitres nach gleich geschlagenem Balle.
 
Im Wasser der Schüssel verblüht
Ein Frühling von weither.
Reseden, Goldlack, Anemonen,
Mimosen, die im Alpen-Jenseits wohnen.
 
Meine Stirn ist zwischen ihnen, aus Wasser gebildet.
Du sollst sie kränzen mit den Blumen.
Doch ob sich die an ihren Adern drängen,
Sie blieben wie hinter letzten Sternen hängen.
 
Sie nahmen das All und ließen die Leere.
Der Raum ist mir abhanden gekommen,
Sei Haus mit Brief und Schrift, mit Tisch und Stühlen.
Fern drehn die Wirklichkeiten ihre Mühlen.
 
Mein Atem löst ein Blütenblatt los.
Dem kleinen Schiff ist die Welt nicht zu groß.
Sie landet an, mein Finger greift, die Spiegelzauber brechen.
— Eines Tages wirst du wieder sprechen.
 
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Lied

Wie wird mir meine Hand so jung,
Die dir die Stirne streicht!
Es schied aus der Erinnerung
Ein Schwermutslied vielleicht:
 
Zu einem Pferde Fallada
Auf seidne Wiesen gehn,
Zu fragen, was es aß und sah,
Und seine Sprache verstehn —
 
Nein, sprich du selbst, der Klang ist klar,
Und wenn uns Not beschleicht,
So kommt der Kummer in Gefahr
Vor diesem Klang vielleicht.

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