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Literatur


04.2


Gedichte
Oskar Loerke

Der Gast von Altheide
aus: Die Abschiedshand

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Der Traum von den Raubtieren
und von dem Schattenreich


Aus Rudeln kamen Tiger, Riesenaffen
An den Schlaf und bissen eure Ohren.
Die meisten Tiere siebten einen Berg von Waffen;
Der war verrostet und mit Eis befroren.

Sie schelten sich im Kreis reihum,
Sie grübeln und beraten,
Wo ist der Sinn? Wir sind zu dumm!
Ihr aber nennt es eure Taten.

Noch stinkt der alte Stahl, verdreckt,
Nach Blut aus Herz und Weichen.
Hält sich der Geist des Stahls versteckt,
So gebe er ein Zeichen!

Befragt in seiner Kreatur
Den Gott, — in Bär und Ziege!
Von Maus und Laus vernehmt ihr: Nur
Die Schattenwelt führt Kriege.

Denn euch, nur euch schlägt euer Schwert!
Was eure Bärte dazu stammeln,
Ist keine Pütze Speichel wert.
Und Hammel folgen ihren Hammeln.

Auch wir zu zweien haben Streit,
Und einer wird gefressen,
Doch ihr verwüstet weit und breit
Den Raum des Geistes unterdessen.

Wir lassen, wie es schneit und blitzt,
Seit Urzeit unsre Zotten.
Ihr habt den Steinen eingeritzt
Den Ruhm der Kunst, euch auszurotten.

So bohrt ihr in die Panzer Beulen
Und in die Todnacht Stich und Hieb.
Darum kommt uns ein großes Heulen:
Dich, Sonne, haben alle Wesen lieb.

Zwar bargt und bergt ihr unterm Schielen
Zur Hölle eine kleine Schar,
Die für uns Unbehauste gut zum Spielen,
Für euch nicht nutz, nur lästig war.

Die kleine Schar darf auf uns reiten,
Und unsre Pranke trägt sie zart.
Sie führt uns ein in eure alten Zeiten,
In denen ihr ach so vergeblich wart.

Kein Waffensieger hat sich auf die Dauer
Durch seine Blutschuld durchgeschlagen.
Gott gab, daß alle ohne Trauer
Der Ewigkeiten ewig unterlagen.

Wo blieben Akkad und Sumer,
Die Völker stark an vielen Zungen?
Sie sind dahin wie die ersäuften Jungen
Ihrer Katzen ohne Wiederkehr.

Wo blieb Babylon, die große?
Gilgamesch und Engidu?
Mit des Urtags Archenfloße
Fuhren sie der Urnacht zu.

Auf dem Perserstraßennetz begab sich,
Daß ganz Asien sich durchdrang.
War das nicht, als ob um einen Stab sich
Einst Altweibersommer schlang?

Susa, Ninive in Strahlenmähen,
Pasargadä, Ekbatana,
Glichen sie nicht abgewehten Löwenzähnen,
Die ein Säugling hinterm Zaun einst blühen sah?

Und Ägyptens Doppelkrone, Doppelfahne,
Flotten bis zum Weihrauchlande Punt —
Als Matrosen in den Rahen Paviane —
Modern ewig im Papyrusgrund.

Seit man Astyanax, dem Kleinen,
Den Kopf an Trojas Mauerwall zerschlug,
Ihn mit zerschmetterten Gebeinen
Gleich einem Hündchen abseitstrug.

War für niemand noch zu hören,
Wie sein Geist sich niederließ
Und auf seinen Knochenröhren
Dünn ein Lied der Rache blies.

Wo sind Phöniker, wo die hohen Griechen,
Wo ihre flinke Schwärmerei
Zu fernsten Küsten? — Wie das Siechen
Entschlafner Puls ist sie vorbei.

Wo sind Karthagos Elefanten
Und die Stadt des Hannibal?
Wie ein Glühwurmflug verbrannten
Ihre Spuren längst im All.

Und die Schrecklichste von allen,
Rom, von Blute feist und Lügenlärm,
Ist ins Niemalsmehr zurückgefallen,
Kaum ein Wind aus Hundsgedärm.

Wozu fraß der Makedone
Baktrien, den Gelbmeerstrand?
So tief betäubten keinen keine Mohne,
Wie der Skorpion im Zeitenloch verschwand,

Und seine späten Brüder laufen,
Gekettet an den Schandenpfahl,
Seitdem für nichts als seinen Scheiterhaufen
Ein jeder sich den Erdball stahl.

Alle Siege sind zerstoben.
Zählt für einen immer zehn!
Seht, so hat es angehoben,
Und so will es weitergehn.

Doch was unsre Mäuler sangen,
Brüllten, rissen — es war gut.
Seht, es hat nicht angefangen.
Aufbruch, Ziel: die Waage ruht.


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