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04.2
Gedichte
Oskar Loerke
Die heimliche Stadt
Berlin 1921
__________
Traumstadt
Klagt
nicht, wenn das Neue
Wie
Samen
im Strome, wie Wille
Des
hungrigen Jungtiers nicht reift,
Da
doch die Treue
Des
Leides, der Stille
Es
heiter ergreift.
Kein
Bau kann dauern.
Noch
klingen die Kellen,
Noch
pflückt ihr zum Richtkranz das Laub,
Doch
rüsten die Mauern
Sich
schon, zu zerschellen
Und
aus sich selber zu springen als Staub.
Es
funkelt die Hore,
Es
klirrt das Gedengel
Der
Sicheln in Gottes Land,
Es
wirft an die Tore
Babels
der Engel,
Noch
eh es gebaut ist, den Brand.
Doch
vor dem Erliegen
Furchtlos
und gerne
Leben
die Menschen, ihre Traumstadt wird
wahr,
Auf
klopfenden Stiegen
Und
unterm Sterne
Geduldiger
Lampen bleicht ihnen das Haar.
Glüht
irr unser Wille,
Das
Herz, das neue:
Doch
ist ihm, vergeblich zu sein, nicht
bestimmt,
Weil
seine Treue
Aus
Fluch und Stille
Versagte
Ewigkeit in sich nimmt.
zurück
Ein Glas Wasser
So
steht dies Glas kristallnen Wassers unter
dem neigenden Gruße
Dieser
Kerze hell in tausend Kammern
Den
Geisterberg der Vorzeit herab bis hier
zu
seinem Fuße,
Derselbe
Frank, dasselbe Glas, dieselben
Finger, die es umklammern.
Erschüttert
schwebt im Glas aus Nichts ein
Stein,
Beweint
vom Nassen, im Gruße der Kerze,
Voll
mondener Tiere Elfenbein
Aus
nichts, voll Flözen goldner Erze.
Wo
steht dies Glas, das vor mir steht, im Berge
der Zeiten“ –
Hoch
im Nachtsturm seiner donnernden
Gesichte
Erglänzen
Pilger einsam, und sie schreiten
Herab
zu mir und setzen sich zu meinem
Lichte.
Stille.
Manche Seele forscht und gräbt sich
Schattenlos
leuchtend in den Stein.
Das
Ungestaltbare bis heut, es hebt sich
Und
wird bald unter den Dingen sein.
zurück
Der Unsichtbare
Zu
Gast nun unsichtbar manchmal,
Doch
nicht, dich zu bewahren,
Fühlst
dus im lauten heißen Saal
Wie
Sternwind kalt in Haaren.
Einst
ließest du Verrat geschehn:
Dein
Leichnam wollte scheinen,
Vergaß
vom Tische aufzustehn,
Um
bitterlich zu weinen.
Nun
horchst du nur, nun schweigst du nur,
Und
niemand sieht dich bitter.
Spät
schleichst du heimlich in den Flur,
Lehnst
lang vom Treppengitter,
Dann
stürmst du als ein Strom von Wein
Durch
Straßen, irr verflochten.
Die
Lichter, alt und starr wie Stein,
Wehn
windig wie auf Dochten.
Sie
schwimmen schon wie Wimpelflor
Auf
warmer Fluten Bahnen,
Schon
mischen sich dem Feuerchor
Von
Höhen ein die Ahnen.
Schon
brennt die Welt, langsamer Mann,
Im
Aufgehn deiner Wunde.
Dann
kommst du selbst, langsamer Mann,
Heran
aus ihrem Grunde.
zurück
Die Purpurlandschaft
Raum:
Wüste der Dämonen, knickt von oben
Dein
Hausgebälk wie schwachen Schiffes
Spanten.
Die
Gobi schiebt dein Auge zu, ist tief ins
Fleisch geschoben
Ein
Purpur-Urwald wächst in deinem
Unbekannten.
Durchflochten
ist er von Lianen, Quecken,
Durchzuckt
von Wurzeln, die dich fällen
werden.
Es
jagt vor dir wie Schatten-Zebraherden,
Doch
staunst du hin, so schrumpft der Spuk zu
Flecken.
Das
Purpurland formt nur im Unbelauschten
Sein
Bild: - Dein Spähn deckt es mit
Finsternissen.
Dann
kehrt es tiefer wieder, höhlenwild
zerrissen,
Umflort,
als ob es Fluten überrauschten.
Die
Fluten fressen ätzend im Bedrängen,
Sie
schmelzen Tropfsteinschwerter, die sie
hindern,
Zerbrechen
Felsenrüssel, die sie Überhängen,
Ihr
Spiegel wächst, daß sich die Inseln
mindern.
Und
vagabunde Monde gehn darüber
Wie
Schöpfradeimer lange schmerzlich um,
Der
letzte schleppt sein Lazuligeleucht schon
trüber
Und
brennt sich, durch den Seetod geisternd,
endlich stumm.
Tief
nachtet nun die Flut, unfindbar! Aber
deine Füße schleichen,
Du
Blinder, nach ihr gierig, durch die
Uferschluchten.
Es
wandern mit ihr abwärts unsichtbar die
Buchten,
Der
Urwald wandert, dicht bei dir ein
Zebrafohlen –
Laß
ab und lagre dich im Nichts! – Die Flut
leckt dir die Sohlen,
Das
Tier die Hand, ein Blatt die Stirn, - du
wirst sie nie erreichen.
zurück
Der Wein der Nacht
Die
falbe Stadt genießt des Nachtweis Letzte,
Es
fliegt Getürm wie Vogelschlaf so leicht,
Haus
weht zu Hause, säumt den Saum der
Plätze:
Nachtfaltersegel,
die ihr Ziel erreicht.
Das
Glocke,
Huf und Rad wie Regen klingen,
Tupft
sie ein Baum lind auf, ein grüner
Schwamm.
Der
Markt mit seinen lauten Silberlingen
Verrauscht
schon über meiner Bank am
Stamm.
Doch
ich bin Trinker und bin Trunk der
Trauer,
Die
alle Namen spricht! – Wie wohnt die Zeit
So
sicher in viel Namen ohne Dauer,
Als
wärens Berge für die Ewigkeit!
Wie
jäh sich warme Tiere scharen, trunken
Von
Schicksals Ungeduld, zur Todesfahrt,
Entwirbeln
meine Leben zu den Sternenfunken
Und
welken schon, bei ihnen aufgebahrt.
Noch
nährt der Wein der Nach das
Weltgeleuchte,
Bestrahlt
mich dort mit Geist und Rausch der
Wein.
Dann
sickert in die Häuser seine Feuchte,
Dann
schleicht die Trauer über trockne
Schwellen ein.
zurück
Der unbekannte Gott
Mir
ist, als stürze sich mein Schlaf vom Turm
der Mauer
Zum
Hof hinab.
Von
oben rauschen Steine die Stille. O Quell! O
Grab!
O
Nacht der Junitrauer!
Ein
Meeresarm tief über mir geht unermessen,
Kein
Schaumkamm rennt in ihm und keine
Möwe lacht.
O
wär
ich nur von aller Welt vergessen,
So
hätte sie zuvor an mich gedacht!
O
wär
ich doch - ! beginnt ein schlanker Baum,
ein junger,
Im
Hof: er wogt, läßt groß die Blätter sprühn.
Schon
sättigt er nicht mehr der eignen Stille
Hunger,
Besessen
ist er schon, von höherem Geiste
kühn.
Die
Blätter sind wie tanzende Sandalen
An
einem Tausendfüßigen aus Wind.
Der
leichte Tänzer mag für Augen strahlen,
Die
nicht so dunkel wie die meinen sind.
Ein
Gott? Er birgt mir Glanz und Plan der
Glieder,
Ich
weiß nicht, welche Sphäre ihn gebar.
Nur
die Pantoffel schlüpfen auf und nieder:
Musik
wird meinem Ahnen tonslos klar.
Im
Schauen und Lauschen wachsen mir die
Tränen,
Darin
zerbrechen sich die Mauern bunt. –
Viel
Wolkenwale, schwarz mit greisen Mähnen,
Durchschwimmen
hoch den lila Himmelssund.
Vom
Schmerze jenseits mag ein Meer
ergrünen:
Zu
ihm durchsteuern sie die Enge klug.
Und
nun die Fluten wieder leiser dünen,
Stehn
fest die Sterne, die ihr Schweif verschlug.
Der
Tänzer wo? Wohin?
Es
ruhen seine grünen Schuhe.
Die
Wale haben ihn mit sich gezogen.
Ein
Muschelschiff klang in des Baumes Ton.
Im
Hofe webt ein Duft von nassem Rogen,
Und
aus den Kellerluken schwelt Ozon.
Der
Baum erschlafft und stolpert matt, und
kühler
Rauscht
er herauf – und kühler noch.
Wer
tanzt in ihm, wer übt und spukt, des
fernen Fremden Schüler?
Du,
meine Seele, kehrst zurück? betrübt? -
Flieh wieder hin! Versuche doch!
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