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Literatur


04.2



Gedichte

Oskar Loerke
Die heimliche Stadt
Berlin 1921

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POMPEJI

Vesuvischer Friede  

Der graue Baum aus Rauch besät die Berge
Mit seiner Herbste Rot bei alter See Gesang,
Zwei Blätter von ihm decken zu die Stadt der
  Zwerge –
Der Baum währt einen Augenblick und Völker
  lang.

 
Ein goldner Gott zuckt ihm in Wurzelkrallen,
Sein Donner gurgelt hoher Kronenbreitung zu,
Ein Goldner setzt auf schwebende Provinz den
  Schuh
Und schwindet in des Qualmes schwarzen Fallen
 
So zwischen Feuerfürsten, die Gewalt entfesseln,
Erlösend sich, strömt er die freie Traumgestalt,
Und ihn umschwärmt sein Geistbild rings in
  Felsenkesseln
Zu Wäldern mythisch sich versammelnd
  tausendfalt:
 
Wie er gebreitet in den Zodiak der Dinge,
Von Kreisen vieler Wunder unverführt,
Genährt von ihnen und bekämpft, doch nicht
  berührt, -
Nur Baum zu sein ist ihrer Jahre Sinn und
  Schwinge.
 
Doch wir sind angstvoll, unser Fleisch zu
  überleben,
Wenn aus uns strahlt der vesuvische Baum
Und Völker lang, ach einen Herzschlag kaum,
Die Feuergötter in ihm große Hämmer heben.


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Tempelland
 

Ach, einmal kehrt der Gott auch in den Stein,
Ergraut, aus dem der Fromme ihn gemeißelt,
Und einmal will der Block nur Asche sein,
Wenn ihn des Gottes Wetter viel gegeißelt.
 
Die Sonne tönt nicht
Und hängt, eine blanke
Zerbrochene Schelle,
Von Kindern besessen
Vor längst und vergessen.
Es ruht der Gedanke
Der hadernden Essen,
Die flammende Helle
Der stürzenden Laven,
Es ruht der Vulkan.
 
Doch das Schwert der Agaven
Steigt staubig zum Krater,
Es bricht sich die Bahn
Durch Heerschar der Sterne:
Zum dämmernden Hafen,
Zum schweigenden Vater.

   
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An die Weisen der Vorzeit

Ihr, nun verklärt vom Scheitel bis zu Füßen
Von weißen Wolken, die einmal am Himmel
Das Himmlische aus euch gehabt, - vom süßen
Besonntsein euren Tags und seiner Summe! –
 
Das schwebende Gebild muß jemand tragen
Im Drang und Wandel zwischen Erd und Sonne,
Sonst wird es niederfallen und uns schlagen,
Der Dust der Ahnung und Gewölk der
  Schmerzen.
 
Sonst wird es steigen und mit seinem Regen
Und seinem Blitz den Acker nicht bestellen
Und in die Wirbel hoher Leere fegen
Und bald verhaucht sein und uns so verarmen.
 
Drum lockt ihr es mit bang erregtem Laute.
Den Toren, die ihn hören, seid ihr Toren.
Doch ihr, ihr wandelt selbst das fest Vertraute
Zum ungewissen, schwebenden Gebilde.
 
Denn auch die staubverknüpften Bäume fluten
Bei manchem Sturme jenseits aller Sterne,
Ob sie gleich mit der Macht gepeitschter Ruten
Das Ohr uns höhnen und das Haar verwirren.
 
Ihr sorgt nicht um das Bett, doch um den
  Schlummer
Und um ein Brot, wenn Götter den betreten:
Ein Schaugericht für sie ist euer Kummer,
Daß uns das Brot nicht feind sei, das wir essen.


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Bildnis der Flora

Flüchtig in Basalt geritzt,
Schreitet die blumenstreuende
Göttin, schleiergewandet.
 
Liest tausend Jahre die aufgegangne
Keilschrift der Sterne und trifft
Den Mond wie eine angefangne
Morgenländische Schrift.
 
Oder geht sie, im Feldergarten gelandet,
Vom dicken, gläsernen Regen bespritzt,
Die Sichelnde, die Heuende?
 
Liest tausend Jahre die aufgegangne
Keilschrift der Sterne und trifft
Den Mond wie eine angefangne
Morgenländische Schrift?
 
Das Rätsel, das sie liest,
Sie sät es aus, und Rätsel sprießt. –
 
Die Alter hauchen in den Basalt
Mit blindem, schwarzem Völkerbrodem:
Nie mischt die schreitende Gestalt
In ihre Trübung den reinen Odem.

 
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