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04.2
Gedichte
Oskar Loerke
Die heimliche Stadt
Berlin 1921
__________
Auszug des
Heimlichen Gates
Die Himmelstiere
1
Das Tote anzurühren aus der Ferne,
war
Dir lieb: daß es dein Schicksal
würde.
Genug! Nimm Abschied! Es weht
dein Haar,
Die goldenen Himmelstiere brüllen
in der Hürde.
Sieh, von hängenden Bergen kommen
sie
gesprungen,
Wo kein Gott seinen Stuhl noch
gehabt.
(Ammenmärchen geschehen.)
Bittrer Schlaf und Frost haucht
dich an aus ihren
Lungen.
Wie sie sich bücken auf deine
Schüssel!
Schluchzend sollst du kein Mahl
mehr begehen!
Brich auf! Wohin? Geh zu, geh zu!
Barfüßig geh und sei nicht laut!
–
Jahrtausendalter Staub spannt auf
den Schuh
Daheim zerschellten Stein als
gütige Haut.
zurück
Die Erdentiere
2
Wehmut unendlich im sausenden
Dunkel
Spült aus die Stadt, die ich
ehmals betrat,
Den Grund auch, auf dem ich gehe,
Denn ohne Wehmut, die schaffende
Göttin,
Wäre nichts nun unter der Sohle.
Vornübergebeugt über meinen Weg,
Frag ich ihn nicht, wohin er mich
führe.
Leichter dünkt nun die steile
Mauer
Mir erklimmbar als einer Spinne.
Die flieht am senkrechten Absturz
gespenstisch
Lautlos auf langen Beinen wie
Rauch:
Schon schläft sie vergessen hoch
irgend im
Dunkel
Wie ein geretteter Krüppel auf
Krücken,
Zwischen zitternden Stöcken
eingeknickt. –
Ich entfloh nicht, ich tappe nur.
Was hält mich auf? Was
überwältigt?
Und wirft, eine Handvoll Wind,
mich vor mich?
Die Windsaat erhebt sich, verwunschen
und
wandelt!
An würgendem Halfterband
Vorwärtsgerissen wird weißer
Ziegen Schar.
Niemand hält das straffe Seil in
der Hand,
Der Würger ist unsichtbar.
Doch todumwittert
Stolpern die Ziegen
Zu gescheuertem Troge,
Den ein Wurf hastiger Fliegen
Rennend umzittert. –
Ich bin die speichelnde Atemwoge
Des Viehs und soll nun purpurn
werden,
Ich bin die unbarmherzige Schnur:
Gemordetes und Mörder bin ich auf
Erden. -
zurück
Die Auferstehung
3
Es ist die Stunde des Abschieds.
Wohlan!
Wie zackiges Eisen taumeln und
rasseln
Morgensterne in meinen Ohren.
Die Füße geißelt es an ein Ziel,
Doch immer fällt es vor sie
nieder
Wie Hauch, der lebhaft wird und
wandelt:
Und ich muß mir immer begegnen
In den Falten des türmend
Erbauten,
Und ich löse mich schwer von mir.
zurück
Zweite Auferstehung
4
Das Mondlicht rauscht durch ein
Wolkenwehr.
Hier ist ein Markt. Hier tanzt
ein schwarzer Bär.
Sein Leierkasten schweigt, bunt
überhangen,
Vor Bürgerburgen tanzt der Bär
gefangen.
Geschwister brummen fernher in
sein Ohr,
Er spreizt die Pranken leeren
Griffs empor.
Pagoden Laubes schütteln die
betäubten
Verborgnen Seufzerschlangen ihm
zu Häupten.
zurück
Verklärung
5
Mir ähnlich alle, doch
verschiednen Alters,
kommen
Drei Mörder aus der Tür, zu der
ich umgekehrt.
So wohnen sie, wo ich gewohnt,
die Frommen?
Ihr gleicht mir, Fremde, doch was
hat euch so
verklärt?
„Daß wir ein Leben lang gerungen,
Bis unsres Klosters Wand
gesungen!“
Es ist die Stunde des Abschieds.
Auslöschen die
drei
Mein Fuß stößt wild an ihrer
Stätte vorbei.
zurück
Unterwelt
6
Im Dunkel unterscheide
Ich meine Stadt nicht mehr.
Schlund aus geschwärzter Kreide
Hängt sie von Wolken her.
Die Straßen huschen schmäler
Vor Häuserfratzen groß und krumm;
Gekratzte Wundenmäler,
Tropfen Fensterreihen stumm.
Hohl poltern Felsenplatten:
Ich bin vor meinem Haus.
Da geht mein Schall und Schatten
Zum Tor noch ein und aus.
zurück
Ort der Seelenlichter
Die
vielen Straßen waren eine
bloß.
Ein rotes Wasser schien sie zu
durchwandern.
Die schwarzen Häuser folgen
lückenlos
An schwierig endlosen Kanals Mäandern.
Mit Fensterzeilen, fünf und zwölf
und acht,
Zog stumme Doppelwand die
Zackenzinne.
Hohl neigte oben sich die
Mauerfracht
Und ließ der Nacht nur eine
krumme Rinne.
Aus Türen schwebten Lichter,
spießgekrönt,
Im gleichen Raum geschwisterlich
zusammen
Wie Seelen. Sie besprachen sich
versöhnt,
Doch ungleich sank das Öl im Mark
der
Flammen.
Die Häuser hinter ihnen waren
leer,
Sie hatten ihre Treppen ja
betreten
Zum stillen Ausgang ohne
Wiederkehr
Und grüßten vor der Tür sich, wie
gebeten.
Noch Licht bei Lichtern, wollten
sie nicht sein,
Sie wollten Tod, sie hatten viel
gelitten.
Doch schwebten sie zum Bache noch
nicht ein,
Sie hatten viel einander
abzubitten.
Nur manche zog der nasse Dunst zu
schwer,
Sie taumelten und wurden nicht
mehr munter.
Dann nahm das Wasser, dicht und
zäh wie Teer,
Auch ihre Häuser bildergleich
herunter.
So fielen Licht bei Licht und
Wand um Wand.
Doch windet sich der Bach durch
viele Meilen.
Wann rauscht er eisern auf: die
Stadt
verschwand?
So viele Seelen haben sich erkannt
Und möchten vor der Tür am Ufer weilen.
zurück
oben
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