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04.2
Gedichte
Oskar Loerke
Der Silberdistelwald
Berlin 1934
__________
Die Nacht
Geleit
1
Du
schauertest vor
seiner Zwielichthelle,
Unstete Seele, die
mit ihm gesegnet ist,
Geh heim zum
Abendmahl, laß vor der Schwelle
Den Schattenzug,
der dir begegnet ist.
2
Der
Lampenschein
weidet –
Oder im Licht ein
scheinendes Was –
Auf dem Kleide, das
mich bekleidet
Und draußen auf
einem Streifen Gras.
So Tag für Tag, so
Jahr für Jahr,
Und es krümmt sich
kein Halm, kein Wollen-Haar.
Ich bin das
Heimsamste.
Etwas klettert
hinter den Tapeten
In den Fugen am
Mauerstein
Und rollt sich
endlich beim Ohrwurm ein,
Vergessen.
Unkenntlich. Nie zertreten.
Ich bin das
Einsamste.
zurück
Der
Silberdistelwald
Mein
Haus, es steht nun mitten
Im Silberdistelwald.
Pan ist vorbeigeschritten.
Was stritt, hat ausgestritten
In seiner
Nachtgestalt.
Die bleichen Disteln starren
Im Schwarz, ein wilder Putz.
Verborgne Wurzeln knarren:
Wenn wir Pans Schlaf verscharren,
Nimmt niemand ihn in Schutz.
Vielleicht, daß eine Blüte
Zu tiefer Kommunion
Ihm nachfiel und verglühte:
Mein Vater du, ich hüte,
Ich hüte dich, mein Sohn.
Der Ort liegt waldinmitten,
Von stillstem Licht gefleckt.
Mein Herz - nichts kam geritten,
Kein Einhorn kam geschritten –
Mein Herz nur schlug erweckt.
zurück
Der
offene Strom
Der
Berg der ewigen
Fülle weicht.
Trotz verkrümmt dir
die Lippen.
Gedankenschwärme
fahren auf,
Altverfeindete
Sippen.
Einst Seher, stoßen
sie sich blind
Wie mit gespitzter
Stange.
Voll Gift und
Dunkel, schlingt sie ein
Der Rachen der
alten Schlange.
Erwachst du dann im
Urgeheul
Des Blutes,
verweint, gelähmt:
In offnem Land an
reisender Flut
Zögerst du
beschämt.
Die rote Sonne
neben dem Strome
Ist vor Gott zu
sinken bereit.
Alte Bäume, gleich
ihm ohne Namen,
Wachsen an ihm
hinter der Zeit.
Dulder wissen ihn
fließen. Sie schweigen.
Und so hat er kein
Gestern und Morgen.
Alle Augen, in die
er geschienen,
Halten sein goldenes
Bild verborgen.
Allen Sterblichen
ist vielleicht
Manchmal der Zugang
zu ihm offen,
Aber noch nie hat
am Strom
Einer den Bruder,
die Schwester betroffen.
zurück
Ohne
falsche Zeugen
Das
Mondlicht räumt den Alltag
aus.
Es knackt im Holz:
Ein alter Wald geht durch das
Haus.
In seine Einsamkeit entzückt,
Bin ich es noch,
Der seinen Stuhl zum Tische
rückt?
Die Eiche zeigt ihr Astgeweih,
Mein Rosenglas
Setzt unter ihm sein Totes bei.
Um diesen Blätterfall vermehrt,
Erglänzt das Licht
Des Leuchtens, das kein Blick
versehrt.
Von keines Zeugen Ohr bezeugt,
Schwebt aus dem Wald
Ein Klingen, das den Kopf mir
beugt.
Erkennst du uns? Schön lebt es
fort,
Wir hören gut,
Kein falscher Bürge trübt dein
Wort.
zurück
Der
Wermutbaum 1
Dessen Krone
niemals zittert,
Doch den Vogelruf
im Raume
Mit dem Schatten
schon verbittert –
Unterm schwarzen
Baume
Stand ich
plötzlich. Sein Gelaube,
Urverborgen, war
enthüllt!
Sein Genist stieg
wie ein Glaube,
Der den ganzen
Himmel füllt.
Diese Last, wie
Ahnung lastet
Ohne Blüte, ohne
Samen,
Hatte nie mein
Blick betastet –
Dieser Baum war
ohne Namen.
Mächtig fiel sein
Bann. Daneben
Hat kein andrer
Zauber Raum.
Und er hat mir
eingegeben:
Nenne mich den
Wermutbaum.
Mein Versunkenes
wird rege.
Ja, ich sah ihn
pflanzen
Neben meinem
Morgenwege,
Schüler mit dem
Ranzen.
Hände sah ich rasch
im leisen
Sandgeriesel
graben;
Warens Hände eines
Greisen
Oder eines jungen
Knaben?
War es nicht? Es
ist vergessen.
War es? Ich vergaß
es.
Und er lebte
unterdessen,
Leben, ich ermaß
es.
Er erkrankte, wenn
ich lachte.
Doch sein Mark
blieb heil, er aß,
Was ihm Blitz und
Wolke brachte,
Und er schlürfte
und genas.
Und nun bin ich
plötzlich bei ihm,
Und nun wogt er,
nachtverkrallt.
Seine Welt, mit
ist, sie sei ihm
Gott in anderer
Gestalt.
zurück
Der
Wermutbaum 2
(Leiblich,
genossen)
Meinen gepreßten
Mund erbricht
Ein Gefäß mit Absud
von Wermut.
Mir war bewußt, der
Abschied ist kurz
Im Trank aus
geriebenem Schierlingswurz,
Ich wußte, dies ist
der Abschied nicht
Vom All und seiner
Schwermut.
Ich wollte nicht
trinken, doch dann ist der Krug
Ganz in mich
ausgeflossen;
Ich warf ihn fort,
und er klang hohl.
Des Bittren genug
und übergenug!
Und doch tats wohl
und lange wohl,
Denn es war
leiblich genossen.
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