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04.2
Gedichte
Oskar Loerke
Der Steinpfad 1938
aus: Die Abschiedshand
__________
Der Steinpfad
Wer weiß? Ein
Strauß, am Acheron gepflückt,
Ob er den Raum
hier oben auch wohl schmückt ?
Ich
steige, wie der Steinpfad steigt
1
Ich steige,
wie der Steinpfad steigt.
Wir enden bald
und ohne Ziel.
Ich kehre um,
er kehrt geneigt -
Es ist ein
Spiel und ist kein Spiel.
Im Winter
schwärzt sich, seinem Anfang nah,
Der
Dornenkranz der Pergola.
Im Sommer
führt zu ihrer Rosenuhr
Die gleiche
Schrittzahl ohne Spur.
Am Ende ist
ein Steinquadrat,
In einer Ecke
steht ein Pfirsichstamm.
Der Weg hinauf
ist mir mein Freundschaftspfad.
Mir folgt die
Welt, ein junges Lamm.
Ich frage:
sprichst du? - »Deine Rede!«
Die
Pfirsichkugeln glühn Urfehde.
zurück
Hier
dieses ist der junge Raum
2
Hier dieses
ist der junge Raum,
Der alte ist
verschollen.
Wenn seines
Jenseit-Meeres Brecher rollen,
Zeigt sich am
Himmel eine stille Flocke Schaum.
Am Wege liegt
des Nachbarkindes Puppe
Mit starren
Gliedern auf dem Rücken,
Die Augen auf
der fernen Flocke,
Als banne sie
ein Furcht-Entzücken:
Nie netzt das
Jenseits meine Locke, -
Auch ich bin
jenseits! - nie die Fingerkuppe.
zurück
Der
Stein ist hier zu End . . .
3
Der Stein ist
hier zu End, hier treibt die grüne Kraft.
Du wünschst,
dort stehe eine Steinlaterne,
Chinesisch,
großer Meister zu gedenken,
Und nahe
gegenüber ihrem Schaft
Ein niedrer
Sitz zum Sichversenken.
Am Fuß ihm
liegen Pfirsich-Purpurkerne,
Vom Fleisch
entblößt, noch naß vom Saft.
Gehackt hat
eine Amsel, ein Häher gescholten,
Dann gilt
nicht mehr, was eben hat gegolten.
Nach unten
siehst du Wüsten unter dem Rasen,
Nach oben
Wüsten hinter den Wolkenoasen;
Wüsten endet
ein Pflasterpfad und mündet
In einem
Viereck aus schweren Platten.
Wo mag das
sein? - Ein fremder Mann entzündet
Die heimische
Laterne aus Basalt.
Wirklich ist
er: er wirft einen Schatten.
Mein Schatten
aber hat Baumes Gestalt,
Ich rage
sausend über der Abendleuchte.
Der Mann im
weiten Kittel aus schwarzer Seide
Erhebt das
Auge, das verzückungfeuchte.
Von Weisheit
voll, und also leer von Leide,
Nimmt er den
Wipfel, der über ihm weht,
Tief in sein
Schweigen, bevor er geht.
zurück
Wer wir
sind, die dir, du Dummer
4
Wer wir sind,
die dir, du Dummer,
Trübend vor
der Sonne liegen? -
Nur ein
Knirschen, nur ein Kummer
Aus den uns
verlornen Kriegen;
Gute Knechte.
Damals hast du
Schweiß vergossen,
Grimme Saat
wie Drachenzähne;
Daraus sind
wir aufgeschossen,
Blecken,
Schakal und Hyäne,
Deine Knechte!
»Meine
Knechte? -
Aus dem Licht
mit schlappen Ohren!
Daß die
Flächen voll sich sonnen!
Jene Kriege,
euch verloren,
Sind seit heut
für mich gewonnen.«
zurück
Jetzt
pfeift ihr, junge Brut!
5
Jetzt pfeift
ihr, junge Brut! Es ist kurzher.
Vom ältern
Tage trennt den Tag ein Meer.
Ein Rotschwanz
stürzte aus dem wilden Wein,
Sein Auge
starb in meine Hand hinein.
Ein zweiter
ließ des ersten Sonne gehn.
Ihm reicht der
Kehle und der Flügel Schlag
Nicht übers
Meer von ein zum andern Tag,
Weils die am
andern Ufer nicht verstehn.
zurück
Wann
läßt du Schön und Häßlich . . .
6
Wann läßt du
Schön und Häßlich, Feig und Kühn,
Wie diese tun
und diese tun: sie blühn.
Sie blühen
ohne Tiefsinn, ohne Scham,
Weil ihnen
niemals ein Besucher kam.
Petunie,
Glockenblume, Fingerhut,
Sind so sie
selbst, daß dich ihr Name schreckt.
Kein Wesen
rings hat seinen Kopf bedeckt,
Und alle Wesen
gehen unbeschuht.
zurück
Lautlos
ging die Rosenuhr
7
Lautlos ging
die Rosenuhr.
Rote Blätter
lagen
Auf der Treppe
vor dem Flur
Zu dem Haus
der Sagen.
Auf den Stufen
der Augur,
Knie um Knie
geschlagen,
Schlief beim
Gang der Rosenuhr -
Längst aus
allen Tagen,
Längst schon
ein Gerippe nur,
Los von Milz
und Magen,
Unter grüner
Stachelschnur -
Ohne daß der
Himmelswagen
Aus dem
Weltraum weiterfuhr.
zurück
Fühlst
du dich fremd auf deinem Pfade
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Fühlst du dich
fremd auf deinem Pfade,
So flehe nicht
um Fremdlings Gnade,
Denn Fremde
sind wir, die da grünen,
Die niemals
sich zu dir erkühnen
Wie du zu uns.
Alldonner schallen -
Verlassen bist
du von uns allen.
Wir Bäume
reden nur als Bäume,
Mißhöre nicht
für dich: nun säume!
Wir rollen
unsern Kronenschatten,
Wie wir ihn
ohne dich schon hatten,
Und schwenken
unsre Düfteschwaden
Für uns: nicht
deine Kameraden.
Wenn deine
Ohren uns beschleichen,
Meinst du in
unser Reich zu reichen,
Berührst das
Borkige und Harte
Und meinst,
wir
flüsterten: ich warte!
Und glaubst,
wir wären da, die Fernen.
Wie willst du
unsre Sprache lernen?
Was hörst du
aus der Wurzeln Kammern?
Es greint? —
Das ist dein eignes Jammern!
Und hättest du
sie ausgegraben
Und könntest
ihr Geflecht beschaben,
Du ahnst
nicht, was ihr Fuß erklommen,
Wohin sie
gehn, woher sie kommen.
zurück
Im
Fugenzickzack wuchs das Buch der Jahre
9
Im
Fugenzickzack wuchs das Buch der Jahre;
Ich las bei
Traum und Fieberschweiß.
Da drangen aus
der Welt drei Unsichtbare
In meinen
sonnenstillen Kreis.
Sie drängten
durch die Gatterpforte,
Die Steine
glänzten regenblank.
Am Glanz
vorüber, ohne Worte,
Vertauchten
sie im Schattengang.
Dort sprachen
zwei, und jeder wußte besser,
Was irdische
Verstrickung, was Verhängnis sei.
Der dritte
schwieg und schwang das Schlächtermesser,
So schien es,
über einem jener zwei.
Und wie sich
der mit Klagen wehrte,
Der andere mit
ihm nach Weisheit floh,
Der dritte
schwieg und schwang das Schlächtermesser,
Mein
Schattenlos zurück, der Sonne nicht mehr froh.
Erste Stimme:
Vom Leben bin
ich ausgeweiht.
Ich diene
schwach und hilfelos,
Da nimmst du
mir ein wenig;
Du tust mir
mit dem kleinen Stoß,
Vergiß es
nicht, ein großes Leid.
Du nahmst mir
immer nur ein wenig,
Darum ist auch
dein Glück nicht groß,
Es freut dich
nur ein wenig,
Was du mir
nahmst, ich blieb bereit
Und hielt mit
Hundepfoten wahrhaft
Den abgenagten
Knochen Zeit,
Und sieh, er
war nicht nahrhaft.
Es rettet mich
kein Wille mehr
Und keine List
und Gegenwehr.
Vom Leben bin
ich ausgeweiht.
Zweite Stimme:
Ach glaube
nur, was einem Menschen angetan wird,
Wird allen
Menschen wehgetan.
Und wenn die
Schar der Enkel aus der Bahn irrt,
So leidet noch
der eine Ahn.
Erste Stimme:
Zum Ahngreis
machst du mich, um mich zu trösten?
Willst du die
Kette mir auch rückwärts schmieden?
Der Spott
posaunt und nicht der Frieden,
Nennt man die
Toten die Erlösten.
Der Dritte schweigt.
Zweite
Stimme:
Es zuckt mein
Mund, er mag nicht sprechen,
Denn was ich
denke, hast du vorbedacht.
Zu beugen bist
du nicht, nur zu zerbrechen,
Doch bricht
man dich, zerbrichst du jede Macht.
Erste
Stimme:
Ich weiß. Die
Macht von einst zerbricht, nur heute nicht die Scham.
Ich habe immer
Gäste gehabt,
Die Sorge, den
Kummer, den Gram.
Sie waren
gescheit und waren begabt
Und wollten
essen, und jeder nahm.
Ich werde mit
künftiger Macht gelabt,
Und meine
Gegenwart ist Scham.
Dritte Stimme
lacht, schweigt.
Der Dritte
schwieg, der Zweite und der Erste fochten,
Bis ihre
Stimme mit dem Leben floh,
Wie Flammen
sich an ungenährten Dochten
Ins Dunkel
winden: ach, wir dürsten so!
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