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Literatur


04.2



Gedichte
Oskar Loerke

Der Wald der Welt
Berlin 1936

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BEMALTE VASEN VON ATLANTIS


D
ie Siebente: Kehraus

Wir wissen das Ende, drum lastet auf alle die Drohung.
Wolken beräkeln gleich Robben-Alben die Alm,
Sie schielen mit rötlichen Augen auf die Verrohung
Kreischender Städte und blassen Schwefelqualm.
 
Zu grauser Vermischung überwältigt im Bette
Der Zeugung zeitausgesetzte Urzeit die Gegenwart.
Die Wendeltreppen im Tempel zum Lichtgott sind Fischskelette
Von Unmaß, und Irr-Art befällt jede Art.
 
Der Fels erbricht sich, aus furchtbarem Wissen
Inwendig knirschend geballter Versteinung.
Am Gallengespeie schmatzen Riesenhornissen
Und überimpfen den Menschen die Schmach der Verneinung.
 
Mit den Gedanken, die sie verlauten,
Zerkleinern und essen einander die Seelen wie Fleisch,
Schmähend verbeißen sich quer die früher Vertrauten,
Und Blutschaum schon behaftet Befehl und Geheisch.
 
Denn wie wären Tigergestaltung und –tatze,
Zürnender Mann und entflogener Zorn zu entzwein?
Fressender Geist und kreaturenfressende Katze
Kommen am zuckenden Eingeweid überein.
 
 
Stimme des Mordes und schlimmer die schweigende Planung
Sind verworfner sogar als die mordende Hand.
Die Tat ist entlassen aus vorbestimmender Ahnung –
Gefallen, vergißt der Tropfe den Eimerrand.
 
Ach, vielleicht begeht man nur die Feier der Lende
Starker Götter und ihrer Söhne und Siege.
Der Priester steigt zur begnadeten Sonne die Stiege,
Zum ewigen Anfang – wir nur wissen das Ende.

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Die Achte: Der Magier vor der Großen Flut 

Ich siedle einsam im weichenden Bogen
Gläserner Berge. Der Abend denkt sie
Inbrunstvoll an ihre alte Stätte.
Und manche blühen von scharlachnen Kratern
Zum Himmel, dem antwortlosen grollend.
 
Aber das Donnern zerstört nicht das Leise.
Unter ebner Wasserscheibe nahe
Rinnt ein festlich weiches Brummen,
Rinnt ein Glanz aus tiefem Flutpalaste.
Mein ruhender Fuß tanzt auf der Hochzeit.
 
Nach der Nahrung der Sonne, vor dem Nachtverbleib,
Strecken sich viele
Schiefe Stämme wie der Leib
Schorfiger Krokodile.
Der Glutball gleitet von den Köpfen.
 
Menschen, ihr seid mir nah, so sangen sie drüben,
Was müßt ihr unerreichbar sein?
Ich mache mir daraus kein Leid,
Ich singe hüben:
Unerreichbar seid ihr mein.
 
Und Grotten sind hier auch gewiß
Mit unbekannten Göttern.
Niemand besucht sie, aber sie sind.
Gelbgefleckte Molche schlüpfen ein und aus bei ihnen
In Buchstabenbändern, die niemand liest.
 
Und jetzt auf der freien Tafel der Klippe
Gleiche ich den Verborgenen und fühle:
Es muß wohl in der Welt sehr öde sein,
Denn in mir brechen alle Quellen auf
Und haben dich schon überflutet, Atlantis.

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Die Neunte: Neugeborenes Fohlen    
Doch geschieht - und saust die
Chronosfaust schon groß -
Bis zuletzt das süße Wesenlos

Zwar trennt es nur Stroh von der Härte, dem Boden,
Aber noch ist sein Blut und Wasser auf Erden nicht.
Den großen Kopf noch weltfern von den kleinen Hoden,
Lagert es erst auf der Fähre zum Licht,
 
Zwei Kniee, eingebeugt, erspüren weiter die gute
Warme Höhlung der Mutter, und weich
Hütet ihr Samt das Spitze. - So schläft es heran, der Stute
Noch tausendmal mehr ah ein Ebenbild gleich.
 
Diese naht sich mit langsamer Zunge.
Und wie sie das rote Fell dann leckt,
Ist es, sie habe mit einem Tuch für das junge
Die tödliche Sonne noch einmal verdeckt.

Für Reneé Sintenis
 
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Ödes Meer über Atlantis    

Von ihrer Todesrüste
Ringsum auf keiner Küste,
Mit Meersalz nur geschrieben,
Ist eine Schrift geblieben.
 
Zerstreut ist ihre Flotte
Gleich einer Mahlzeit Linsen,
Zerweht ihr Kleid, der Motte
Auch nicht mit Staub zu zinsen.
 
Sie mußte sich versenken,
Vom Gotte losgekettet
Aus seinem Weltgedenken.
Kein Wehruf ist gerettet:
 
Nicht auf das Dach der Pinien
Ein Schrei von Auern, Ebern,
Und keine Geier webern
Im Himmel Unheillinien.
 
Und keine Schafe mäen,
Nach Schutt kein Grünverkrochnes!
Und keine Blitze säen
Den Donner auf Zerbrochnes.
 
Wenn großer Schiffe Bahren
Jetzt Vieh zur Schlachtbank fahren,
Zerwühlen ihre Schrauben
Kaum schalen Ammenglauben.
 
Wenn Blitze köpflings zischen,
Von ihrem Herrn geheißen,
So mögen sie gleich Fischen
Sich drunten selbst zerreißen.
 
Im Fallen einer Träne
Verwünscht sich unten, oben,
Der Sterne Meerestoben,
Der Wasser Sternenmähne.
 
Die Träne ist gerettet,
Vom Gotte losgekettet,
Und mußte sich versenken
In seinem Weltgedenken.
 
Was dauerte am längsten
Im Dauern meiner Wache?
Willst du dich in mir ängsten?
Was glaubt ihr denn an Rache,
 
Daß ich, was mein ist, strafe?
Es gleicht das Ungeheure,
Was hier war, einem Schlafe,
Und einem Traum das Eure.
 
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