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04.2
Gedichte
Oskar Loerke
Der Wald der Welt
Berlin 1936
__________
UNTERWELT
„Es
schmerzt nicht mehr:
dann
bist du angekommen.“
Der Schacht
Ein
Tisch. Der
Messingscheibe
Sind Märchen
eingraviert.
Auf dickem
Nashornleibe
Haun Zwerge
sich zu viert.
Auf seiner
Mutter Hüfte
Das
Kaiserkind, ein Mohr,
Taucht ab in
Urwaldgrüfte
Durch ein
Lianentor.
Da splittert
in den Speichen
Das
Himmels-Lichtrad schwer,
Und auch das
Lingamzeichen
Der Nabe
kreist nicht mehr. –
Als dich dies
Spiel bedachte,
Entsank das
blanke Rund,
Gehöhlt zum
Brunnenschachte
Voll Huf und
Haar und Mund.
Des warst du
nicht verwundert.
Dann wich vom
Spuk der Schein,
Als quölle ein
Taghundert,
Als rönne Raum
hinein.
Zu gehn
beganns mit Hufen,
Zu wehn
beganns wie Haar
Von Munden
kams wie Rufen,
Belog sich,
sagte wahr.
Die Höhlung
schien geräumig
Und
wolkenüberbrückt.
Ihr Brausen:
Sei nicht säumig!
Hat dich hinab
entrückt.
Im Blute
grollt Verhängnis:
Tritt ein in
sein Geheiß
Zu magischem
Begängnis,
Das dich
bereitet weiß!
Und schon
verschließt das Lachen
Der Welt dich
als ein Wall,
Was irgend
Hände machen,
Enthüpft dir
wie ein Ball.
Schon schwebst
du erdvergessen
Ins brünstige
Gericht,
Und seine
Gluten fressen
Den Frieden
vom Gesicht.
Es naht sich,
Panzerschwere,
Es hebt sich
ein Visier,
Dann zischt es
aus der Leere:
„Es ging die
Welt von dir.
Was willst du
hier unten?
Knien am
Plankenscheiterhaufen
Von den
Schiffen des Lebens?
Von den
Schemeln im Heiligtum
Und den
Stühlen der Lasterstätten?
Von den
abgegriffenen steifen
Süßen
Spielzeugen gar?
Knie nicht
länger!
Stifte den
Brand nicht, entschlüpfe!
Knie nicht
länger,
Oder besteige
den Holzstoß zuvor!
Du flohst, und
Flucht ist sündig.
Dein Bund war
frevelhaft.
Die Schatten
laß! Sei bündig
Mit Zaubern
aus der Kraft.“
zurück
Zwiegespräch
im Dunkel
Ich
will
allein sein, geh! – „Du bist beherzt.“
Wir fallen.
Sage mir, wohin wir fallen?
„Aus den
Verzweiflungen.“ – Aus allen?
„Aus allen. –
Schmerzt es dich so sehr?“ - Es schmerzt.
„Willst du
allein sein?“ – Gib mir das Geleit!
„Wie weit
noch?“ - Mich benäßt ein Strom –
„Gewiß. Hier
führt kein Weg nach Rom.
Vorüber ist
die gütige Zeit.
Sie brach wie
ein verfolgtes Reh
Ins Knie und
ist zu Gott zurückgeschwommen.
Und schmerzt
es dich?“ – Es tut nicht weh.
„Es schmerzt
nicht mehr: dann bist du angekommen.“
zurück
Abstieg zur Unterweltstadt
Nun
senkt sich
mit mir eine Fläche schief.
Die Sonne,
winzig hoch im Violetten,
Steht
rückwärts. Eben vor mir warm und tief,
Entfloh sie,
zu Geschwistern sich zu retten.
So muß wohl
auch die große Sommerstadt,
Dem
Lichtmagneten folgsam, aufwärts fliehen:
Da liegt, was
meine Ferse doch verlassen hat,
Im Abgrund
unter meinen Wanderknieen.
Die liebe
Stadt liegt unten winterlich,
Ein Mumienleib
mit lebendem Geäder.
Darinnen stößt
sich fort und wendet sich
Und sucht ein
Herz umsonst der Strom der
Räder.
Ein
Straßensack, zum Winkel abgedrängt,
Schluckt Licht
wie von der Nacht verspritzte
Schnuppen.
Belebtes, wie
es noch in Kleidern hängt,
Gleicht trägen
Raupen, die sich bald verpuppen.
Da sieht die
Pumpe in den Kellerhals
Der Kneipe, -
ihre Theke blinkt vernickelt.
Es zählt das
Sickern schalen Tropfenfalls
Der Eisenzwerg
im Frost, mit Stroh umwickelt.
Ein Blinder
naht, von seinem Hund geführt.
Alt, haben sie
die Welt zu Fuß ermessen,
Er murmelt,
während er den Schwengel rührt:
Erwachen
trinkst nun du und ich Vergessen.
zurück
Baum der Unterwelt
Geh
weiter! Sprich
nicht nach, du Menschenmund,
Was durch die
Winter-Eiche fauchend zieht.
Nur wer aus seinem
Leben fortgeriet,
Vernimmt es
als Musik bei uns am Grund.
Verweile nicht
im Schlund am Algenstamm,
Sein Laub ist
älter als das Jahr zuvor,
Und höre nicht
auf seinen Zitterchor
Vom blauen
Lebenswasser ohne Damm!
Verlaß uns
fernste Mönchs- und Nonnenschaft!
Das
Lebenswasser ist vom Frieden blau
Zur Zeit der
Schwäche, doch zur Zeit der Kraft
Ist es durchwölkt
und perlt vom Sieden grau.
Einst Richter
und gerichtet im Ordal,
Sind wir nun
dannen, wo nichts fragt und hört:
Von deinem Fuß
wird sein Kristall zerstört, -
Der Schnee
bleibt unter uns von Spuren kahl.
Drum glaube,
dies hier sei ein Eichenstamm,
Mit
Blätterzähnen, bronzen ausgestanzt,
Dem
Winterhimmel mitten eingepflanzt,
Und er
zerbeiße Gottes Schwermutsraum.
zurück
Katakombe
Etliche sind
ausgenommen,
Etliche nicht
angekommen
Die
Beigesetzten sind vergessen.
Ihr
abgespeistes Licht loht draußen fort.
Wir sind von
anderm Licht besessen.
Sucht
Katakombenbrüder für das Wort.
Es pflanzt den
Hall aus Gott im Hohlen,
Und Nachhall
klärt sich auf zum Urbefehl:
Da kreist, zum
Schweben herbefohlen,
Das All,
verheimlicht erst, dann ohne Hehl.
Nun trägt es
auch die Beigesetzten
Für uns, die
schwach schon sind, in ihrer
Kraft.
Womit sie ihre
Augen letzten,
Ersehn sie uns
für die Gefangenschaft.
Resede
schaukelt und Limone.
Es sammelt den
versprengten goldnen Hort.
Die Nacht
nicht ein; sie weiß, er wohne
Befreit,
verbürgt im Katakombenwort.
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