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Literatur


04.2



Gedichte
Oskar Loerke

Der Wald der Welt
Berlin 1936

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Hexeneinmaleins

Er suchte die Hexen wie Doktor Faust –
„Du wirst, damit du dich an uns erbraust,
Mit unsern Anfangsgründen gezaust.“
Sein Unglück: er war beim Alten geblieben.
Man lehrte ihn zwei mal zwei sei sieben,
Man hat es ihm tausendmal aufgeschrieben,
Mephisto hat ihn nicht vereidigt,
Man hat ihn, wenn er stutzte, beleidigt,
Man hat es mit Schlägen am After verteidigt.
Es glückte der Folter, ihms zu erpressen.
Nun sucht es hier unten das Heilkraut
  Vergessen,
Und zwei mal zwei blieb vier unterdessen.

 
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Andreas Gryphius
Defecit in dolore vita mea
 
Und sage ich: Dies ist mir wert!
- Es ist kein Wort,
Es ist ein Schwert,
Gezückt vorm Hort.
 
Brich einen Stab, der Hort, er ruht –
Brich auf! – in ferner Thule.
Der Säugling soff am Bach voll Blut,
Der Krieg war meine Schule.
 
Doch überall lag Gaukelfeld,
Von dem man sagt, es trüge,
Mit Raden und mit Mohn bestellt,
An Weizen zur Genüge.
 
Damit der starke, störrische Ochs
Die Gaukelfelder pflüge,
So trieb man ihn beim Pfiff des Stocks
Erst in ein Bad von Lüge.
 
Da ist mein Purpurzorn entflammt,
Und bei der dunklen Flamme
Versah ich bitterlich ein Amt,
Bald Klopfsein und bald Ramme.
 
Verschmachtet ein Herz an der Grundnatur,
Erspäht ihr eben ein weiters -.
Mein Weg ist still, doch seufzt die Spur
Wie unter dem Hufe des Reiters.
 
Die Spur fragte willig, was ihr schüft
An allen Straßenbügen.
Mein Herz kehrt heimwärts, durch und durch
  geprüft.
Es schweigt, der Herr wills anders nicht fügen.


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Die Hand des Gemordeten

Man sagt, wem ein Verbrechen
Das Herz der Welt entwand:
Er wird ein Zeichen sprechen,
Und aus dem Grabe wächst die Hand.
 
Mir hat man ihn entwunden,
Des Lebens süßen Sinn:
Wo ich mich einst befunden,
Wars schon so trüb, wie wo ich bin.
 
Die ihr mich überstandet
Und weiter übersteht,
Seid froh! Von Morgen brandet
Der Wildgans schreiender Komet.
 
Und nur im Blumengarten
Wächst meine Hand empor,
Ihr Stern kommt aus dem Harten
Und tanzt auf einem grünen Rohr.
 
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Der Mann mit der Schaufel

Ein Mann, vom vielen Bücken steif verkrümmt,
Hob an und warf die Luft in Fäulnisschwaden,
Mit einem Schutztuch das Gesicht vermummt.
Doch schien die Schaufel immer unbeladen.
 
Dann war es mir, blieb auch der Haufe leer,
Als ob er schattenhafte Leiber schichte.
Ich fragte: Wer ist dieser, wer ist der?
Er stieß sie mit dem Fuße: „Bösewichte.
 
Hier der trug oben Züge wutverkrampft.“
Er schlug den Kopf entzwei: das Hirn war Jauche;
Doch wie sie sich ergoß, war sie verdampft,
Obwohl sie schärfer stank als die vom Bauche.
 
Und selbst die Knochen, wie beim Krähn des Hahns
Der Schnabel, eben sperrweit aufgerissen,
Jäh zuschnappt, schwanden aus dem Licht des Wahns,
Der droben tagt, als Nacht in Finsternissen.
 
Der Schaufler sprach: „Hier wird, was bös war, gut.
Das Gute pickt dann oben frisch die Speise,
Hat sichs in tiefer Wandlung ausgeruht.
Merk auf: es zwitschert. Eine blaue Meise.“


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