lifedays-seite

moment in time



Meine Lizenz
Creative Commons Lizenzvertrag 
Literatur


04.2



Gedichte
Oskar Loerke

Der Wald der Welt
Berlin 1936

__________


Das unsichtbare Reich Sebastian Bachs

Vier Widmungen



Die Erste

Wer ein Gutes für uns sinnt,
Weist uns durch den Märzenwind
In das Unsichtbare Reich.
Dort sind alle Wesen gleich:
Nicht an Stimme und Gesicht,
Doch an Ehre, Recht und Licht.
Dort gilt Kreuz und Essigschwamm
Gleich dem Hirten und dem Lamm.
Pflückt dort Gott, tief hingebückt,
Gras, so grünt es ungepflückt.
Oder pflückte sich die Blume
Gott zu ihrem Eigentume?
Nicht zu Häupten, nicht zu Füßen,
Sieh, wie sich die Wesen grüßen!
 
Für Peter Suhrkamp

 
zurück




Die Zweite

Die Tore stehn offen, drum stürmt man sie nicht,
Kein Riegelzahn wartet, daß man ihn bricht,
Türme mit kreisendem ewigem Licht
Erhellen auf allen Straßen die Sicht –
Doch böse Gedanken erkenne es nicht.
So bleibt das Reich durch sich selbst gefeit,
So wird die Macht, die hier gedeiht,
Durch keine fremde Macht entweiht,
Doch einfache Freude und reinliches Leid
Beflügelt zum Flug aus der Zeitlichkeit.
 
Für Bruno Jacubcit


zurück




Die Dritte

Da fließt nun der Strom, der Raum nicht
  braucht.
Und ob er endlich in seiner Breite
Fallend von siebenfarbnen Erzengeln raucht
Und herzlich Verwunderte stehn an seiner Seite:
Wie ist sein Lauf zur Mündung gelungen?
Ein Wunder! Er ist noch nicht entsprungen!
 
Und ob an ihm aufwärts mit seiner Hände Höhle
Frescobaldi schöpft und Papst Gregor der Große
Die Stirn erfrischt und nah dem Quellenschoße
Ein Ölgarten strotzt von künftigem Öle:
Wie ist sein Lauf zur Breite gelungen?
Ein Wunder: er ist noch nicht entsprungen!
 
Und ob der Dulder und Menschensohn
Die Erde klaftert, der noch Schwache,
In tödlichen nahem Meereston,
Der Strom aber gleicht noch einem Bache -:
Wie braust der Bach schon alle Völkerzungen?
Denn sieh, er ist noch nicht entsprungen.
 
Doch bald steht stille unterm Augenlid
Die Welt, die lieblich durch das Auge zieht.
Die Sonnenblume knickt am Zaune,
Die Sonne lischt vor der Posaune.
Der Quell, der Raum nicht braucht, ist nun
  entsprungen
Und schon durchs ganze Raumreich
  vorgedrungen.
 
Für Hermann Kasack

 
zurück




Die Vierte

In Klängen, siegend und gebrochen,
Und für das Ohr des Gottes klug,
Wird unaufhörlich Recht gesprochen,
Durch Schweigen, durch Vorüberzug.    
 
Das Recht, nur im Getön gewaltig,
Begibt sich seiner Spruchgewalt
Und hebt, in Einfalt mannigfaltig.
Aus Eingestaltem Allgestalt.
 
Es krümmt den Wurm, wenn er sich windet
Zum Licht wie eigenen Befehls –
Und wächst und drachengroß erblindet
Am lichten Speere Michaels.
 
Am Sünder fehlbar und unfehlbar
Im Sünder, küßts, der Herr, den Knecht.
Verhohlen zeugt es, nicht verhehlbar
Ists das geborene Geschlecht.
 
Und aus dem letzten Wimperschlage
Bringts das Geborene zur Ruh.
Doch nach dem jüngsten aller Tage
Läßt es die Sintflut wieder zu.
 
Der Wasserhagel taubt die Ohren
Der Wesen - Tier und Mensch und Blatt,
Dann, blau gewaschen, frisch geboren,
Ganz Geist, lauscht auf der Ararat.
 
Gottvater selbst will heimgelangen
Von ihm ins irdische Gericht:
Er streicht dem Sterbenden die Wangen,
Er löscht dem Meister das Gesicht.
 
Für Gottfried Bermann
In Klängen, siegend und gebrochen,
Und für das Ohr des Gottes klug,
Wird unaufhörlich Recht gesprochen,
Durch Schweigen, durch Vorüberzug.    
 
Das Recht, nur im Getön gewaltig,
Begibt sich seiner Spruchgewalt
Und hebt, in Einfalt mannigfaltig.
Aus Eingestaltem Allgestalt.
 
Es krümmt den Wurm, wenn er sich windet
Zum Licht wie eigenen Befehls –
Und wächst und drachengroß erblindet
Am lichten Speere Michaels.
 
Am Sünder fehlbar und unfehlbar
Im Sünder, küßts, der Herr, den Knecht.
Verhohlen zeugt es, nicht verhehlbar
Ists das geborene Geschlecht.
 
Und aus dem letzten Wimperschlage
Bringts das Geborene zur Ruh.
Doch nach dem jüngsten aller Tage
Läßt es die Sintflut wieder zu.
 
Der Wasserhagel taubt die Ohren
Der Wesen - Tier und Mensch und Blatt,
Dann, blau gewaschen, frisch geboren,
Ganz Geist, lauscht auf der Ararat.
 
Gottvater selbst will heimgelangen
Von ihm ins irdische Gericht:
Er streicht dem Sterbenden die Wangen,
Er löscht dem Meister das Gesicht.
 
Für Gottfried Bermann

 
zurück




oben

weiter
____________________________

   lifedays-seite - moment in time