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Literatur 









Gedichte - Reineke-Fuchs

Ein heiteres Kinderbuch
 
von
Julius Lohmeyer und Edwin Bormann,

Freie Nachdichtung des niederdeutschen Reineke de Vos.
mit 12 Bildern von Fedor Flinzer,
Verlag von Carl Flemming,
Glogan

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Achter Gesang



 

Reineke lag im weichen Moos
Und schnarchte lustig noch drauf los;
Da zupft‘ es leise ihn am Fell:
Auf, auf, du säumiger Gesell!
Was träumst du in den Tag hinein?
Heut gilt es doppelt munter sein!“

Der Schläfer knurrte ärgerlich,
Rieb brummend seine Aeuglein sich
Und wußte nicht, wie ihm geschah,
Als er die Aeffin vor sich sah.
 
Bist du’s, lieb Mühmchen, seh‘ ich recht?
Und mit dir naht dein ganz Geschlecht?
Willkommen, all‘ ihr lieben Leute!
Was giebt es denn so zeitig heute?“

Die Aeffin sprach: „Kein Ungefähr,
Noch müß’ge Neugier führt uns her:
Die Sorge, wie du dich mit Ehren
Des starken Gegners magst erwehren.
Zwar bist du klüger meist denn klug,
Warst jederzeit dir selbst genug —
Doch heut gestatte, daß der deinen
Wir unsre Pfiffigkeit vereinen.“
 
Der Fuchs sprang auf: „Ei, mit Vergnügen
Will ich mich deinem Rathe fügen.
So klug der klügste Mann auch ist,
Geht doch nichts über Weiberlist.“
 
Da ward denn lachend Meister Fuchs
Von zehn geschäft’gen Händen flugs
An Rücken, Bauch, an Hals und Ohren
Wie eine Ratte kahl geschoren;
Worauf man ihm fein säuberlich
Die Haut mit Fett und Oel bestrich.
 
So,“ sprach die wohlerfahrne Frau,
Den Wedel nur laß ich dir rauh.
Nun stell‘ dich anfangs recht verzagt,
Reiß aus und, wenn der Wolf dich jagt —
Dann munter nur den Schwanz geregt
Und allen Staub empor gefegt!
Wenn Isegrim zurücke bleibt
Und heulend sich die Augen reibt,
Hui! mit dem Schwanz ihm ins Gesicht,
Bis ihm vergeht der Augen Licht.
Bald weiß er nicht, wo aus wo ein;
Der Sieg, Herr Fuchs, wird spielend dein ! —
Knie nieder jetzt mit gläub’gem Sinn
Und nimm den Zaubersegen hin.
Ierexehh contue hebeir trew,
Jebads sap snehcsib nieth cinn new?*

*(man lese von hinten nach vorn.

Nun, Freunde, laßt den Kampfgeweihten
Zum sichern Sieg uns hingeleiten.“
 
Und stolz schritt Reineke voran,
Die Treuen folgten Mann für Mann. —
 
Der König, als er ihn erschaut,
Hielt sich den Leib und lachte laut:
 
Du Loser bist doch allezeit
Zu neuem Schelmenspiel bereit.“
 
Der Fuchs mit zierlicher Geberde
Verneigte grüßend sich zur Erde
Und stand alsbald voll guter Dinge
Des Gegners harrend in dem Ringe.
Die Stirn umwölkt von Motdgedanken,
Betrat Wolf Isegrim die Schranken.
 
Der König aber rief: „Wohlan,
Die Kämpen stehn, man hebe an!“
 
Und Isegrim kam wuthentbrannt
In mächt’gen Sätzen angerannt.
Reineke schlüpft behend zur Seite,
Er bebt vor Angst und sucht das Weite.
Hoch peitscht sein Schweif im schnellen Lauf
Den Staub zu dichten Wolken auf.
Kaum sieht den Wolf er stehen bleiben
Und winselnd sich die Augen reiben,
Ruft Reineke: „Verleumder du,
Nun hat vor die die Unschuld Ruh‘!
Empfange deinen Sündenlohn!“
Und faßt ihm nach der Kehle schon . . .
Doch Isegrim in wilder Pein
beißt wüthend auf den Frechen ein,
Erschnappt des list’gen Gegners Hand
Und — wirft ihn nieder in den Sand.
 
Jetzt, Lügenbube, zeig‘ ich dir:
Das Lohnaustheilen ist an mir!
Trotz Stäuben, Wedeln, Scheeren, Schmieren,
Wirst Kopf und Kragen du verlieren!“
 
Reineke denkt: Das geht ans Leben,
Nun ist es Zeit klein beizugeben.
Demüthig blickt den Wolf er an:

Was nur dein Herz begehren kann,
O Herr, ich will es freudig thun —
Nur laß den dummen Streit jetzt ruhn!
Was kämpfen, bester Oheim, wir
Gleich ein Paar rohen Bestien hier?
Zwei Wesen, die so nah‘ verwandt?
Es ist wahrhaftig Sünd‘ und Schand‘!
Wie gern wollt‘ ich dem Kampf entgehn
Zwangst du mich nicht, ihn zu bestehn?
Und als ich sah, es mußte sein,
Wie schränkt‘ ich meine Kraft da ein,
Bin glimpflich wider dich verfahren,
Um dich vor aller Schmach zu wahren.
Sei du mein Herr, ich bin der Knecht,
Dem keine Arbeit dünkt zu schlecht;
Und niemand soll es mir verwehren,
Dich wie den Papst in Rom zu ehren.
Gans, Ente, Feldhuhn, Krebs und Fisch
Bring‘ ich dir treulich auf den Tisch.
Auch meine Freunde insgemein
Sie werden deine Diener sein. —
Will tausendmal mich Lügner nennen,
Zu jeder Schandthat mich bekennen . . .
Sag‘ an, wornach steht dein Begehr?
Au, au! du kneipfst auch gar zu sehr!
Nichts Süßres weiß ich als Vergeben,
Drum schenke gnädig mir das Leben!“

Nein,“ spricht der Wolf, „und aber nein!
Wär‘ eine Welt von Golde dein,
Und du versprächst, sie mir zu schenken,
Ich wüßte mir mein Theil zu denken.
Laß ich dich los erst, falsches Thier —
Nicht eine Bohne giebst du mir.
Und glimpflich wärest du verfahren?
Ja ja, kaum wußt‘ ich mich zu wahren
Vor aller deiner Glimpflichkeit!
Mach‘ jetzt zur Reise dich bereit.
Ich bin wahrhaftig nicht der Mann,
Den dein Versprechen blenden kann.“
 
So spricht der Wolf und schäumt vor Wuth.
Reineken aber denkt sich: gut,
Mag er nur noch ein Weilchen schwatzen!
Und schiebt die freie seiner Tatzen,
Als reckt‘ er sich schon todesbang,
Dem Gegner sacht am Bauch entlang;
Und hui! mit teuflischer Gewalt
Hält er den Schwanz ihm festgekrallt.
Der Wolf erschrickt. Ein geller Schrei —
Flugs ist die andre Pfote frei;
Und Isegrim kommt jäh zu Sturz
Mit einem mächt’gen Kegelpurz.
Reineke aber zieht und zerrt,
Und wie der Wolf sich stemmt und sperrt:
Dreimal im Kreise um und um
Schleift ihn der Fuchs am Schwanz herum;
Bis ganz erschöpft vom grausen Streit
Das arme Vieh um Gnade schreit.
 
Da schallt des Königs Wort: „Halt ein!
Reineke Fuchs, der Sieg ist dein!
Doch wär’s ein schwerer Kummer mir,
Blieb‘ einer todt am Platze hier.“
 
Reineke läßt den Gegner frei:
Du sprichst es, Herr — wohlan, es sei.
 
Des Kampfes will ich mich begeben;
Was liegt mir viel an seinem Leben?“




Da kamen denn in hellen Haufen
Die Freunde all‘ herzugelaufen —
Auch mancher freche Schmeichler kam,
Der vorher ihm von Herzen gram —
Und weit erklang‘ durch Wald und Feld:
Heil, Reineke, dir, kühner Held!“
Laut rief der Fuchs: „Ihr Herrn, gebt Ruh‘!“
Schritt stolz dem Thron des Königs zu
Und bog sein Knie gar ritterlich.

Der König sprach: „Erhebe dich!
Dein Recht, mein Freund, liegt hell und klar
Vor aller Augen offenbar.
Ich will vergessen, will verzeihn,
Dein gnäd’ger König wieder sein.
Auch wünsch‘ ich, daß du früh und spat
Erscheinest im geheimen Rath;
Hilf jedes Ding zum besten kehren,
Der Hof kann deiner nicht entbehren.
Und so ernenn‘ ich feierlich
Zum Kanzler meines Reiches dich.
Das Siegel geb‘ ich dir zuhand,
Doch führ’s mit Weisheit und Verstand
Denn was du thun wirst oder schreiben,
Das soll gethan, geschrieben bleiben.“
 
Mein König,“ sprach der Fuchs gerührt,
Ob solche Großmuth mir gebührt —
Ach, leider muß ichs offen sagen,
Ich kann es kaum zu hoffen wagen!
Doch hast du auch mit hohen Gnaden
Mich überreichlich schon beladen,
Noch Eines, Herr, bitt‘ ich mir aus:
Laß mich auf einen Tag nach Haus
Zu meinem Weib, zu meinen Kleinen,
Die bitter um den Vater weinen.“


Der König sprach: „Zieh‘ hin in Frieden,
Sei Glück und Freude dir beschieden! —
Wie jetzt in heiterm Wohlgefallen
Ich laut vor meinen Treuen allen
Als Gatten dich und Vater preise,
So hoff‘ ich, daß dich gleicherweise
Mein Herz einst über Jahr und Tag
Als Rath und Kanzler preisen mag.“

E N D E

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