lifedays-seite

moment in time




 
Literatur


04.2

Gedichte
Wolkenüberflaggt - Ernst Wilhelm Lotz

  Erster Teil - II. Wolkenüberflaggt






DEINE HÄNDE
 
Jetzt bin ich lüstern nach deinen Händen.
Wie sie die meinen begrüßend drücken,
Können sie Weltraum-staunend beglücken.
Deine Hände führen ein selbstgewolltes, stilles Leben,
Ich habe mich deinen Händen ergeben!
Nun dürfen sie mich begreifen und fassen,
Zu deinen Höhen, mit Blicken nach Weiten,
Mich geschenkgütig heben.
Spielerisch aber werden sie mich übergleiten
Und am Weg hier liegen lassen.


oben
AN ERNST STADLER
 
Ich grüße dich in der Ferne, ich begrüße deine weit spannende
Nähe!
Du, den ich nicht kenne.
Aber ich sehe und erkenne hell deine ziehende Stimme
Hin durch die Abendzonen meines frühen Grams:
 
Die braunen Länder, die von Wolken triefen,
Sind noch vom Weilen meiner Füße jung,
Von Wünschen schwebend noch, die leuchtend aus mir riefen,
Neu wie das Meer, das sich dahinter weitet,
Darüber noch von jüngster Fahrt beschwingte Dünung kreisend
gleitet.
 
Meine Stimme, in deine Bezirke verschlagen,
Ward ergriffen, begriffen von dir
Und reif und gereinigt mir zugetragen.
 
In mancher Stunde verwitterter Nacht;
Bevor ich wußte von deinem durchbluteten Wesen,
Habe ich dich erdacht und lebendig gemacht
Und deine Bruderverse mir vorgelesen.
 
Und als ich dich sah, atmend nah, hell und zu glühenden
Worten gekühlt,
Wußte ich: Alles ist da! Alles lebt, was man mit Wünschen
erfühlt!


oben






___________________________

Textgrundlage: "Wolkenüberflaggt", Gedichte von
Ernst Wilhelm Lotz, Kurt Wolff Verlag,
Leipzig, 1917, gedruckt bei E. Haberland in Leipzig-R,
Herbst 1916
, als sechsunddreißigster
Band der Bücher „Der jüngste Tag“, ©1916 by Kurt Wolff
Verlag, Leipzig

Uni-Düsseldorf

Logo 74: "Tracks at the Saint-Lazare Station", 1877,
Claude Monet, gemeinfrei

wikimedia  

   lifedays-seite - moment in time