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Literatur


04.2

Gedichte
Wolkenüberflaggt - Ernst Wilhelm Lotz

  Erster Teil - II. Wolkenüberflaggt





 ABENDSPIEL
 
Die kleinen Kinder sitzen auf den Stufen vor dem Haus,
Sind eng gerückt und spielen Große, die sich streng besuchen.
Manchmal fällt einem Mädchen ein Lachen aus dem Halse
heraus.
 
Ich spiele auch. Ich spiele ein herzkindliches Spiel.
Ich spiele eine Kette von Kindern, einen rosinfarbenen Kranz,
Hinauf in die trunkene Luft, in der Sonne Untergangspiel.
Ich spiele mich eifrig und heiß und rot und werde leuchtend in
unnatürlichem Glanz,
Mein Werkstaunen schwillt übergroß und wird mir zuviel: -
 
Stark in den Wolken hinschwingendes Lichten
Werf ich, jäh frei gekrallt aus meinem Leib, mein Herz, das
Flammen facht!
Zerdonnernd dumpf verschwimmt das Höhenspiel zu bleichen
Schichten
Und wo ich hintraf, steht ein großer Stern und leuchtet und ist
ein tiefes Auge in der Nacht.

oben

 UND SCHÖNE RAUBTIERFLECKEN . . .
 
Bist du es denn?
Groß aus dem Weltraum nachts, der Spiegel ist,
Tönt dein zerwehtes Bildnis in meine Seele.
Die Sterne durchziehen harfend deine Brust.
Du aber . . .
 
Du glänzt vielleicht versehnt im weißen Federbett,
Traum liegt dir hart im Schoß. –
 
Oder ein junger Liebling
Zieht fühlsam mit zeichnendem Finger
Die festen Runden deiner Brüste nach.
Ihr seid sehr heiß,
Und schöne Raubtierflecken zieren eure Rücken.


oben






___________________________

Textgrundlage: "Wolkenüberflaggt", Gedichte von
Ernst Wilhelm Lotz, Kurt Wolff Verlag,
Leipzig, 1917, gedruckt bei E. Haberland in Leipzig-R,
Herbst 1916
, als sechsunddreißigster
Band der Bücher „Der jüngste Tag“, ©1916 by Kurt Wolff
Verlag, Leipzig

Uni-Düsseldorf

Logo 74: "Tracks at the Saint-Lazare Station", 1877,
Claude Monet, gemeinfrei

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