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04.2
Gedichte - Edgar
Allen Poe
An
Annie
Dem
Himmel sei Dank,
Die
Gefahr ist vorüber!
Wohl
bin ich noch krank,
Doch
das schreckliche Fieber,
Das
Lebensfieber,
Ist
glücklich bekämpft,
Ist
endlich gedämpft.
Wohl
sag’ ich mir:
„Deine
Kraft ist geschwunden,“
Denn
ich liege hier
Wie
angebunden, –
Ans
Bett gebunden –
Doch
einerlei,
Die
Gefahr ist vorbei.
Und
ich liege so still
In
meinen Decken,
Schweigend
und still –
Man
möchte erschrecken,
Vor
mir erschrecken:
Ich
bin so weiß
Und
atme so leis.
Doch
das Stöhnen und Ächzen,
In
den Adern das Kochen,
Das
wahnsinn’ge Lechzen,
Das
schreckliche Pochen,
Im
Herzen das Pochen –
Der
Druck von Blei
Gab
mich endlich frei.
Und
die zehrende Gier,
Mit
der ich geschmachtet,
Ein
halber Vampyr,
Nach
dem Born umnachtet,
Dunkel
umnachtet,
Dem
Born der Hölle,
Der
Naphtaquelle
Der
Leidenschaft –
Ist
nunmehr erschlafft.
Mich
dürstet nicht mehr
Nach
der dunklen Welle,
Denn
all mein Begehr
Stillt
jetzt eine Quelle,
Eine
lautre Quelle.
Lauter
und sanft
Mit
weichem Ranft.
Man
sage mir nicht,
Mein
Gemach sei ärmlich
Und
ohne Licht
Und
mein Lager erbärmlich,
Schmal
und erbärmlich –
Ich
liege gut,
Mein
Sinnen ruht.
Mein
Sinnen ruht,
Mein
Gemüt ist entlastet
Und
das wilde Blut
Ward
ruhig und hastet
Nicht
mehr so jäh
Zum
Herzen wie eh!
Des,
was mich bedrückte,
Betäubte,
verwirrte,
Und
was mich berückte,
Der
Rose und Myrthe,
Des
Duftes der Myrthe
Denk’
ich jetzt kaum –
Süß
ward mein Traum –
Es
wehet um ihn
Ein
heiliger Odem
Von
Rosmarin,
Nicht
mehr der Brodem,
Der
dumpfe Brodem
Der
Höllenkraft,
Der
Leidenschaft.
Und
so lieg’ ich
Wohlig
gebettet
Und
fühle mich
Glücklich
gerettet,
Vom
Tod errettet.
Weich
ist mein Pfühl
Und
wonniglich kühl.
Und
liebewarm
Bin
ich umschlossen
Von
Annie’s Arm
Und
rings umflossen,
Golden
umflossen
Von
ihrem Haar,
Wie
die Sonne klar.
Bricht
der Abend an,
So
küsst sie mich innig
Und
betet dann
Für
mich so sinnig,
So
schlicht und sinnig
Zur
Engelschar:
Schützt
ihn vor Gefahr!
Da
lieg’ ich denn still
In
meinen Decken,
Schweigend
und still –
Man
möchte erschrecken,
Vor
mir erschrecken –
Ich
bin so weiß
Und
atme so leis.
Doch
mein Herz ist voll Glanz
Wie
die lichte Höhe
Und
selig und ganz
Erfüllt
von der Nähe,
Der
holden Nähe
Der
geliebten Maid,
Meiner
sanften Maid –
Meine
Seele glüht
Mit
den reinen Flammen
Ihrer
Liebe und flieht
In
den wundersamen
Himmlischen
Raum
Zu
seligem Traum.
___________________________
Titel:
"An
Annie", Ausgewählte Gedichte Edgar Allen Poe -
1. Auflage 1891 –
Verlag des bibliographischen Bureaus,
Berlin, S. 45-50, Übersetzer:
Hedwig Lachmann
Gemeinfrei
Quelle
Logo73: Exterior
of Gare Saint Lazare - Das Signal, Claude Monet,
1877, gemeinfrei
wikimedia.org
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