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04.2
Gedichte - Edgar
Allen Poe
Israfel *
Ein
Geist wohnt in den Höhn,
»Dessen
Herz einer Laute gleicht«;
Wie
Israfel so schön
Singt
keiner in den Höhn;
Die
Sterne, die sich kreisend drehn,
Verstummen
im Vorübergehn,
Wenn
der Klang sie erreicht.
Und
wenn im Weltgetriebe
Der
wechselnde Mond
Am
höchsten thront,
Erglüht
er von Liebe;
Und
horchend verharren der rote Blitz
Und
die sieben Plejaden stockenden Schritts
Auf
ihrem Himmelssitz.
Und
sie sagen (der sternige Rat
Und
alle Lauscher in seinem Geleite),
Dass
Israfel sein Feuer
Verdanke
jener Leier,
Die
seine Stimme weihte –
Dem
bebenden lebenden Draht
Jener
ungewöhnlichen Saite.
Doch
die Höhn, wo der Engel wohnt,
Wo
hohe Gedanken, Pflicht und Zoll,
Wo,
erwachsene Gottheit, die Liebe thront,
Wo
die Huri blickt, sind nah und fern
Von
all der Schönheit voll,
Die
wir schätzen an einem Stern.
Drum
gehst du recht in deinem Drang,
O
Israfel, du weiser Barde!
Verachtend
glutenlosen Sang
Gab
dir der Ruhm den höchsten Rang,
Dein
ist der Lorbeer, bester Barde!
Heiter
lebe und lang!
Und
die Verzückungen drüben,
Sie
passen zu deinem feurigen Reigen,
Deinem
Gram, deiner Lust, deinem Hass, deinem Lieben,
Sind
ganz deiner Inbrunst zu eigen –
Wohl
mögen die Sterne schweigen!
Ja,
der Himmel ist dein! Doch dieser Welt
Ist
Süß und Sauer gemein;
Unsre
Blumen können nur – Blumen sein;
Der
Schatten deiner Wonne fällt
Auf
uns als Sonnenschein.
O
wär
ich schnell,
Wo
Israfel
Gewohnt,
und er wär ich –
Er
säng wohl nicht so flammend hell
Ein
sterblich Lied; doch ich,
Ich
säng aus solcher Leier Quell
Ein
Lied, dem keines glich!
Fußnoten
* Und
der Engel Israfel, dessen Herz eine Laute ist und der die süßeste
Stimme hat von allen Gotteskreaturen. – Koran.
_______________________________
Titel:
"Israfel",
Edgar Allan Poes Werke. Gesamtausgabe
der Dichtungen und Erzählungen,
Band 1:
Gedichte, Herausgegeben von Theodor Etzel, Berlin:
Propyläen-Verlag, [1922], S. 62-63,144-145.
Gemeinfrei
Permalink: zeno.org
Logo73: Exterior
of Gare Saint Lazare - Das Signal, Claude Monet,
1877, gemeinfrei
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