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04.2
Gedichte - Edgar Allen
Poe
Der
Eroberer Wurm
Im
Weltenraum ist Galanacht.
Im
Theater sitzt gedrängt
Eine
Engelschaar in Festestracht,
Verschleiert,
zährendurchtränkt
Und
lauscht einem wechselvollen Stück,
Wo
Furcht und Hoffen sich drängt,
Dieweil
im Orchester Sphärenmusik
Sich
langsam hebt und senkt.
Gottähnliche
Mimen murmeln leis
Den
Text und kommen und gehn
Auf
großer, formloser Wesen Geheiß,
Die
in den Coulissen stehn,
Mit
ernsten Geberden, feierlich stumm
Die
Wände schieben und drehn,
Und
mit ihren Flügeln in’s Publikum
Unsichtbares
Leiden wehn.
Dies
Drama, wechselvoll, fieberisch,
Es
bleibt der Welt unverkürzt,
Mit
einem scheckig bunten Gemisch
Von
Tollheit und Sünde gewürzt,
Dahinter
sich lauter Elend und Graus
Zum
verworrenen Knoten schürzt,
Und
ein Phantom sich unter Applaus
In
das ewige Dunkel stürzt.
Doch
sieh! eine Form aus ekler Brut
Schleicht
in den Mimenknäul –
Ein
kriechendes Untier, rot wie Blut,
Das
sich windet und windet, dieweil
Es
nach und nach die Mimen verzehrt
Unter
der Opfer Geheul
Und
die Engelschaar ein Schauder durchfährt
Ob
solch unendlicher Greul.
Aus
sind die Lichter – ausgeweht –,
Mit
der Wucht eines Sturmes fällt
Der
Vorhang, ein Leichentuch, sternbesät
Über
das bretterne Zelt.
Die
Engel erheben sich abgespannt
Und
erklären der bangen Welt,
Dass
die Tragödie „Mensch“ benannt
Und
der Eroberer „Wurm“ ihr Held.
____________________________
Titel:
"Der
Eroberer Wurm", Ausgewählte Gedichte Edgar Allen Poe -
1. Auflage 1891
–
Verlag des bibliographischen Bureaus, Berlin, S. 68-69,
Übersetzer:
Hedwig Lachmann, Gemeinfrei
Quelle
Logo73: Exterior
of Gare Saint Lazare - Das Signal, Claude Monet,
1877, gemeinfrei
wikimedia.org
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